Juli van Bohm

Sterne, die begehrt man nicht


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Emily runzelte besorgt die Stirn. Sie wollte auf keinen Fall der Grund dafür sein, dass Connor wichtige Termine versäumte.

      Doch er wehrte entschieden ab. „Man verschläft so viele Stunden seines Lebens. Nein. Ich bin nur einmal hier, also möchte ich diese Stadt auch erleben. In Ihrer Begleitung.“

      Connor wirkte zufrieden, als er sich ihr zuwandte, wobei er eine widerspenstige Haarsträhne zurückstrich. Erneut war Emily fasziniert von seiner Ausstrahlung. Trotz aller Gegenwehr fing ihr Herz heftig an zu klopfen. Sie war nahezu erleichtert, als die gestresste Kellnerin den Kaffee servierte und umgehend ihre Geldbörse zückte, um abzukassieren. Emily griff nach ihrer Handtasche, in der sich ihr Portemonnaie befand, doch Connor nahm ihre Hand.

      „Sie sind selbstverständlich von mir eingeladen. Oder wollen Sie mich beleidigen?“ Er zog einen Geldschein aus seiner Hosentasche, den er der Kellnerin überreichte.

      Stumm ließ Emily die Szene auf sich wirken, während eine merkwürdige Melancholie sie befiel. „Ich bin nur einmal hier …!“, hallten seine Worte in ihr nach und riefen in Erinnerung, was sie zu verdrängen versucht hatte. Ihr Treffen war ein einmaliges Ereignis. Mehr nicht. Wie dumm von ihr, auch nur einen Moment zu hoffen, aus ihrer Begegnung könnte Freundschaft werden. Vielleicht wäre es das Beste, nach Hause zu fahren und Connor Leary schnell aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Sie spürte, dass dieser Mann ihrem Gefühlsleben gefährlich werden könnte. Sie sollte schnellstmöglich die Reißleine ziehen, anstatt sich unrealistischen Schwärmereien hinzugeben. Aber sie hatte ihm einen Altstadtbummel versprochen, und es würde unglaubhaft wirken, wenn sie jetzt dringende Termine vorschöbe. Ganz abgesehen davon, dass sie jede Sekunde seiner Gesellschaft genoss. Während Emily ihren Gedanken nachhing, nippte Connor zufrieden an seinem Kaffee.

      „Es ist fast wie Urlaub, nicht wahr?“ Er lächelte sie entspannt an. „Was ist los? Warum sind Sie so schweigsam? Schalten Sie einfach mal ab und genießen den Moment. Sie denken doch hoffentlich nicht an Ihre Arbeit?“

      „Nein, nein“, abwehrend hob Emily die Hände.

      „Was ist es dann?“, hakte er nach, „ich sehe doch, dass Ihre gute Laune sich verflüchtigt hat.“

      „Das täuscht“, Emily schüttelte heftig den Kopf. Schließlich konnte sie ihm ihre abstrusen Überlegungen nicht mitteilen. Stattdessen versuchte sie ein ungezwungenes Lächeln. „Wollen wir weitergehen?“

      „Na schön. Wie es scheint, sind Sie zu weiteren Schandtaten bereit. Also, was machen wir jetzt?“, er nahm ihre Hand und zog sie hoch. Emily zuckte zusammen, denn seine Berührung elektrisierte sie förmlich. Hoffentlich merkte Connor nichts von ihrer Verwirrung.

      „Vielleicht wollen Sie noch etwas einkaufen?“, schlug sie rasch vor. „Hier gibt es sämtliche Luxuslabel, die man sich vorstellen kann. Nirgendwo in Düsseldorf können Sie so edel und teuer einkaufen wie auf der Königsallee.“

      Nachdenklich rieb er sein Kinn. „Edel klingt zwar gut, aber flippig wäre mir lieber. Kann man hier irgendwo kreativ einkaufen?“

      „Hm“, Emily musste überlegen. „In der Nähe des Carlsplatzes gibt es einen kleinen Laden, der allerhand verrücktes Zeug anbietet. Ich habe dort zwar noch nichts gekauft, aber Corinne, also meine Chefin, ist dort Stammkundin. Zuletzt hat sie den winzigen Teil einer Sternschnuppe erstanden. Sandkorngroß, dafür aber mit aufwendigem Zertifikat und dementsprechendem Preis. Schwebt Ihnen so etwas vor?“

      Amüsiert betrachtete Connor Emily. „Genau, so etwas schwebt mir vor. Lassen sie uns diesen außergewöhnlichen Laden aufsuchen und nach den Sternen greifen.“

      „Schön“, Emily setzte sich in Bewegung, passierte den Kö-Graben und eilte weiter in Richtung Carlsplatz. Sie bemerkte kaum, dass ihre Schritte immer ausladender wurden.

