Celine Ziegler

Violet Socks


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und setzt sich in den gleichen Stuhl wie beim letzten Mal.

      Ich sehe ihn ungläubig an. „Ja, mach es doch noch schlimmer, indem du frech bist. Das hilft uns mit Sicherheit."

      Harry stemmt nur seinen Kopf in seine Hand an der Stuhllehne und schließt die Augen, als wäre er müde und erschöpft. „Es hilft uns sowieso nichts mehr."

      Argwöhnisch betrachte ich ihn, wie er tief ein- und ausatmet. Es ist das erste Mal, dass ich ihm heute ins Gesicht schaue, und mir fällt sofort auf, dass er nicht nur müde scheint, sondern tatsächlich ziemlich müde ist. Seine Haare sind durcheinander (was bei ihm sonst nie der Fall ist). Sonst wirkt er immer ausgelassen, aber heute nicht. Das ist sehr ungewöhnlich.

      „Richtig", sagt Misses Heath und setzt ihre Brille ab, um uns direkter ansehen zu können. „Wachen Sie auf, Mister Perlman, schlafen können Sie zu Hause."

      Harry murrt vor sich hin und öffnet widerwillig die Augen, während er sich aufrichtet.

      Mir bleibt nichts anderes übrig, außer ihn skeptisch von der Seite anzusehen. Solch eine Haltung ist so dermaßen untypisch für ihn. Und das kann ich sagen, obwohl ich ihn nicht mal mehr kenne. Ich frage mich, wieso er so schläfrig ist. Wahrscheinlich war seine Nacht mit Florence nicht sonderlich lang. Das wird es wohl sein.

      „Ich habe mir wirklich lange und ausgiebig Gedanken um euch gemacht", bringt mich Heath wieder dazu, meinen Blick von Harry zu nehmen. „Violet, du bist eine gute Schülerin, jedem kann mal ein Fauxpas passieren, deswegen spare ich mir einen Eintrag im Schulregister."

      Ich atme gedanklich auf. Eigentlich dachte ich, sie hätte mich auf dem Kieker, nachdem ich Harry aus dem Theaterkurs geschmissen habe.

      „Aber trotzdem bist du noch nicht raus aus dem Schneider. Und zwar gibt es für euch beide eine Bedingung. Wir alle wissen, dass Harry kurz davor steht, das Schuljahr zu wiederholen, was natürlich für niemanden gut ist. Für ihn nicht, für die Schule nicht und für die Klasse nicht, in die er kommen würde."

      „Ja, sparen wir uns das", unterbricht Harry sie gelangweilt. „Kommen wir zum Punkt."

      Heaths Nasenflügel beginnen zu beben und ich sehe ihr an, wie sehr sie sich wünschen würde, Harry an den Haaren zu ziehen, doch sie führt fort: „Jeden Mittwoch und Freitag werdet ihr zwei nachsitzen. Und damit ihr euch nicht langweilt, wird Violet Ihnen, Mister Perlman, in Ihren schlechtesten Fächern Nachhilfe geben, damit Sie Ihren Abschluss auf der Highschool packen. Das Schuljahr hat nur noch drei Monate und ich möchte Sie nach diesen drei Monaten nie wieder sehen, deswegen werden Sie die Prüfungen bestehen. Verstanden?"

      Mir stockt der Atem.

      Wie bitte, was? Ich soll mit Harry zweimal die Woche eine Stunde in einem geschlossenen Raum sitzen? Und mit ihm lernen?

      Ich spüre, wie die Hitze in meinem Körper steigt und ich einem Herzinfarkt immer näher komme. Gleich wird mir schwindelig, ich kann es fühlen.

      Heath wendet sich nun an mich, als ich kurz davor bin zu kollabieren. „Aber damit du auch etwas davon hast, wird Harry trotzdem noch in deinem Theaterkurs sein. Auch wenn er beim letzten Mal einfach gegangen ist, wird das nicht noch mal passieren, denn dieses Verhalten war inakzeptabel."

      Ich blinzle. Er hat ihr gar nicht erzählt, dass ich ihn rausgeschmissen habe? Verwundert blicke ich zu ihm, doch er verzieht keine Miene. Er sitzt noch immer mit müden Augen dort und hört Misses Heath zu, als hätte er schon die ganze Zeit gewusst, was auf uns zukommt.

      „Es tut mir sehr leid, dass ich euch das antun muss, aber ihr habt mich beide maßlos enttäuscht." Heath wird ruhiger. „Und ich weiß auch, dass ihr euch nicht mögt, aber trotzdem hättet ihr euch verhalten können, wie sich eine Siebzehnjährige und ein Achtzehnjähriger nun mal verhalten, doch das habt ihr nicht. Ihr wart kindisch. Beide. Also vielleicht solltet ihr einfach versuchen, miteinander auszukommen, denn …''

      „Ja, schon klar", unterbricht Harry sie und reibt sich die Stirn. Seine Augen wieder geschlossen. „Kann ich jetzt gehen?"

