fährt los und er schaltet das Radio aus.
„Wieso machst du die Musik aus?", frage ich ihn verwirrt.
Die Lichter der Laternen spiegeln sich in seinem Gesicht während er fährt und ich genieße jede Sekunde, in der ich sein schönes Profil betrachten kann. „Weil ich mich mit dir unterhalten möchte", sagt er. „Und Musik würde unsere Konversation stören."
Innerlich seufze ich schmachtend auf. Hach, Gott, Brandon. Für dich würde ich auch die nächsten zwanzig Jahre nichts essen.
„Dann sollten wir uns wohl unterhalten", sage ich und versuche, lockerer zu sein, denn sonst bin ich auch nicht so schüchtern.
Er schmunzelt. „Du hast recht. Erzähl mir etwas von dir, ich kenne dich ja kaum. Erklär mir doch mal, wieso du Gedichte von Goethe auswendig kannst."
Vor Scham halte ich mir die Hand vor die Augen und lehne den Kopf zurück. Er hat das alles im Englischkurs also doch mitbekommen. „Oh, ähm, ja ... Also ich stand schon immer total auf Epos und Lyrik und so was, weißt du? Literatur, Gedichte schreiben war schon immer voll mein Ding."
Beeindruckt nickt er. „Interessant. Also nehme ich an, dass ich eine wahre Poetin neben mir sitzen habe?"
Ich zucke schüchtern mit den Schultern und knibbel an meinen frisch lackierten Nägeln rum. „Ich weiß nicht. Wenn du es so nennen magst."
„Ich würde es gerne so nennen."
Ich sehe zu ihm. Er ist noch netter, als ich dachte. Er sieht nicht nur gut aus, sondern weiß auch noch, wie man freundlich und zuvorkommend ist. Der Abend verläuft besser, als ich dachte. Gerade wäre ich mit niemand anderem lieber hier als mit ihm.
„Was ist mir dir?", traue ich mich zu fragen. „Was machst du in deiner Freizeit?"
Brandon fährt sich wie ein Vogue-Model durch die blonden Locken. „Ich habe nicht sonderlich viel Freizeit. Mein Vater ist vor ein paar Jahren gegangen und seitdem muss ich oft auf meine kleine Schwester aufpassen, weil meine Mutter viel arbeitet."
„Oh", sage ich und fühle direkt mit ihm. „Ich kenne das. Mein Vater hat uns auch verlassen, als ich acht war und ich muss oft auf meine kleine Schwester aufpassen."
„Dann teilen wir ja sozusagen das gleiche Schicksal. Es ist schön, jemanden zu treffen, der einen versteht."
Ich lächle warm. „Ja, das ist es wirklich. Ich wette, du bist ein ausgezeichneter großer Bruder."
Kurz lächelt er mir zu. „Und ich wette, du bist eine ausgezeichnete große Schwester."
Brandon parkt neben dem Klub, wo ich schon von Weitem meine Freunde sehen kann. Charly, Benja, Oscar, Carla und Hardy stehen schon erwartungsvoll vor dem Eingang zwischen weiteren Leuten. Sie stechen überall heraus. Man sieht ihnen – bis auf Hardy – einfach an, dass sie hier nicht hingehören.
Als ich gerade die Autotür öffnen will, springt Brandon schon nach draußen und öffnet sie mir, bevor ich überhaupt dazu komme. Wieder grinse ich breit und mein Puls geht schneller. Er ist so verdammt zuvorkommend, dass es beinahe unwirklich ist.
„Danke", sage ich wieder zu schüchtern für meine Art und steige aus, passe aber gleichzeitig auf, dass mein Rock nicht zu hoch rutscht. Er ist ebenfalls neu. Zwar ist er in einem Schwarz, doch ich wollte mich nicht seltsam anziehen, wenn ich schon mal mit Brandon unterwegs bin. Er soll denken, ich bin elegant und erwachsen. Dazu trage ich noch meine typischen Kniestrümpfe, ebenfalls in Schwarz und einen hautfarbenen Pullover. Allerdings mussten meine Boots ausreichen, denn hohe Schuhe besitze ich nicht und Charlys Schuhgröße habe ich nicht.
„Liebend gerne", lächelt Brandon und schließt die Autotür hinter mir. Er kommt zu mir und legt seinen Arm um meine Taille, um mich zum Klub zu bringen, was mein Bauch ein wenig zum Prickeln bringt.
Ich wusste gar nicht, dass er schon so in die Offensive geht, und das beim ersten Date. Aber mir soll es recht sein. Ich schmachte ihn seit Ewigkeiten an, besser kann es für mich kaum laufen.
