Juli van Bohm

Sterne, die begehrt man nicht


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      Leary ging in Gedanken seine Termine durch. Er zuckte mit den Schultern. „Ich denke, das lässt sich einrichten.“

      Emily nickte erfreut. Das lief besser als erwartet. „Soll ich wieder ins Hotel kommen?“

      Sie sah ihn an, wie er in seinen verwaschenen Jeans und dem schlabbrigen T-Shirt vor ihr stand und spürte ein ungewohntes Flattern in ihrem Magen. Sie wollte keinesfalls den Eindruck hinterlassen, sich in die Reihe niveauloser Enthüllungsjournalisten einzureihen, die er so verachtete. Warum war es ihr nur so wichtig, dass er ihr vertraute?

      Leary unterbrach ihre Gedanken. „Natürlich können wir uns wieder hier treffen, aber ich gebe zu, dass ich diesem protzigen Hotelcharme gerne entfliehen würde. Was halten Sie davon, wenn ich Sie zu Hause besuche? Dann können wir uns ungestört unterhalten und ich komme in den seltenen Genuss, ein bisschen Normalität genießen zu dürfen.“

      Der unerwartete Vorschlag überraschte und beunruhigte Emily gleichermaßen. Unmöglich! Zu ihr in die kleine Wohnung mit den Kindern, die keine Sekunde ruhig waren. Von wegen ‚ungestört‘. Krampfhaft suchte sie nach einem plausiblen Grund, seinen Vorschlag abzulehnen. Doch spontan fiel ihr keine glaubhafte Ausrede ein, und Connor wartete auf eine Antwort. Er konnte ja nicht ahnen, was ihm bei ihr zu Hause blühen würde.

      Sie hörte, dass er sich leise räusperte. „Ist das okay? Oder ist Ihnen mein Vorschlag unangenehm? Dann suchen wir eine andere Lösung. Vielleicht kennen Sie ein nettes Café?“

      Konnte der Mann Gedanken lesen? Ihr wurde bewusst, wie lange sie geschwiegen hatte.

      „Nein, nein, das passt hervorragend“, log sie, wobei sie nicht verhindern konnte, dass ihr erneut eine verräterische Röte den Hals emporkroch. „Aber es ginge erst abends ab 20 Uhr.“ Sie hoffte inständig, dass Jessie und Tobias um diese Uhrzeit bereits schlafen würden.

      „Das passt mir gut“, Leary lächelte sie unbefangen an. „Dann habe ich bestimmt keinen Termin. Wenn Sie mir noch Ihre Adresse geben würden.“

      Er suchte nach Stift und Papier, während sie ihm die Straße nannte. Emily stopfte fahrig ihren Kalender in die Tasche und stieß dabei auf die Kamera. Ein heißer Schreck durchfuhr sie. Sie hatte vergessen, ihn nach dem Foto zu fragen. Jetzt war es bestimmt zu spät, Leary darum zu bitten. Sein Blick auf die Uhr hatte deutlich gezeigt, dass er unter Zeitdruck stand und das Treffen beenden wollte. Sie beschloss, auf das Foto zu verzichten. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, ihn jetzt noch zu verärgern.

      Doch auch dieses Mal war ihm Emilys kurzes Zögern offenbar nicht entgangen.

      „Ist noch irgendetwas unklar?“, er taxierte sie interessiert.

      „Unklar nicht“, Emily stockte kurz.

      „Aber?“ Er stand so dicht vor ihr, dass sie den frischen Duft seines Aftershaves wahrnehmen konnte, das sie an Zedernholz, Moos und einen Hauch Bitterorange erinnerte. Emily schluckte nervös. Dann gab sie sich einen Ruck. „Es ist mir extrem unangenehm, aber ich sollte Sie noch um eine Aufnahme bitten.“ Sie deutete auf die Spiegelreflexkamera, die schwer in ihrer Hand wog. „Vorhin habe ich das völlig vergessen, und jetzt haben Sie offensichtlich keine Zeit mehr, nicht wahr?“

      Sie erwartete, dass er ablehnen würde, doch zu ihrer Überraschung hob er nur die Hände, um sich zu ergeben. „Ich vermute, ich habe keine Chance bei so viel weiblichem Charme“, kapitulierte er. „Dann machen wir halt schnell ein Foto, wenn Sie dann glücklich sind.“ Seine Mundwinkel zuckten verdächtig, als er Emilys bangen Blick sah. „Wo soll ich mich denn postieren?“, er schaute sich suchend um. Emily begutachtete die Suite. Dieses vornehme Ambiente passte nun wirklich gar nicht zu seiner saloppen Erscheinung.

      „Wollen wir auf die Dachterrasse gehen? Dort gibt es besseres Licht und einen interessanteren Hintergrund“, schlug sie vor.

