Juli van Bohm

Sterne, die begehrt man nicht


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sie die Fragen, die sie sich zurechtgelegt hatte, noch einmal durch. Es würde unvermeidbar sein, seine persönliche Situation anzusprechen. Gerade sein aktuelles Liebesleben war für ihre Leserinnen von Belang, das hatte Corinne ihr mehrfach nachdrücklich eingeschärft. Zwar durften der neue Film und künftige Projekte nicht fehlen, aber das Spannendste war die private Seite dieses Mannes.

      Emily war klar, dass sie sich diesem Thema behutsam nähern musste. Deshalb wollte sie Learys gescheiterte Ehe vorerst nicht thematisieren. Das wäre viel zu riskant. Ganz abgesehen davon, dass es wehtat, an den Verlust eines geliebten Menschen erinnert zu werden. Und wehtun wollte sie ihm keinesfalls. Flüchtig erschien Toms Bild vor ihr, wobei sie erneut den Schmerz verspürte, den sie bei seinem Tod empfunden hatte. Learys Frau war zwar nicht gestorben, aber sie hatte ihn betrogen und verlassen, was vermutlich noch verletzender sein konnte. Nein – sie hatte kein Recht, diesen wunden Punkt zu berühren. Sie würde taktvoll sein, egal, was Corinne von ihr erwartete. Emily war sich sicher, dass diese Entscheidung die einzig richtige war.

      Stimmungswandel

      Wieder einmal hatte Leary mehr schlecht als recht vor dem Fernseher geschlafen, als der Wecker am Morgen erbarmungslos schellte. Der erste Pflichttermin, das Interview mit der Francine-Reporterin, stand kurz bevor. Ein eigentümliches Gefühl hatte ihn ergriffen, das sich weder durch eine ausgiebige Dusche noch durch einen starken Kaffee vertreiben ließ. Connor blickte auf das appetitlich angerichtete Frühstück, das der Zimmerservice gebracht hatte. Er verspürte ein leichtes Gefühl der Übelkeit. Nein, er konnte heute Morgen keinen Bissen zu sich nehmen. Stattdessen warf er zwei Schmerztabletten in ein Glas und füllte es mit Wasser auf. Nachdenklich beobachtete er das Sprudeln der Tabletten, die sich langsam auflösten. Sein Kopf brummte heftig. Hoffentlich hilft das Aspirin, dachte er. Ansonsten würde der anstehende Termin noch unangenehmer werden als befürchtet. Ihn störte vor allem die Aussicht auf bohrende Fragen zu seiner Person. Er wollte von seinem Privatleben nichts mehr preisgeben – Image hin oder her. Leos Idee mochte gewinnbringend und öffentlichkeitswirksam sein, förderlich für Connors Wohlbefinden war sie jedoch nicht. Er kippte die inzwischen aufgelösten Tabletten rasch hinunter und schüttelte sich angewidert. Warum hatte er nur so viel Whisky getrunken?

      „Ab sofort gibt es bloß noch Wasser“, murmelte er leise, wenig überzeugt von seinen eigenen Worten. Was war nur aus ihm geworden? Was hatte der Bruch mit Hannah aus ihm gemacht? War sie wirklich so wichtig für ihn gewesen? Anfangs gewiss, aber zuletzt hatten sie sich derart selten gesehen, dass es gar keine richtige Beziehung mehr gewesen war. Wenn er ehrlich war, vermisste er sie nur selten, aber den Vertrauensbruch, den sie begangen hatte, konnte er ihr nicht verzeihen. Er zwang sich, Hannah aus seinen Gedanken zu verdrängen und sich auf das bevorstehende Interview zu konzentrieren. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass er eindeutig zu wenig Schlaf gehabt hatte in letzter Zeit. Na ja, so sah er heute halt aus. Auch wenn sein Anblick vermutlich nicht den Vorstellungen der Reporterin entsprach, musste sie sich mit seiner ramponierten Erscheinung zufriedengeben. Nicht ohne Grund hatte er ein Fotoshooting abgelehnt. Sollte sie doch ein Bild aus dem Archiv nehmen, mittlerweile war er wirklich oft genug abgelichtet worden.

      Connor griff nach dem Koffer, den er gestern noch nicht ausgepackt hatte. Zwar hätte er den Service des Hotels in Anspruch nehmen können, aber er mochte es nicht, wenn fremde Menschen Einblicke in seine privaten Dinge hatten. Das rächte sich jetzt. Achtlos warf er den Koffer auf das Bett und räumte seine Sachen lustlos in den Schrank. Er zog seine ausgeblichenen Lieblingsjeans hervor. Der Tag heute hatte so mies begonnen, dass er sich wenigstens bequem anziehen wollte. Er hatte nicht die geringste Lust, sich für das Interview zu stylen.

      Ein ungeduldiges Klopfen unterbrach seine übellaunigen Gedanken.

      „Bist du fertig?“, Holmes steckte ungefragt seinen Kopf durch die Tür. Er war schon wieder in Höchstform, tadellos gekleidet und schier unerträglich munter.