      Heath seufzt. „Mister Perlman, ich tue das für Ihre Noten und nicht …''

      „Ich habe gefragt, ob ich gehen kann."

      Wieder blicke ich zu ihm. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er hat zu wenig gegessen, denn früher war er auch immer gereizt, wenn er hungrig war, doch heute könnte es alles sein. Und auch, wenn er öfter frech ist, kommt es mir heute anders vor. Es gibt mir zu denken, obwohl ich es nicht will.

      „Ja, Sie können gehen", sagt Heath nach kurzer Pause zu Harry. Als Harry sofort aufsteht und seinen Rucksack packt, sagt sie noch zu mir: „Du auch, Violet."

      Ich nicke, da ist Harry schon aus dem Büro verschwunden. „Ja, Misses Heath ... Es tut mir übrigens noch mal leid ... Das mit Ihrer Küche."

      „Das macht es leider auch nicht mehr rückgängig und nachsitzen musst du trotzdem."

      Und das auch noch jeden Mittwoch und Freitag. Mit Harry. Allein. Beim Lernen. Ich will mich übergeben, doch stattdessen folge ich Harry schnell durch die leeren Flure unserer Schule nach draußen zu den Parkplätzen, wo er von Weitem sein Auto aufschließt.

      „Harry!", rufe ich ihm hinterher, als er seine Autotür öffnet.

      Er ignoriert mich und schmeißt seinen Rucksack auf den Beifahrersitz.

      Ich jogge zu ihm und komme schnaufend an. „Hey, warte kurz."

      „Was willst du?", fragt er mich mit gereiztem Unterton und zieht sich eine Sonnenbrille auf, während er sich in seinen Wagen setzt. Jetzt kann ich seine müden Augen nicht mehr sehen.

      Ich stelle mich neben seine Tür, doch komme ihm nicht zu nahe, damit er mich nicht umfahren kann, falls er das vorhat. „Vergiss nicht, dass wir morgen schon nachsitzen müssen", sage ich, doch versuche trotzdem, sein Gesicht näher zu betrachten, das ich nur von der Seite sehe. Sogar mit Sonnenbrille sieht er ermattet aus.

      Harry greift nach dem Türgriff und schmeißt die Tür zu, doch er spricht noch zu mir, weil sein Fenster offen ist. „Ich vergesse es nicht."

      „Gut." Kurz stehe ich einfach nur da und betrachte sein Profil. Es ist merkwürdig, ihn so zu sehen.

      Ihm entgeht mein seltsames Gestarre natürlich nicht, deswegen wendet er sein Gesicht nun zu mir. „Hast du irgendein verdammtes Problem?"

      Ich verziehe nachdenklich den Mund. „Sag mal, ist alles okay? Entweder bist du betrunken oder du hast die ganze Nacht nicht geschlafen."

      Er wendet sich wieder von mir ab und startet genervt den Motor, weswegen ich einen Schritt zurückgehe. „Alles bestens", sagt er über den Klang des Motors. „Und jetzt geh einen Schritt zur Seite, wenn du nicht willst, dass ich dich umfahre."

      Sofort tue ich, was er sagt. Er ist heute anscheinend noch genervter als sonst, aber diesmal ist es nicht amüsant. Es ist erschreckend und gleichzeitig sollte ich auch mit so was rechnen, denn er ist ständig unfreundlich zu mir, nicht nur heute.

      Ich schultere meine Tasche erneut, als er schließlich an mir vorbeibraust in Richtung der Straße. Na, Halleluja. Hoffentlich ist er nicht so, wenn wir nachsitzen müssen oder er in meinem Kurs ist. Da schmiere ich mir mit ihm doch lieber Soße ins Gesicht, als so einen ausgelaugten Harry bei mir zu haben.

      Kapitel 6

      MOM

      Ich mache heute Spinatpizza. Meinst du, es reicht eine oder soll ich gleich zwei machen? Deine Mutter.

      Ich lege stöhnend den Kopf in den Nacken, als ich die Nachricht von Mom auf meinem Handy sehe, während ich mit Benja, Hardy, Charly und Carla in der Cafeteria der Schule sitze und sie sich über das kommende Wochenende unterhalten.

      Schnell schreibe ich zurück, damit Mom bloß nicht auf komische Gedanken kommt.

      Spinatpizza? Das klingt schon wieder viel zu gesund. Wie wäre es mit Pizza überbacken