Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln


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stammelte der Engel zögerlich. „Ich glaube nicht, dass Euer Bruder es böse gemeint hat, mein Fürst.“

      „Und dennoch hat er recht. Heute kannst du mich vergessen, Sam. Also sag mir, dass du bloß gekommen bist, um zu berichten, dass die Weiße Garde einwandfrei marschiert und ich in nächster Zeit keinen weiteren Fuß nach draußen setzen muss.“

      „Ich ... Bedaure Herr, so ist es leider nicht.“

      Luzifel seufzte und fragte, nach kurzem, bedächtigem Schweigen und ohne eine Miene zu verziehen, ernster: „Nun, was verdirbt mir meine ohnehin schlechte Laune?

      Und wen muss ich töten, um sie zu bessern?“

      „Im Hades wurde eine Gruppe Dämonen von unseren Spähern gesichtet. Sie sind auf den Weg zum Höllentor. Der Hohe Rat lässt nach Euch schicken, um mit der Garde loszuziehen, die Dämonen zu vernichten, bevor sie das Höllenreich betreten und Satan -“

      „Hab keine Lust, lass sie weiterziehen“, wand er sich salopp raus.

      Tja ja, die Dämonen. Von Gott verstoßene Kreaturen, die eine dritte, unbekannte Welt bevölkerten. Nach Himmel und Hades war da die Ebene Gehenna, die ihnen eine Zuflucht bot und dort herrschte ein Großdämon namens Satan.

      Es war zig Zeitrechnungen her, dass Satan und seine Mannen Gott und die Engel zum Kampf herausforderten. Es kam zu einem Großen Krieg, dessen Auswirkungen bis heute anhalten. Luzifel selbst war es damals gewesen, der Satan schlug und die verhassten Dämonen zum Rückzug zwang. Seitdem gab es nie wieder eine ernstzunehmende Herausforderung für ihn.

      Dieser friedlichen Tage wurde er nur noch losgeschickt, um vereinzelte Gruppen anzugreifen, die durch den Hades wanderten, um nach Gehenna zu kommen.

      Wie es dort unten aussehen mag? Muss trostlos sein, wenn die Dämonen von da so oft ins gefährliche Grenzland gehen. Ansonsten würde ihn auch interessieren, was seine ewigen Feinde dazu veranlasste, einen noch trostloseren Ort wie den Himmel erobern zu wollen. Vielleicht sollte er einen der armseligen Teufel fragen, ehe er ihm den hässlichen Kopf abschlug ...

      „Mein Fürst, wollt Ihr Euch etwa dem Befehl des Hohen Rates widersetzen?“, fragte der junge Engel erschrocken.

       Ja, warum denn nicht?

      „Sam, ich habe das schon so viele Male durch. Ein paar Dämonen tauchen auf, ich soll sie umbringen. Gegen wen ziehe ich da ins Feld? Die Dämonen haben Satan, fein, aber der ist keine Führungsspitze und seine Soldaten sind einfache Bauern, keine Krieger.

      Mein Schwert gegen Spitzhacken, ich habe darauf keinen Bock.“

      „Aber eine Gardeeinheit seht schon bereit und -“

      Luzifel horchte auf. „Wer hat das denn befohlen?“

      „Ratsherr Metatron.“ Samael wirkte etwas geknickt. „Und ich soll Euch sagen, dass, wenn Euch wieder Kopfschmerzen plagen oder Euch sonstige Ausflüchte einfallen, würde man einen anderen an Eurer Stelle schicken und diesmal laufe das Verfahren über Eure Entscheidung zur Befehlsverweigerung direkt vor Gott.“

       ... Oh, Meta will bei Mutti petzen.

      Wütend schnaufte Luzifel durch die Nase aus.

      Gott würde sicher nicht sehr streng mit ihm sein, er war schließlich ihr Lieblingskind. Dennoch würde es sehr unangenehm werden und er verspürte den Drang, dem selbstgerechten Anstifter die Gurgel umzudrehen. Was würde die erlauchte Gottheit davon halten?

      Dem Befehl folgen oder Ärger kassieren?

      „Okay, okay, okay“, murmelte Luzifel missgestimmt und rollte sich von der Liege auf in Sitzpose, die Füße am Boden ausgestreckt. „Sag den Truppen, ich zieh mich um und komme dann runter ...“

      „Jawohl, Fürst Morgenstern.“ Samael salutierte artig und verließ den Raum.

      Wieder allein fuhr Luzifel abermals mit den Fingern durch das Haar und zerzauste es. Ein wenig Chaos stiften, bevor er sich weiter gestriegelt und gebügelt geben musste. Metatron und Konsorten lästerten sowieso herum, weil seine Mähne nicht der gewünschten Maxime entsprach.

