Allie Kinsley

Fire&Ice 13 - Alex Altera


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so zu tun, als belaste sie die ganze Situation nicht. Ihre Freunde nannten sie nicht ohne Grund die Eisprinzessin. Sie hatte das völlige Abstellen von Gefühlen perfektioniert.

      Sie hatte nicht mitbekommen, wie die Maschine auf deutschem Grund gelandet war, bemerkte nun aber den Trubel um sich herum, den die aufstehenden Passagiere verursachten.

      Cat rollte die Vogue, ein Magazin über die neusten Trends, zusammen und steckte sie in die Miu Miu-Handtasche.

      Dann löste sie den Pferdeschwanz, der ihre langen schwarzen Haare zusammenhielt, und schüttelte die glatte Mähne aus.

      Ein attraktiver Mann mittleren Alters lächelte sie an. Cat starrte ihrerseits nur ungerührt zurück und hob dabei eine Augenbraue, als missfiele ihr, was sie sah.

      Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, dass das die effektivste Möglichkeit war, sich Männer vom Hals zu halten.

       Gib ihnen das Gefühl, nicht gut genug zu sein, und sie verschwinden blitzschnell.

      Sie schwang sich die schwarze Miu Miu-Tasche auf die Schulter und folgte ihrem Sitznachbar dann aus dem Flugzeug.

      Während der Sicherheitskontrollen und des Abholens ihres Koffers überlegte sie, wann sie zum letzten Mal in Deutschland gewesen war.

      Es musste mindestens fünfzehn Jahre her sein, da ihr Vater zu der Zeit noch gelebt hatte. Sie war gerade einmal zehn Jahre alt gewesen und hatte ehrfürchtig zu ihrem sieben Jahre älteren, großen Bruder aufgesehen.

      Nur ein Jahr später war ihr gemeinsamer Vater plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben.

      Cat schüttelte den Gedanken ab. Der Verlust ihrer damals einzigen Bezugsperson stimmte sie noch immer traurig und für Gefühle hatte sie im Moment absolut keine Zeit.

      Sie war eine Frau auf Mission. Wahrscheinlich sogar der schwersten in ihrem Leben. Ab sofort musste sie die Zähne zusammenbeißen, ihre Gefühle ausschalten und ihre Familie glücklich machen.

      Danach konnte sie sich in irgendeine stille Ecke zurückziehen und in Ruhe zusammenbrechen.

       ALEX

      Völlig entnervt suchte er nach seinem Handy, das seit einer gefühlten Stunde ununterbrochen klingelte. Es musste irgendwo in seinem Koffer sein, den er seit der Ankunft am Nachmittag noch nicht ausgeräumt hatte.

      Als er es schließlich fand, starrte er ein wenig unschlüssig auf das Display. Er kannte die Nummer nicht und war sich nicht sicher, ob er zu einem Fremden nach diesem stressigen Tag noch höflich genug sein konnte.

      Seufzend ließ er sich auf das ordentlich gemachte Bett fallen und zog das grüne Symbol auf dem Smartphone-Display von links nach rechts.

      "Altera", brummte er und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel. Sein Kopf schmerzte und er brauchte dringend eine Pause, ehe sein Körper in den Streik trat.

      "Alex?"

      Die weiche, nur allzu bekannte Stimme ließ ihn sofort innehalten. Er erstarrte geradezu, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dass sie es wirklich war, und der Wut, die noch immer tief in ihm schwelte.

      "Hallo? Alex?"

      Sie war es wirklich. Und er hatte absolut keine Ahnung, wie er ihr begegnen sollte. Er hatte ja noch nicht einmal eine Ahnung davon, was genau er fühlte.

      Es war eindeutig zu viel Durcheinander in seinem Inneren. Zu viele Gedanken, zu viel Trauer, zu viel Wut.

      "Cat." Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren vollkommen emotionslos.

      Stille am anderen Ende der Leitung. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass Cat genauso durcheinander war wie er selbst.

      Aber das war sie nicht, das war sie nie gewesen. Sie war schon mit 18 so verdammt abgeklärt gewesen, wie er es heute mit seinen 32 Jahren nicht war.

      "Wir müssen uns treffen", sagte sie.

      Die Worte waren wie eine Ohrfeige und kamen sieben verdammte Jahre zu spät.