      „Meinetwegen. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich ein Shooting vermeiden“, gestand er. „Es war gestern recht spät und der Jetlag sorgt auch nicht für optische Frische. Ich wirke vielleicht ein bisschen abgewrackt. Passend zu meinem Seelenzustand vermutlich.“ Er schaute kritisch an sich hinunter. „Vielleicht sollte ich das T-Shirt gegen ein anderes Oberteil tauschen, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Was meinen Sie? Leo lyncht mich, wenn ich mich so ablichten lasse.“

      Emily betrachtete ihn prüfend. „Soll ich ehrlich oder lieber taktvoll sein?“

      Connor grinste breit. „Ich habe schon verstanden.“ Er zog sich sein T-Shirt über den Kopf, warf es achtlos aufs Sofa und stand mit bloßem Oberkörper im Raum. Emily blickte unruhig umher. Ihr war die Situation unangenehm. Corinne, ja, Corinne hätte ihre Freude daran gehabt, seinen muskulösen, durchtrainierten Körper zu betrachten, der auf unzählige Stunden im Gym schließen ließ. Aber sie machte ein halb nackter, fremder Mann in ihrer Nähe verlegen. Glücklicherweise schien er Emilys Nervosität nicht zu bemerken. Unbefangen schlenderte er zu seinem Schrank im angrenzenden Schlafzimmer und kramte nach einem passenden Kleidungsstück. Diverse Hemden landeten auf dem Bett, ehe er zufrieden aufstöhnte. „Das müsste gehen?“ Connor zog einen leichten, schwarzen Pulli heraus und streifte ihn über.

      „Besser?“ Er warf ihr einen fragenden Blick zu.

      „Viel besser.“ Sie nickte zustimmend. „Dann können wir jetzt anfangen, wenn Sie fertig sind.“

      Emily betrat die Terrasse und stieß einen entzückten Laut aus.

      „Ist das schön hier!“ Bewundernd genoss sie die Aussicht über Düsseldorf. Sie spürte, wie Leary sich neben sie an die Brüstung lehnte und ihren Blicken folgte.

      „Sie lieben Ihre Stadt, nicht wahr?“

      „Ja“, Emily nickte, „ich lebe gerne hier. Ich habe nie das Bedürfnis verspürt, irgendwo anders zu sein. Können Sie das verstehen?“

      „Ich muss gestehen, nicht wirklich. Mich hat es immer in die Ferne getrieben. Zwar brauche ich einen Ort, an den ich zurückkehren kann, um zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken, aber nach einer Weile verspüre ich den Drang, wieder aufzubrechen.“

      „Sie haben sicher bereits sehr viele faszinierende Städte gesehen?“ Sie wandte sich ihm zu.

      „Düsseldorf erscheint Ihnen vermutlich provinziell dagegen?“

      Verneinend schüttelte Connor den Kopf. „Wie könnte ich mir ein Urteil erlauben, wenn ich noch nichts von dieser Stadt gesehen habe – außer dem Flughafen und diesem Hotelzimmer?“ Er rieb sich nachdenklich die Nase. „Vielleicht finde ich Zeit, Ihre Stadt zu erkunden, dann werde ich Ihnen sagen, was ich denke.“ Er grinste sie an. „Apropos Zeit“, erneut blickte er auf die Uhr. „Es ist schon spät, wir sollten schnell mit dem Fotografieren beginnen, meinen Sie nicht auch?“

      „Aber ja“, Emily nickte verwirrt. Sie hatte bei ihrer Unterhaltung völlig vergessen, dass dies ein Arbeitstermin war. Zu selbstverständlich schien ihr mittlerweile seine Nähe zu sein.

      Suchend schaute sie sich nach einem geeigneten Platz für die Aufnahmen um. Connor Leary mit den Dächern von Düsseldorf im Hintergrund. Es würde ein großartiges Fotomotiv sein. Emily war in ihrem Element und dirigierte ihn in die richtige Position. Sie warf einen Blick durchs Objektiv.

      „So wäre es gut, glaube ich.“

      „Okay“, Connor lehnte sich lässig gegen die Brüstung und lächelte routiniert in die Kamera. Er war augenblicklich der Mann, den die Frauen auf der Leinwand so liebten. Emily hatte er zuvor jedoch besser gefallen, allerdings wusste sie selbst nicht, warum. Schnell drückte sie auf den Auslöser und machte eine ganze Reihe von Aufnahmen – sicherheitshalber. Sie war keine geübte Fotografin, und ihr war klar, dass unter diesen Bedingungen ein künstlerisch wertvolles Foto eher unwahrscheinlich sein würde. Aber was ihr an Professionalität fehlte, glich Connor souverän aus. Er wusste genau, wie er sich perfekt vor der Linse bewegen musste. Schließlich ließ Emily die Kamera sinken. „Alles in Ordnung, wir sind fertig, denke ich.“

      „Sind Sie ganz sicher?“ Leary schlenderte zu ihr hinüber, bis er unmittelbar vor