      Schließlich sollte der Gardeführer jemand sein, der Ordnungssinn repräsentierte und aufrichtig den Rat und sein Wort unterstützte – statt einem unfolgsamen, lotterhaften Vagabunden, der eher an einen verächtlichen Grigori erinnerte.

      Nichtsdestotrotz wollte der Himmel eine Maskerade, die er perfekt liefern konnte. Mit einem flinken Satz stand Luzifel gerade und marschierte straffen Schrittes zu dem elfenbeinfarbenen Kleiderschrank hin, um aus seinen geöffneten Flügeltüren eine saubere Uniform zu holen.

      Als er den weißen Stoff über seinen makellosen Körper zog, schüttelte er rasch den aufkommenden Ekel ab, der ihm unterschwellig sagte, dass die Gestalt dort im Spiegel nicht zu ihm passen wollte. Es war falsch, was er sah. Irgendwas müsste anders sein. Nur was?

      War es bloß das ewige Weiß, was ihm zum Hals raushing?

      Oder das alte Lied ...

      Schlank und anmutig war jeder Engel auf seine Weise gebaut, doch wie oft machten die Soldaten sich heimlich über seine geringe Körpergröße lustig? Es nervte ihn seit Unzeiten, kein Hüne zu sein, der mit seiner Gestalt Respekt einflößte. Den Gehorsam der Truppe hatte er mit Kraft und einem Hang zur Herzlosigkeit erworben, denn sonst hätte man ihn kaum als Anführer wahrgenommen. Als gewöhnlicher Rekrut wäre er allein wegen seiner Statur unten durch gewesen, aber er war ja Gottes Liebling, ha ha ...

       Ich hätte eine Reklamation an Gott.

      Aufs Neue trübte das korrekte Bild sein schwarzes Haar. Die göttliche Experimentierfreudigkeit kotzte ihn an. Gut, er war nicht der einzige Engel, der hierbei aus dem Rahmen fiel, jedoch hatte Gott fast allen Geflügelten als Standard blonde oder gar weiße Haare vorgeschrieben. Schwarzhaarige nannte man liebevoll „Ausrutscher“ – nur wagte es niemand, ihm das ins Gesicht zu sagen.

      Könnte daran liegen, weil er einmal einen dummdreisten Kritiker bis zur Unkenntlichkeit verprügelt hatte ... Sein Bruder musste ihn aufhalten, den frechen Kläffer nicht zu töten. Seitdem war sein Jähzorn in aller Munde.

      Zur Uniform zog er farblich passende Stiefel über. Das Haar wurde tadellos nach hinten weg gekämmt, auch wenn sich die Locken störrisch kringelten. Er reckte das Kreuz gerade, lockerte seine Schultern und nickte die Posse ab.

      Vorhang auf, das Stück begann und er hing als Marionette an Fäden.

      Am liebsten wäre er tot umgefallen.

      Die reinweiße Gardeeinheit empfing ihn beritten mit aller Ehrerbietung. Wenn sie über ihn gespottet hatten, drang davon nichts nach außen.

      Man brachte ihm sein Reittier, den geflügelten Schimmel Jaspis. Wohl der vertrauenswürdigste Mitstreiter im gesamten Regiment. Selbst im Krieg war Luzifel auf ihm geritten und der Zosse hatte keinen Augenblick gescheut, als Dämonen sie bedrohten. Unerschrocken preschte der Pegasus durch die Horden von Teufeln und zermalmte alles, was vor seine gewaltigen Hufe kam.

      Hingegen seiner Grausamkeit im Kampf war das Tier aber auch äußerst sanftmütig seinem Herrn gegenüber und kuschelte schon mal verspielt, gerade wenn Luzifel mit etwas Leckerem lockte. Besonders gern hatte er die violetten Beeren aus den Haingärten.

      So viel Freundschaft und Treue konnte er von den Kriegern nicht erwarten.

      Zärtlich tätschelte Luzifel Jaspis’ Hals und schwang sich auf seinen Rücken in den ledernen Sattel.

      Schweigend folgte ihm die Garde Richtung Totenreich.

      Es regnete. Und das nicht zu knapp. Innerhalb kürzester Zeit waren die Köpfe der Gardisten durchnässt und mit grimmigen Mienen trotteten sie durch das sonst so neblige Gebiet.

      Der Hades war eine graue, triste Landschaft. Eine endlos wirkende Aneinanderreihung von kahlen Bergketten, ab und an durchzogen von ausgedehnten, farblosen Graslandschaften – wenn man von dem trüben Wasser des