      "Ich habe keine Zeit", antwortete er deshalb.

      Dass er im nächsten Monat Urlaub geplant hatte, musste sie nicht wissen. Niemand sollte es wissen, da er so einmal seine absolute Ruhe haben konnte, während er vorgab, auf Geschäftsreise zu sein.

      "Ich denke, dass du dir eine halbe Stunde Zeit für deinen besten Freund nehmen kannst." Eiskalt, schneidend. Sie sagte es, als sei er ein Arschloch, das seine Freunde absichtlich verletze.

      "Tja, leider bleibt es nicht bei einer halben Stunde, wenn zwei Mal neun Stunden Flug zwischen uns liegen." Und selbst wenn er die Zeit erübrigen könnte, er würde Ryan nie wieder besuchen, wollte Ryans kleine Schwester nie wieder sehen.

      Vielleicht war es kindisch, oder kleinlich, aber diese Frau hatte es geschafft, ihm das Herz zu brechen. Damit war sie für ihn ein für alle Mal gestorben.

      Ihr Schnauben klang mehr als nur abfällig.

      "Du bist ein viel beschäftigter Mann, schon klar, wie schon immer."

      Was zum Teufel sollte das denn bitte heißen? Cat schaffte es in wenigen Minuten, ihn die komplette Palette aller möglichen Gefühle durchlaufen zu lassen. Dieser Umstand war alles andere als angenehm und ließ seine Wut nur noch weiter anwachsen.

      Bevor er zu einer geknurrten Erwiderung ansetzen konnte, fuhr sie bereits fort: "Weil ich das aber schon vorher gewusst habe, bin ich nach Deutschland geflogen. Willst du dir auch die Fahrtzeit in ein Restaurant ersparen? Dann komme ich zu dir."

       Eher friert die Hölle zu!

      Nie im Leben würde er Cat in sein Haus lassen. Nicht in einer Millionen Jahren.

      "Restaurant", knurrte er.

      Was zum Teufel wollte sie von ihm? Meinte sie ernsthaft, ein Gespräch könnte alles wieder in Ordnung bringen? Das hätte es damals vielleicht, aber nach all der Zeit, in der er seine Wut auf sie stetig genährt hatte, war dieses Unterfangen chancenlos.

      "Im Schiffchen." Wenn möglich, war ihre Stimme noch kälter geworden.

      "Morgen. 19 Uhr", erwiderte er.

      Er brauchte einen Tag, um seine Gefühle einigermaßen in den Griff zu bekommen. Würde sie ihm jetzt über den Weg laufen, würde er sie einfach nur anschreien und alles rauslassen, das sich die letzten sieben Jahre in ihm angestaut hatte.

      "Bis morgen."

      Das monotone Tuten in der Telefonleitung hallte wie Kanonenschüsse durch seinen Kopf.

      Cat. Cathrin Black, der grausame Geist seiner Vergangenheit, die erste und letzte Frau, die jemals sein Herz berührt hatte.

      Wie zum Teufel sollte er es schaffen, ihr gegenüber zu treten? Wie sollte er sachlich mit ihr über einen Besuch bei seinem besten Freund sprechen, wenn er ihr ihren Verrat noch immer nicht vergeben hatte?

      Nach all den Jahren hatte er es ja noch nicht einmal geschafft, selbst damit Frieden zu schließen. Er ließ niemanden mehr so nah an sich heran, hatte aus dieser bitteren Lektion mehr als nur gelernt.

      Nie wieder würde er sich in eine Situation bringen, in der er sein Herz auf einem Silbertablett präsentierte, nur damit die Eisprinzessin es in Stücke reißen konnte.

      Nie wieder!

       CAT

      Keuchend starrte sie auf das Telefon. Sie hätte nicht gedacht, dass ein einfaches Telefonat so viel Kraft kosten konnte.

      Seine Stimme riss Wunden auf, von denen sie schon lange gedacht hatte, dass sie verheilt waren. Ihr Herz klopfte so kräftig gegen ihren Brustkorb, als würde es jeden Moment hervorbrechen wollen. Ihre Atmung ging viel zu schnell und die Tränen, die aus ihren Augen liefen, hatte sie schon während des Gesprächs nicht mehr zurückhalten können.

      Wie zum Teufel sollte sie den morgigen Abend überstehen?