Celine Ziegler

Violet Socks


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in meiner Hand halte, jucken schon, weil sie etwas anstreichen wollen, doch es scheint einfach nicht nötig zu sein.

      Während ich die Aufgaben genauestens kontrolliere, sagt Harry irgendwann: „Brandon Brown, hm?"

      Ich suche weiterhin auf dem Zettel nach Fehlern, um sie Harry mitten ins Gesicht drücken zu können. „Was ist mit ihm?", frage ich ihn nebenbei.

      Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Harry sich auf dem Holzstuhl zurücklehnt und seine Hände hinter dem Kopf verschränkt. „Er hat erzählt, ihr geht am Freitag zusammen zu DJ Mäh."

      „Ja, und? Willst du ihn mir jetzt schlechtreden?"

      „Kein Stück. Ich musste es nur mit eigenen Ohren hören."

      „Nun tu mal nicht so, als wäre es das siebte Weltwunder. Anscheinend mag mich Brandon nun mal."

      „Es heißt achtes Weltwunder", korrigiert Harry mich. „Und doch, es ist das achte Weltwunder."

      Ich lege verzweifelt den roten Stift beiseite und stemme meinen Kopf in die Hände. Er hat tatsächlich keinen einzigen Fehler gemacht. Jede Rechnung ist einwandfrei. Wäre das hier eine Arbeit, hätte er ein glattes A. Wieso zur Hölle kann er das?

      „Was?", fragt Harry mich mit süffisantem Grinsen. „Kein Fehler gefunden?"

      Ich schüttle hoffnungslos den Kopf. „Ich verstehe das nicht", sage ich und sehe mir weiterhin die fehlerfreien Aufgaben an. „Wieso kannst du das?"

      „Ich bin ein geheimes Mathegenie und eigne mir insgeheim so viele Mathekenntnisse an, wie ich kann, damit ich irgendwann die Weltherrschaft übernehmen kann."

      „Was?", krächze ich.

      Worauf Harry anfängt zu lachen und sich wieder aufrichtet. „Ich kann das einfach, Violet. Mathe war schon immer mein stärkstes Fach."

      Stimmt. Ich erinnere mich an die Zeit zurück, in denen Harry noch kein Arsch war. Er war früher immer gut in der Schule und ja, Mathe war definitiv sein stärkstes Fach, während ich in Englisch besser war. Wir konnten uns immer gegenseitig helfen, das war sehr praktisch.

      Deswegen runzle ich fragend die Stirn. „Wenn du das kannst, wieso hast du dann im Zeugnis eine Fünf?"

      Er zuckt mit einer Schulter und nimmt sich den Zettel, um ihn zusammenzuknüllen. „Keine Ahnung, es ist einfach so."

      Etwas überfordert damit, wie schnell er plötzlich seine Laune geändert hat, sehe ich zu, wie er sich wieder seine Jacke anzieht. „Willst du gehen?"

      Er sieht auf die Uhr seines Handys und steckt es dann wieder weg. „Ja, ich muss weg."

      „Du musst weg? Wir sitzen nach, schon vergessen?"

      „Mir egal, ich sitze mindestens dreimal die Woche nach. Heath wird das schon verstehen."

      Ich stehe auf, als er aufsteht und sich seinen Rucksack nimmt. „Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen! Ich werde Ärger bekommen, wenn du abhaust!"

      Harry jedoch ignoriert meine Beschwerde und geht zur Tür. „Mir egal, ich habe schon genug Stress wegen dir bekommen. Sag Heath einfach, dass mir schlecht geworden ist oder so."

      „Harry, du …''

      Mir wird das Wort abgeschnitten, denn er schmeißt schon die Klassenzimmertür hinter sich zu und lässt mich einfach zurück. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wütend oder erleichtert sein soll, dass er gegangen ist. Einerseits kann ich nichts dafür, dass er geht, und andererseits kann ich auch einfach gehen und meinen Tag produktiver nutzen.

      Deswegen schnappe ich mir meine Sachen und verschwinde genauso wie Harry. Morgen werden wir dafür Ärger bekommen, aber es ist immer noch nicht meine Schuld, sondern Harrys. Heath wird das schon nachvollziehen können.

