Juli van Bohm

Sterne, die begehrt man nicht


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kalten Welt?

      Er wandte sich ab und warf sich auf das gigantische Bett seiner Suite. Irgendwo musste es ein halbwegs vernünftiges Fernsehprogramm geben. Er griff nach der Fernbedienung. Die Einsamkeit stieg bereits wieder in ihm hoch, wie fast immer in letzter Zeit. Gleichgültig, ob sich Menschen um ihn herum befanden oder nicht. Das Gefühl, allein zu sein, ließ sich kaum noch unterdrücken. Er sah ein, dass auch das Fernsehprogramm daran nichts änderte. Auf dem Bildschirm wurde getalkt und geliebt, getanzt und gemordet. Schließlich tat das Fernsehen seine Wirkung und Connor schlief erschöpft vor dem Apparat ein.

      Ein Engel in Blue Jeans

      Der große Morgen war gekommen. Emily erhob sich mühsam aus dem Bett. War das eine grässliche Nacht gewesen. Sie fühlte sich völlig erschlagen. Langsam schob sie die Gardinen zur Seite. Na ja, wenigstens schien die Sonne. Sie versuchte, es als gutes Omen zu werten. Müde schlurfte sie ins Bad und erschrak über ihr blasses Gesicht. „Ich sehe aus, als hätte ich die Nacht durchgezecht“, stöhnte sie leise auf, ehe sie sich mit einem Schwall kaltem Wasser erfrischte. Rasch putzte sie die Zähne und fühlte sich sogleich besser. Emily zog ihre Jeans aus dem Kleiderstapel, der bedenklich wankte, schlüpfte ungelenk hinein und streifte sich ein leuchtend rotes T-Shirt über.

      Leise summte sie vor sich hin, während sie den Kaffee aufsetzte und Kakao für die Kinder kochte. Zügig stellte sie Marmelade, Nutella und Honig auf den Tisch. Jetzt musste sie nur noch das Brot toasten, dann wurde es Zeit, die Kinder zu wecken.

      Ein Blick ins Kinderzimmer zeigte ihr, dass das Wecken überflüssig sein würde. Jessica saß bereits in ihrem Bett und spielte, während Tobias gedankenverloren seine Modellautos sortierte.

      „Guten Morgen, ihr Süßen.“

      Sie drückte beiden einen Kuss auf die Stirn.

      „Es ist Zeit, aufzustehen. Die Kita wartet auf euch.“

      Obwohl der unangenehme Druck in ihrem Magen sich permanent verstärkte, bemühte sich Emily, Ruhe zu bewahren.

      „Ich will erst noch mit Elsa spielen.“

      Jessica zerrte an einem blauen Tüllkleid, das sie ihrer Eiskönigin anziehen wollte.

      „Jetzt nicht mehr.“ Emily griff nach der Puppe und legte sie beiseite, was zur Folge hatte, dass Jessies Mundwinkel bedenklich zu zucken begannen. Herrje, bloß keine Szene heute Morgen wegen dieser blöden Spielfigur. Sie wusste, wie langwierig die Trotzphasen ihrer Tochter sein konnten. „Du kannst Elsa doch mit in die Kita nehmen. Wir machen dich erst einmal genauso schick wie deine Eiskönigin. Geh dich schon mal waschen, ich lege dir etwas zum Anziehen heraus.“

      In Windeseile suchte Emily nach Jessicas Lieblingskleid. Gott sei Dank, da war es. Sie nahm es vom Bügel und legte es vorsichtig auf das Bett ihrer Tochter, die unterdessen fröhlich im Badezimmer planschte. Es klang, als ob der Boden anschließend trockengelegt werden müsste. Emily zwang sich, das Geplätscher zu überhören, und wandte sich Tobias zu.

      „Los, marsch, raus aus den Federn!“

      „Mami, welches Auto gefällt dir am besten?“

      Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Fahrzeuge, die nach Farben sortiert auf dem Bettrand standen. „Keine Ahnung, die sind alle schön. Steh jetzt endlich auf.“

      „Nun sag schon“, bettelte ihr Sohn. „Ein Modell muss dir doch besonders gefallen.“

      „Muss es das?“ Genervt zog sie eine Augenbraue hoch, da sie jetzt absolut keine Lust auf Diskussionen verspürte.

      „Na gut, zeig her.“ Emily überlegte kurz. „Dieses hier“, sie tippte auf einen schnittigen Sportwagen.

      „Ein Lamborghini Diablo“, Tobi strahlte, aber machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu erheben. „Nicht wahr, der ist irre.“ Tobias setzte an, seiner Mutter einen detaillierten Vortrag über die Vorzüge dieses Autos zu halten.

      Emily blickte nervös auf die Uhr, sie musste sich wirklich beeilen. Ihr Termin rückte unaufhaltsam näher. Energisch griff sie nach ihrem Sohn, hob ihn aus dem Bett und trug ihn ins feuchte Bad.

      „Los, heute reicht Katzenwäsche.“ Sie drückte ihm einen Waschlappen in die Hand und wischte gleichzeitig eilig den Boden trocken.

