Alissa Sterne

Fesselnde Entscheidung 2


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die sich über eine Fortsetzung von »Fesselnde Entscheidung« freuen. Ihr seid meine Motivation! ICH DANKE EUCH VON GANZEM HERZEN!! Alissa Sterne, im November 2015

      Prolog

      Stille. Absolute Stille.

      Und doch hatte sie irgendetwas geweckt. Benommen öffnete sie die Augen und sah nichts außer Dunkelheit. Kalte Angst legte sich auf ihre Haut und ließ sie frösteln. Sie wollte schreien, aber wagte es instinktiv nicht. Vorsichtig tastete sie um sich und fühlte Sand auf kühlem Steinboden. Voller Panik richtete sie sich auf und stieß mit dem Kopf gegen eine Wand. Ihr stockte der Atem. Das Blut rauschte in ihren Ohren und ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust. Mit zitternden Händen fühlte sie eine raue zerklüftete Steinwand. Auf wackeligen Beinen schwankte sie langsam an ihr entlang und stoppte abrupt, als sie nach wenigen Metern eine Ecke spürte. Von da tastete sie sich weiter in die Finsternis hinein. Nach wenigen Schritten erreichte sie wieder eine Ecke. Plötzlich machte ihr Herz einen Aussetzer, als sie mit einem Mal eine glatte Oberfläche ertastete. Irgendetwas Metallenes. Mit beiden Händen untersuchte sie den Gegenstand und fand so etwas wie einen Türgriff. Sie schaffte es aber nicht, ihn hinunterzudrücken. Mit all ihrer Kraft zog und rüttelte sie am Knauf, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Vollkommen fassungslos ließ sie sich auf die Knie fallen und wischte sich die aufkommenden Tränen weg. Sie war eingesperrt und würde es für unbestimmte Zeit auch bleiben! Wieder wollte sie schreien, aber sie brachte keinen Ton heraus. Ihre Kehle war vollkommen ausgetrocknet. Mit einem Schlag drangen donnernde Kopfschmerzen in ihr Bewusstsein. Als wenn jemand wie verrückt immer wieder mit einem Hammer auf ihren Hinterkopf einschlug. Sie umfasste mit beiden Händen ihren Schädel, aber es half nicht.

      Schließlich strich sie ihre langen Haare aus dem Gesicht und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Was war das Letzte, woran sie sich erinnern konnte? Doch sie war nicht in der Lage, einen Gedanken zu Ende zu denken. Immer wieder verloren sie sich in ihrem Kopf. Ein übermächtiges Angstgefühl durchflutete ihre Adern. Kalter Schweiß bildete sich auf ihrem Rücken und zwischen ihrem Mund und ihrer Nase. Mit wirrem Blick meinte sie unvermittelt, weiter hinten auf dem Boden einen hellen kleinen Punkt zu erkennen. Auf allen vieren kroch sie zu der Stelle und wischte panisch über den hellen Fleck. Jetzt erschien er auf ihrem Handrücken. Sie richtete den Kopf nach oben und traute im ersten Moment ihren Augen nicht. Ein feiner Lichtstrahl drang von der Decke in die Dunkelheit. Irgendwo da oben musste eine Öffnung sein! Ein Ausgang! Von Hoffnung getrieben überlegte sie krampfhaft nach einer Möglichkeit, irgendwie nach oben zu gelangen. Zuerst probierte sie es über den metallenen Gegenstand, den sie für eine Tür hielt. Aber sie rutschte immer wieder ab und fand keinen Halt, um sich nach oben ziehen zu können. Dann hatte sie einen Einfall. Vielleicht konnte sie an einer der rauen Wände hochklettern? Erneut tastete sie die Wände ab. Aufgeregt glitten ihre Hände über große und kleine Steine, die unregelmäßig aus den Wänden ragten. Immer wieder zog und rüttelte sie an ihnen, um ihre Festigkeit zu prüfen. Dann fühlte sie plötzlich so etwas wie kleine Einkerbungen, die offensichtlich nach oben führten – direkt an der Wand, die dem feinen Lichtstrahl am nächsten war. Eine Art Treppe nach oben in die Freiheit? Ihr Herz machte einen Sprung. Entschieden trat sie den Aufstieg an. So fest sie konnte, krallte sie sich mit ihren Händen in den winzigen Vertiefungen fest, drückte ihren Körper flach gegen die Wand und suchte mit den Füßen Halt. Unter größter Kraftanstrengung zog sie sich mit den Armen höher und höher. Sie wagte nicht, nach unten zu blicken, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf die Wand vor ihr und jede einzelne Bewegung – mit nur einem Ziel vor Augen: irgendwie nach draußen zu gelangen. Ihre Kräfte ließen nach. Als sie anfing, unkontrolliert am ganzen Körper zu zittern, zwang sie sich, kurz innezuhalten und durchzuatmen. Panik ergriff sie. Was, wenn ihre Kräfte nicht ausreichten? Sie schaute nach oben und schluckte trocken. Sie musste ein gutes Stück zurückgelegt haben, denn aus dem feinen Lichtstrahl war ein breiter heller Streifen geworden. Eindeutig, da oben ging es hinaus. Neue Kraft durchströmte sie. Noch mal holte sie tief Luft, suchte dann mit der rechten Hand nach der nächsten Einkerbung und zog sich hoch. Plötzlich rutschte ihr rechter Fuß ab. Händeringend versuchte sie, in letzter Sekunde neuen Halt zu finden. Doch die Schwerkraft zeigte kein Erbarmen. Mit einem markerschütternden Schrei stürzte sie ungebremst in die Tiefe und schlug hart auf den Boden auf.

