Juli van Bohm

Sterne, die begehrt man nicht


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die Leserinnen unseres Magazins nach einem Interview mit Leary sehnen, sondern dass auch er von ein bisschen positiver Medienpräsenz durchaus profitieren kann. Ich hatte den Eindruck, nach unserem angeregten Gespräch war Leonhard Holmes, so heißt der Gute, ganz und gar meiner Meinung.“

      Corinne strahlte über das ganze Gesicht und imponierte Emily einmal mehr mit ihrer unglaublich souveränen Erscheinung. Da sie darüber hinaus ein bemerkenswertes Geschick im Umgang mit Menschen hatte, konnte kaum jemand ihrem Charme widerstehen. Im Grunde war es nicht verwunderlich, dass sie Learys Manager erfolgreich umgarnt hatte. Aber ob auch der Schauspieler von diesem Arrangement überzeugt war? Emily hegte Zweifel, dass er sich ohne Einwände darauf eingelassen hatte. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Es klang viel zu simpel.

      „Hm“, sie befeuchtete mit der Zungenspitze ihre trockenen Lippen. „Nehmen wir an, Leary hat tatsächlich seine Aversion gegen die Presse abgelegt und diesem Termin zugestimmt, warum soll dann ausgerechnet ich diesen Job übernehmen? Sein Okay verdanken wir schließlich deiner Beharrlichkeit. Ganz abgesehen davon, dass du bei Interviews einfach spitze bist, während ich diesbezüglich weder über Erfahrung verfüge noch mich mit den Allüren exzentrischer Superstars auskenne.“

      „Eben“, Corinne lächelte maliziös, „du bist keine dieser abgebrühten Boulevardhyänen, die unser sensibler Beau dermaßen verabscheut. Du bist verständnisvoll, sanftmütig und überaus reizend. Also perfekt für diese Aufgabe. Glaub mir einfach, Schätzchen.“

      Unbestreitbar besaß Corinne ein vortreffliches Gespür dafür, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Eigenschaften, denen sie es zu verdanken hatte, auf der Karriereleiter bislang immer weiter nach oben geklettert zu sein. Aber ob sie auch dieses Mal mit ihrer Einschätzung richtig lag? Emily hatte Bedenken und startete einen letzten verzweifelten Versuch, ihren Kopf aus der sich zuziehenden Schlinge zu ziehen.

      „Bist du dir wirklich sicher, dass ich das Interview machen soll? Ich kann einfach nicht begreifen, dass du dir diese Gelegenheit entgehen lassen willst.“

      Corinne schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich gebe es nicht gerne zu, aber meine unverblümte Art ist nicht zwingend geeignet, Connor Leary aus der Reserve zu locken. Holmes hat mich mehrfach darauf hingewiesen, dass bei diesem Interview viel Fingerspitzengefühl erforderlich sei. Und taktvoll bin ich nicht immer, wie du weißt. Leider gehen gelegentlich die Pferde mit mir durch.“ Sie lachte heiser. „Du kannst mir glauben, Emily, wenn ich dich in diesem Fall nicht für geeigneter hielte, würde ich es mir bestimmt nicht nehmen lassen, diesen Kerl selbst zu treffen. Schließlich ist er das Sexsymbol schlechthin in Hollywood. Und das zurecht!“ Sie verdrehte sehnsuchtsvoll die Augen.

      „Corinne“, seufzte Emily kopfschüttelnd. „Was du wieder denkst.“

      „Ich denke genau das Richtige, aber du bist natürlich viel zu seriös und anständig, um das zu verstehen, nicht wahr? Seit Toms Tod scheinst du gegen Männer immun zu sein. Insofern ist es im Prinzip reine Verschwendung, dich zu diesem Traummann ins Hotel zu schicken. Sei mir dankbar, dass ich es trotzdem mache. Aber jetzt genug der Vorfreude, die Arbeit ruft. Ich habe Infomaterial aus dem Archiv zur Vorbereitung besorgt und dir einige Links für deine Onlinerecherche gemailt. Die Auswahl an Artikeln und Pressemitteilungen über ihn ist grenzenlos. Du kannst aus dem Vollen schöpfen.“

      Sie holte einen prall gefüllten Ordner hervor und ließ ihn vor Emily auf den Schreibtisch fallen. Du musst perfekt vorbereitet sein, damit du möglichst viel Neues aus ihm herauskitzeln kannst und nicht nur langweilige Stories präsentierst, die schon bei unserer Konkurrenz zu lesen waren.“

      Sie zwinkerte Emily belustigt zu. „Die weibliche Leserschaft der Francine verlangt nach spektakulären News. Wir sind uns einig. Es muss SPEK-TA-KU-LÄR werden.“

      Corinne konnte wieder nicht ernst bleiben, doch Emily war nicht zum Lachen zumute. Unbewusst knibbelte sie an ihren Fingernägeln.

      „Wann ist denn der große Tag? Wie viel Zeit bleibt mir, um mich vorzubereiten.“ Sie wollte jetzt konkret wissen, was sie erwartete.

      „Nun bleib mal entspannt“, Corinne brachte die Rosmarin-Zitronen-Liaison erneut in Schwingung, als sie an ihrem Glas nippte.