      Kapitel 7

      Schon seit geschlagenen drei Minuten halte ich vorsichtig die Gardine vom Wohnzimmer zur Seite, damit ich den perfekten Blick auf die Straße vor unserem Haus habe. Jeden Augenblick könnte Brandon mit seinem Auto kommen, um mich abzuholen. Denn heute ist Freitag und das bedeutet, heute ist endlich unser lang ersehntes Date. Ich habe die ganze Woche kaum noch was gegessen, damit ich bloß keinen Blähbauch habe, wenn wir unterwegs sind. Zwar musste ich dadurch auf ein paar Tortenstücke von Tante Giselas Geburtstag verzichten, aber das war es mit Sicherheit wert. Ich fühle mich dünn und gut. Zumindest so gut, wie es geht, denn ich bin extrem nervös.

      „Oh, Gott, er kommt!", kreische ich auf, als ich Brandons weißen Wagen sehe, der vor unserem Gartenzaun hält. Schnell schiebe ich die Gardine wieder vor und renne zum Spiegel im Flur.

      Mom kommt hektisch aus der Küche gelaufen. „Okay, hast du alles? Tampons, Puder, Kondome?"

      Ich sehe sie mit riesigen Augen an, während ich meinen Dutt noch mal richte. „Mom! Ich sagte doch, dass ich heute noch nach Hause komme!"

      Sie ist nicht weniger nervös als ich, so wie immer, wenn es um Kerle geht. Vor allem, wenn es um einen Kerl wie Brandon geht. „Ich will doch nur, dass du auf Nummer sicher gehst, Liebling!"

      Es klingelt.

      Hektisch atmend sehen wir uns an.

      Und plötzlich überkommt mich eine riesige Angst. „Oh, Gott", flüstere ich verzweifelt. „Mom, ich werde das nicht packen! Ich werde mich hundert pro blamieren oder ihm ein Getränk über den Schoß kippen!"

      Doch Mom schiebt mich zur Tür. „Nein, wirst du nicht. Du wirst einen tollen Abend mit diesem Jungen haben und ihr werdet Spaß haben."

      Noch bevor ich die Tür öffnen kann, drehe ich mich zu ihr und umarme sie schnell. „Ich hab dich lieb, Mom."

      Sie lächelt. „Ich hab dich auch lieb, mein Schatz. Du siehst toll aus und deswegen schnappst du dir jetzt diesen Hengst."

      Ich werde wieder rot. „Mom!"

      Sie lacht und geht in die Küche. „Viel Spaß!"

      Ich öffne mit flatterndem Herzen die Tür und grinse breit, als ich den hübschesten Kerl der Schule sehe, der lässig am Türrahmen angelehnt auf mich wartet und sein coolstes Lächeln auf den Lippen trägt.

      „Hi", grüßt Brandon mich mit seiner samtigen Stimme und mir fällt auf, dass seine Haare heute anders gestylt sind. Sie sind etwas nach hinten hinter seine Ohren gewischt und ich liebe es.

      Mein Grinsen ist wie festgetackert und ich atme aus, weil ich ständig die Luft anhielt. „Hi."

      Er stützt sich von dem Türrahmen ab und hält mir seine Hand hin. „Komm, lass uns gehen."

      Überglücklich ergreife ich seine Hand. Brandon ist so verdammt anziehend, es macht mich irre.

      „Du siehst übrigens hübsch aus", sagt er beiläufig, als wir Hand in Hand zu seinem Auto laufen.

      Ich lächle zu ihm nach oben, weil er ungefähr einen Kopf größer ist als ich. „Danke. Du, äh, auch."

      Brandon lacht leise und gleichmäßig heben sich seine Mundwinkel. „Danke, Viv… Violet."

      Er öffnet mir wie ein wahrer Gentleman die Tür seines Autos und ich erröte noch mehr, weil ich so aufgeregt bin. Brandon Brown öffnet mir die Tür zu seinem Auto. Das Nichtessen die ganze Woche hat sich definitiv gelohnt.

      „Danke", sage ich mit einer für meine Verhältnisse zu hohen Stimme und steige in sein Auto.

      Er schmeißt die Tür wieder zu und mir kommt sofort ein ungewöhnlicher Geruch entgegen. Es riecht scharf, ein wenig nach Spirituosen. Ich kann es nicht genau zuordnen, aber ich denke mal, dass ihm hier drin wohl mal ein Getränk umgekippt sein muss. Es riecht nicht nach Kokos wie bei Harry, aber ich denke, bei keinem wahren Kerl riecht es nach Kokos.

      Als Brandon die Tür zu Fahrerseite öffnet, wird mir klar, dass ich schon wieder Brandon mit Harry verglichen habe. Verdammt soll Harry sein. Ich will