      Dann herrschte wieder Stille. Totenstille.

      1. Kapitel – Wenige Wochen zuvor

      Es regnete sanft und leise. Wie feine Bindfäden fielen die Regentropfen im spärlichen Licht der Straßenlaternen geräuschlos vom dunklen Himmel.

      In seinem schmucklos eingerichteten Büro bemerkte Philipp Stein davon nichts. Viel zu sehr war er in die Dokumente vor ihm vertieft. Er konnte nicht glauben, was er da las. Das war unfassbar! Er wusste nicht, was ihn mehr beunruhigte: der gedruckte Text oder die handschriftlichen Bemerkungen am Rand. Mit der einen Hand rieb er sich über die Augen, mit der anderen blätterte er ungläubig die rund hundert Seiten Papier erneut durch. Hatte er endlich einen Volltreffer gelandet? War es das, wonach er insgeheim gesucht hatte?

      Er registrierte weder das penetrante Flackern der Neonröhre über ihm, das ihn vor ein paar Stunden noch fast den letzten Nerv geraubt hatte, noch die dramatische Szene, die einer der Monitore links neben ihm zeigte: Trotz der sparsamen Außenbeleuchtung war zu erkennen, wie ein klobiger Kerl mit brutaler Gewalt auf eine wehrlose Frau einschlug. Mitten ins Gesicht, bis sie taumelnd auf den Pflastersteinen zusammensackte und auf die Seite fiel. Mit einem letzten Tritt in die Magengrube ließ der Mann von seinem Opfer ab und verschwand in die anonyme Dunkelheit.

      Philipp warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr. 20:39 Uhr. Verdammt, schon so spät!, dachte er und lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. Kopfschüttelnd vergrub er sein Gesicht in den Händen. Fast bedauerte er seine heutige Entdeckung. Wenn das wahr war, dann … Wieder schüttelte er ungläubig mit dem Kopf, als er sich schwerfällig erhob. Vom langen Sitzen schmerzte sein Rücken. Sport wäre jetzt vielleicht der richtige Ausgleich, zog er kurz in Erwägung, aber sein knurrender Magen hatte eine verlockendere Alternative parat. Also entschied er sich für Currywurst mit Pommes auf dem Heimweg. Hastig sortierte er die Dokumente wieder in die richtige Reihenfolge und verstaute sie da, wo er sie gefunden hatte: im Safe. Dann ließ er einen prüfenden Blick über das Büro schweifen, beobachtete kurz die Bilder der Überwachungskameras, zückte schließlich sein Smartphone und machte wie jeden Abend ein Foto von seinem Arbeitsplatz, um am nächsten Morgen sicher zu sein, dass noch alles an seinem Platz und nichts verändert war. Weder der Kugelschreiber noch die Maus oder die Armlehnen seines Sessels oder sonst irgendetwas. Mit einem lauten Knacken ließ er die schwere Tür ins Schloss einrasten. Reflexartig vergewisserte er sich, dass die Tür wirklich verschlossen war, erst dann schaltete er auf dem Flur das Licht an. Offenbar war er nicht nur der Erste, der morgens zur Arbeit erschien, sondern wieder mal der Letzte, der ging. Als er mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss fuhr, lockerte er seine Krawatte und betrachtete kurz sein müdes Spiegelbild. Augenränder hatten sich wie nachtragende Schatten seiner schlaflosen Nächte tief in sein Gesicht gegraben und sein ehemaliger Drei-Tage-Bart mutierte mehr und mehr zu einem dichten, dunklen Vollbart. Er fuhr sich durch seine dunkelbraunen Haare und ließ den Blick an sich hinabschweifen. Wenn das so weiter ging, würde er bald einen Bauch ansetzen. Kurz fühlte er sich an seine alte Eitelkeit erinnert. Früher mal war er sehr bedacht auf sein Äußeres gewesen, aber das war lange her, und seit er seine neue Arbeitsstelle angetreten hatte, vernachlässigte er es noch mehr. Nach der langen beruflichen Auszeit wollte er endlich einen guten Job machen, und wenn er ehrlich zu sich selbst war, hungerte er vor allem nach Anerkennung. Mit einem Knopfnicken verabschiedete er sich am Empfang vom diensthabenden Wachmann und trat hinaus in die Kälte. Ein Schwall frischer Luft schlug ihm entgegen. Er atmete tief durch und blickte in den schwarzen Himmel über ihn. Wieder musste er an die Papiere denken, die er entdeckt hatte. Es war unfassbar! Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg zu seinem silberfarbenen Mercedes-Benz 300 SL Roadster, den er sich mit seiner ersten vielversprechenden Gehaltsabrechnung finanziert hatte. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass der Gehweg nass war. Offensichtlich hatte es geregnet, ohne dass er es mitbekommen