      „Leary landet heute mit dem Flieger in Düsseldorf und checkt im Hotel LeGrand in der Nähe des Flughafens ein. Du hast dort morgen früh um zehn Uhr einen Termin mit ihm in seiner Suite. Er ist knapp eine Woche hier, um in einer Unterhaltungssendung mitzuwirken und diverse PR-Termine wahrzunehmen, bevor er zurück nach Los Angeles fliegt. Jetzt bist du dran, mach was draus!“

      Sie schob ihr den dicken Ordner zu. Ein deutliches Zeichen, dass für Corinne das Gespräch damit beendet war.

      „Was, morgen schon!?“, Emily fühlte, wie die aufsteigende Panik ihr die Luft zum Atmen raubte. Hatte sie doch geahnt, dass an der Sache etwas faul war.

      „Das geht nicht“, stieß sie atemlos hervor. „Wie soll ich mich so schnell gründlich vorbereiten? Das ist völlig unmöglich! Ich brauche definitiv mehr Zeit, um den ganzen Kram durchzuarbeiten.“ Sie wies auf den Ordner.

      „Ach Emily“, Corinne lächelte milde. „Es ist unser Job, das Unmögliche möglich zu machen, nicht wahr? Gestern hättest du noch gesagt, ein Interviewtermin mit Connor Leary sei unmöglich. Jetzt haben wir ihn. Heute sagst du, es sei unmöglich, sich so schnell gründlich vorzubereiten. Und ich sage dir, morgen um zehn Uhr wirst du bestens präpariert sein. Es wird klappen, da habe ich keine Zweifel“, Corinne schob Emilys Bedenken kalt lächelnd beiseite.

      „Und was ist mit der Modereportage?“ Plötzlich schien dieser bislang so verhasste Auftrag, Emilys letzter Ausweg zu sein.

      „Vergiss die blöde Reportage. Die soll Lena fertigstellen. Das ist ohnehin eher ihr Metier. Sie steht auf den Fashion-Hype, während Mode noch nie dein Steckenpferd war, wenn ich mich recht entsinne. Und nun ab an die Arbeit, ich habe heute noch eine Menge zu tun.“ Sie griff zum Telefon und begann, eine Nummer einzutippen, ohne Emily eines weiteren Blickes zu würdigen. Damit war Emily endgültig entlassen. Sie wusste, es machte keinen Sinn, weiter zu diskutieren. Corinne hatte ihre Entscheidung getroffen – unumstößlich!

      Nachdenklich schlenderte Emily zu ihrem Arbeitsplatz zurück. Ob sie tatsächlich die Richtige war, um dieses bedeutende Interview zu führen? Meist vergab Corinne ihre Aufträge aus dem Bauch heraus. Daran musste sich gewöhnen, wer sich in ihrer Redaktion wohlfühlen wollte. Bislang war Emily sehr glücklich hier gewesen, doch jetzt spürte sie, wie die Angst zu versagen, sie zu überwältigen drohte. Erschreckend wenig Zeit blieb ihr, um sich auf ihren bislang wichtigsten Auftrag vorzubereiten. Morgen früh sollte sie schon zum LeGrand fahren, um den Leinwandstar zu treffen. Kaum zu glauben! Ihr erstes großes Interview musste ein Knaller werden!

      Wie in Trance durchstöberte Emily den mit Zeitungsausschnitten, Internetausdrucken, Fotos und Pressemitteilungen gefüllten Ordner. Sie suchte sich ein Porträtfoto Learys heraus, um es eingehend zu studieren. Ihrer Meinung nach sagte ein Gesicht erheblich mehr über einen Menschen aus als belanglose Worte. Sie zeichnete mit dem Finger die Kontur seines Gesichts nach. Connor Leary, der Schwarm unzähliger Frauen. Was machte ihn so attraktiv? Sein Lächeln war faszinierend, das musste sie zugeben. Es wirkte empfindsam und zugleich unbezwingbar. Eine prickelnde Mischung. Dunkles, volles Haar unterstrich sein markantes Gesicht, dem trotz zahlreicher Lachfältchen seine rehbraunen Augen einen leicht melancholischen Ausdruck verliehen. Ja, er war optisch ein interessanter Mann, zweifelsohne. Wohl nahezu jede Frau würde alles dafür geben, ihn treffen zu dürfen. Aber das war nur eine Seite der Medaille. Unter Journalisten galt er als launisch und unzugänglich, weshalb Emily vermutete, dass die Unterhaltung mit ihm schwierig werden würde. Schließlich war Leary bekannt für seine Ressentiments der Presse gegenüber, seit seine Scheidung von den Boulevardblättern schlagzeilenträchtig ausgeschlachtet worden war. Damals war eine private Katastrophe zu einem öffentlichen Drama stilisiert worden – ohne Rücksicht auf alle Beteiligten. Leary hatte daraus seine Konsequenzen gezogen, sich abgeschottet und seitdem alle Interviewanfragen abgelehnt. Deshalb grenzte es an ein Wunder, dass Corinne es geschafft hatte, diesen Termin zu vereinbaren. Emily atmete tief durch. Das Unmögliche möglich machen – so hatte Corinne es treffend formuliert.