      „Was willst du?“, ungehalten blickte Connor ihn an. „Darf ich mich wenigstens ungestört anziehen?“

      Holmes winkte ab. „Mir scheint, du bist mal wieder blendend gelaunt, wie immer in letzter Zeit. Wenn du die Dame vom Frauenjournal nicht mit bloßem Body empfangen möchtest, dann solltest du dich etwas beeilen. Sie ist bereits auf dem Weg nach oben. Der Portier hat gerade Bescheid gegeben.“ Stirnrunzelnd registrierte er Connors legeres Erscheinungsbild.

      „Muss das wirklich sein?“

      Natürlich wusste Connor, worauf Leo anspielte und lächelte schief. „Ja, es muss tatsächlich sein. Das ist mein Wohlfühl-Outfit. Gibt es irgendetwas daran auszusetzen?“ Provozierend streifte er sich ein ausgeleiertes T-Shirt über und glättete sich die widerspenstigen, feuchten Haare mit den Fingern.

      „Wann wirst du endlich begreifen, dass nicht jeder so schauderhaft frisch und erholt aussehen kann wie du?“, beruhigend tätschelte er Holmes‘ Schulter. „Und nun mach, dass du rauskommst. Die Dame wird meinen Anblick schon ertragen.“

      „Ich sollte vielleicht besser bleiben“, Holmes‘ Blicke wanderten kritisch durch den Raum. „Na ja, wenigstens ist es aufgeräumt.“

      „Meine Güte, Leo, du benimmst dich wie meine Gouvernante.“ Connor schlüpfte in seine Espadrilles.

      „Ich werde das Interview schon schaukeln, mach dir keine Gedanken. Es ist doch nicht mein erstes.“

      „Eben“, Holmes blickte ihn skeptisch an. „Versprich mir, dass du nicht ausfallend oder sarkastisch wirst. Wir können keine weitere negative Publicity gebrauchen.“

      „Das weiß ich inzwischen. Das läuft bei dir in Endlosschleife. Was glaubst du, warum ich mich auf diese Unterhaltungssendung und diesen“ – er machte eine abwertende Handbewegung – „Quatsch hier eingelassen habe?“

      „Es ist kein Quatsch“, Holmes verlor langsam die Geduld. „Es gehört zu deinem Job, wann begreifst du das endlich?“

      „Mein Job besteht darin, vernünftige Filme zu drehen und nicht, dumme Fragen zu beantworten.“

      „Doch, genau darin besteht ein Teil deiner Aufgabe“, Holmes wurde laut. „Denn du musst dich, deine Filme, halt die ganze Person verkaufen – und dazu gehören eben auch Interviews und PR-Auftritte. Langsam bin ich es leid, dir das stets aufs Neue erklären zu müssen. Ganz abgesehen davon, dass du nicht nur für dich verantwortlich bist, sondern für das gesamte Team und die Menschen, die für dich arbeiten.“

      „Schon gut“, Connor lenkte ein. „Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten. Du hast wahrscheinlich recht – wie immer.“ Er zuckte mit den Schultern. „Sorry, ich gebe dir mein Wort, dass ich alles zu deiner Zufriedenheit erledigen werde. Ich bemühe mich, höflich, charmant und zuvorkommend zu sein. Ein vollendeter Gentleman eben, aber in einer verwaschenen Jeans.“ Er grinste Leo müde an. „Und jetzt verschwinde, ehe sie hier auftaucht, okay.“

      „Wie du meinst.“ Widerstrebend verließ Holmes die Suite. Es war schon angenehmer gewesen, mit seinem Schützling zusammenzuarbeiten. Weiß Gott, das war es.

      Connor warf einen letzten Blick in den Spiegel, als es erneut klopfte.

      „Auf geht‘s“, murmelte er sich aufmunternd zu, ehe er die Tür öffnete.

      Grüne Augen, das war das Erste, was ihm auffiel. Sie hatte unglaublich grüne Augen und wunderschönes, kastanienbraunes Haar, das ihr glänzend auf die Schulter fiel. Leicht irritiert bat er sie herein. Er musste zugeben, er war positiv überrascht. So hübsch hatte er sich die angekündigte Emily Simon nicht vorgestellt. Wie alt sie wohl sein mochte? Vielleicht Ende zwanzig, Anfang dreißig. Egal, sie strahlte eine natürliche Schönheit aus, die ihm gefiel. Ein angenehmer Gegensatz zu den vielen hübschen Kunstgeschöpfen der Filmbranche, die ihn ansonsten umgaben. Fast hätte er aufgelacht, als er bemerkte, dass auch sie Jeans trug. Was Leo wohl dazu gesagt hätte? Den Champagner, den er ihr anbot, lehnte sie ab und verlangte stattdessen nach einem Saft. Connor nahm sich bewusst Zeit, ihren Wunsch zu erfüllen. Diese Zeit brauchte er, um den ersten Eindruck auf sich wirken zu lassen. Sicher würde auch sie ihn mustern, denn Neugierde gehörte schließlich