      Jessica saß mittlerweile in ihrem lilafarbenen Blümchenkleid am Küchentisch und schlabberte mit dem Kakao. Emily ließ sich auf den Stuhl neben ihr sinken. Warum war alles nur so schwierig? Ob es anderen Müttern genauso erging? Inzwischen hatte glücklicherweise auch Tobias ein Marmeladenbrot gegessen. Jetzt musste sie nur noch ein paar Sachen für die Übernachtung bei Sophie zusammenpacken.

      Gegen halb neun Uhr war es ihr endlich gelungen, die beiden Bummelanten in der Kita abzugeben. Mittlerweile war sie schweißgebadet und nahezu völlig aufgelöst. Ihre Laune befand sich auf dem absoluten Tiefpunkt. Es würde nicht einfach sein, sich halbwegs passabel herzurichten in der kurzen Zeit, die ihr noch blieb. Doch sie musste es versuchen. Zu Hause angekommen, warf sie ihre Jeans und das T-Shirt aufs Bett und sprang unter die Dusche, während sie in Gedanken den Inhalt ihres Kleiderschrankes durchging. Was sollte sie bloß anziehen? Den roten Hosenanzug vielleicht? Ach nein, der war viel zu auffällig und ließ sie so tussihaft erscheinen. Das graue Kostüm? Es wirkte allerdings schrecklich bieder. Am besten wäre das schicke, smaragdgrüne Kleid, das ihr Tom aus München mitgebracht hatte. Sie musste lächeln, als sie an ihn dachte. Noch immer spürte sie seine Nähe und seine Vertrautheit, und noch immer gaben ihr die Gedanken an ihn Kraft. Er war stets bei ihr, egal welche Situation sie gerade durchstehen musste.

      Der Uhrzeiger schritt gnadenlos voran. In spätestens zehn Minuten musste Emily losfahren, sonst würde sie unweigerlich zu spät kommen. Sie schlüpfte in das grüne Kleid und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Himmel, was war das? Ein dicker Fleck prangte unübersehbar mitten auf der Brust. Mist! Ein erneuter Blick auf die Uhr ließ sie verzweifeln. Es war inzwischen fast halb zehn und sie stand nach wie vor in Slip und BH vor dem Kleiderschrank, der wahrlich nichts für einen solchen Anlass bereithielt. Sie hätte gestern shoppen gehen sollen, um etwas Passendes zu besorgen. Panik ergriff sie.

      „Dreh jetzt nicht durch“, versuchte sie sich zu beruhigen. „Connor Leary ist ein ganz normaler Mann, der mir bestimmt nicht den Kopf abreißen wird, nur weil ihm mein Outfit nicht zusagt.“

      Ganz normal – sie musste selbst lachen. Was war an einem Superstar schon normal? Seufzend holte sie ihre sauberen Jeans aus dem Kleiderschrank. Mit der flotten Seidenbluse, die Corinne ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, sah es klasse aus. Schlicht und sportlich, aber gleichzeitig edel mit einem Hauch Eleganz. Eilig föhnte sie ihre langen, kastanienbraunen Haare und legte ein dezentes Make-up auf. Ja, so würde es gehen. Die Zeit drängte. Sie griff nach ihrer Tasche und verließ hastig das Haus. Endlich saß sie in ihrem feuerroten Käfer Cabriolet, einem Relikt aus Studentenzeiten, und steuerte in Richtung LeGrand.

      Unterwegs kehrten Emilys Versagensängste zurück. Wie konnte sie nur in Jeans zu einem derart wichtigen Termin fahren? Dazu noch in diesem vornehmen Ambiente! Doch jetzt war es zu spät. Corinne wäre ein derartiger Fauxpas nicht unterlaufen. Sie wusste stets, wie man sich der Situation angemessen verhalten und vor allem kleiden musste. Emily verdrängte ihre negativen Gedanken und suchte nach einem Parkplatz. Manchmal erwies es sich als äußerst vorteilhaft, ein kleines Auto zu fahren. Sie steuerte eine wahre Mini-Parklücke an und setzte schwungvoll hinein. Passt!

      Beseelt von einem kurzen Gefühl der Euphorie schwang sie sich aus dem Wagen und eilte auf den Eingang des riesigen Hotelkomplexes zu. Ihr Mund war ganz trocken vor lauter Aufregung. Am liebsten hätte sie die Beine in die Hand genommen und sich aus dem Staub gemacht, solange es noch ging. Heute war nicht ihr Glückstag, das hatte sie bereits deutlich zu spüren bekommen. Mit klopfendem Herzen betrat sie die nobel wirkende Hotelhalle, in der kristallene Kronleuchter unter der meterhohen Decke für funkelnden Glanz sorgten. Mächtige Sitzgruppen boten den Hotelgästen die Möglichkeit, sich bei Bedarf auszuruhen und das extravagante Flair des prachtvollen Gebäudes zu genießen. Zügig lief sie über den perfekt polierten Marmorboden auf die Rezeption