      „Hey, wollen Sie einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen?“, Connor fasste nach ihrem Arm und hielt sie zurück. „Ich dachte, wir machen einen gemütlichen Bummel.“

      Kratzbürstig schüttelte sie ihn ab und entgegnete unwirscher als beabsichtigt. „Dann muss ich mich wohl bemühen, mich Ihrem Schneckentempo anzupassen.“

      Sichtlich irritiert über ihre ungehaltenen Worte blieb Connor stehen.

      „Was ist los? Sind Sie sauer auf mich?“

      Er wirkte so entgeistert, dass sie unfreiwillig lächeln musste.

      „Unsinn, ich wollte nur schnell zu dem Laden gelangen, das ist alles.“

      Das fordernde Klingeln seines iPhones rettete sie aus dieser Situation.

      „Sorry“, entschuldigte er sich mit einem Blick auf die Nummer des Anrufers. „Ich will nicht unhöflich erscheinen, aber ich muss dieses Gespräch kurz annehmen.“

      Emily wandte sich ab und begutachtete die Schaufensterauslagen der Boutique, vor der sie stehengeblieben waren, während er telefonierte. Sie wollte keineswegs neugierig erscheinen. Ohnehin hatte sie Mühe, etwas von dem Telefonat zu verstehen, denn Connor sprach schnell in undeutlichem Englisch. Seinem Gesichtsausdruck zufolge handelte es sich wohl nicht um eine erfreuliche Unterhaltung. Vielmehr zog er die Stirn in Falten und beendete das Gespräch schließlich abrupt.

      „Ärger?“, Emily sah ihn fragend an.

      „Nicht der Rede wert“, entgegnete er. „Das übliche nervige Business. Lassen Sie uns weitergehen.“

      Emily lächelte zweifelnd. „Das klang aber gar nicht so. Möchten Sie darüber sprechen?“

      Er sah sie derart skeptisch an, dass Emily sich augenblicklich missverstanden fühlte.

      „Entschuldigung, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten“, verteidigte sie sich.

      „Ach?“, Connor wirkte plötzlich belustigt. Dann zog er sie spontan dicht zu sich heran. Wieder bemerkte sie die goldenen Pünktchen in seinen Augen, spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht und nahm seinen herben, männlichen Geruch wahr. Einen kurzen Moment lang glaubte Emily, er würde sie jetzt küssen. Stattdessen ließ er sie unvermittelt los und zuckte bedauernd mit den Schultern.

      „Eigentlich schade“, murmelte er scheinbar enttäuscht.

      Emily war verdutzt. „Was ist schade?“

      „Dass Sie mir nicht zu nahetreten wollen.“ Er strich ihr behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

      „So war das nicht gemeint“, Emily glühte dort, wo sie zuvor seine Finger sanft berührt hatten.

      „Wie war es denn gemeint?“, Connor schien sichtlich Spaß an ihrer Verlegenheit zu haben. Störrisch versuchte Emily, sich zu rechtfertigen. „Ich wollte nicht aufdringlich erscheinen. Ihre Probleme gehen mich schließlich nichts an.“ Sie geriet immer mehr in Bedrängnis. Jetzt blickte er sie nachdenklich an, wobei sie den Eindruck hatte, dass das Lächeln aus seinen Augen gewichen war.

      „Wer sagt, dass ich Probleme habe? Aber Sie scheinen zu vergessen, dass ich bei einer Journalistin achtgeben muss, was ich von mir preisgebe. Ich möchte schließlich nicht, dass der Inhalt meines Telefonats morgen detailliert in der Zeitung zu lesen ist.“

      „Das ist absurd!“, sie funkelte ihn wütend an. Glaubte er wirklich, sie würde mit jeder Kleinigkeit, die sie über ihn erfuhr, in die Öffentlichkeit treten? „Warum wollten Sie den Nachmittag mit mir verbringen, wenn Sie so über mich denken?“

      Connor hielt ihrem Blick stand, lenkte dann aber ein. „Sie haben recht. Ich entschuldige mich für mein unbegründetes Misstrauen. Lassen Sie uns dieses Telefonat schnell vergessen. Es war rein geschäftlich und wirklich nicht wichtig. Genießen wir lieber den schönen Nachmittag.“

      Nun gut, wenn er nicht darüber reden wollte, dann eben nicht. Emily musste allerdings zugeben, dass seine Verschlossenheit sie kränkte.

      „Dort drüben ist das Geschäft, von dem ich sprach.“ Sie bemühte sich um einen unverkrampften Ton. Wollen wir hineingehen?“

      „Gerne“, Connor nickte zustimmend. Beim Betreten des