Charly und die anderen entdecken uns auch endlich, als wir zum Eingang laufen, und winken heftig. Ich muss mir ein Lachen verkneifen, denn sie wirken wie Bauerntrampel im Gegensatz zu den anderen. Aber ich liebe es, denn ich bin einer von ihnen.
„Da sind meine Freunde", sage ich zu Brandon, der wohl genauso wie ich Benja und die anderen entdeckt hat. „Sie wollen mit uns reingehen."
Jedoch hat Brandon einen anderen Plan, denn er zieht mich geradewegs an ihnen vorbei, ohne auch nur einen Blick zu ihnen zu werfen.
Verdutzt sehe ich von ihm zu Charly, die mir einen genauso verwirrten Blick zuwirft. Ich zucke nur mit den Schultern als Zeichen dafür, dass ich eigentlich gerne zu ihnen gekommen wäre, doch es heute nicht anders geht. Sie winkt daraufhin nur lässig ab und wendet sich an die anderen. Sie verstehen mich schon. Die Sache mit Brandon ist mir sehr wichtig.
„Wir werden den Abend mit meinen Freunden verbringen", sagt Brandon, als er einfach so gelassen an dem Türsteher vorbeigeht, denn er hat ja freien Eintritt.
„Oh." Ich bin etwas enttäuscht, allerdings ist es heute in Ordnung. Es stört mich nicht, neue Leute kennenzulernen, solange sie nett zu mir sind.
Brandon sieht zu mir. „Wenn das für dich in Ordnung ist, natürlich."
Ich nicke und versuche mein Widerstreben zu verstecken. „Ja, ist in Ordnung."
Er sieht wieder geradeaus und führt mich dann durch ein paar Leute in einen abgesperrten Bereich, wo ich schon Gesichter sehe, die ich nur ungern um mich habe. Clarissa, die Braue, chillt mit Florence auf einer weißen Couch und trinkt Sekt. Daneben ein paar Kerle, die ich zwar schon oft in der Schule gesehen habe, aber nie gesprochen habe. Sie sind eher die Partie Ethan und Harry, wenn ich mir ansehe, wie sie Florence und Clarissa anschmachten.
Die Musik ist auch nicht mein Geschmack und ich wette, Charly hätte jetzt genau das Gleiche gesagt. Diese Technobässe sind absolut nicht unser Ding und ich wünschte, es würde etwas Ruhigeres oder wenigstens etwas mit mehr Rock laufen. Aber damit muss man sich wohl in einem Klub zufriedengeben.
„Moment mal", sagt Florence, als Brandon und ich uns auf die weiße Couch zu den anderen in den Kreis setzen und er mich nahe an sich heranzieht. Sie zeigt missbilligend auf mich und lacht. „Berry-Loser ist dein Date?"
Brandon verstärkt seinen Griff um meine Hüfte. „Ja, ist sie. Das hat dich nicht zu interessieren, Florence."
„Natürlich hat mich das zu interessieren. Du kannst nicht einfach irgendeine deiner komischen Freundinnen hierherschicken und dann erwarten, dass wir das akzeptieren."
„Sie ist nicht eines meiner komischen Freundinnen. Und es ist mir eigentlich ziemlich egal, ob ihr das akzeptiert oder nicht. Ich sorge für die Getränke und den VIP-Bereich, also hast du es zu akzeptieren, ansonsten kannst du gehen."
Mein Herz springt, als Brandon diese Worte ausspricht. Er beschützt mich vor der Sockentitte. Und das, obwohl sie befreundet sind. Geht es eigentlich noch perfekter? Ich lächle ihn als Dankeschön an.
„Keine Sorge", flüstert er mir ins Ohr. „Ich achte darauf, dass dich niemand dumm anmacht."
„Warte nur darauf, bis Harry und Ethan kommen", blökt Florence wieder und rückt ihren Ausschnitt zurecht, der heute übrigens mal wieder fast nicht vorhanden ist, denn ohne Kleid gibt es auch keinen Ausschnitt. Es ist wirklich nur noch ein Stofffetzen. „Denen wird das auch nicht gefallen – oh, da kommen sie ja schon."
Ich folge Florences und Clarissas Blick nach rechts zu den Treppen, die zum VIP-Bereich führen. Und sofort trifft mein Blick Harrys, der sich gerade seine dunkelbraune Jacke über die Schultern zieht, worauf ein weißes T-Shirt zum Vorschein kommt. Mal wieder trägt er enge Jeans, jedoch heute eine hellere und keine schwarze mit Löchern. Es ist albern, dass ich ihn heute Abend als attraktiv einstufen kann. Aber zum Glück habe ich Brandon neben mir, der mindestens genauso attraktiv ist und noch dazu ein Jackett trägt, wogegen Harrys Street-Look abstinkt.
„Na,