Mira Bergen

Verflixt und ausgesperrt!


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      Verflixt und ausgesperrt!

      Mira Bergen

       Impressum:

      Verflixt und ausgesperrt!

      Mira Bergen

      c/o AutorenServices.de

      König-Konrad-Straße 22

      36039 Fulda

      Copyright: © 2018 Mira Bergen

      Copyright Coverdesign: © 2018 Mira Bergen

      Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

      ISBN:

       Prolog

      Die Einsamkeit war unerträglich. Nicht mal Nachbarn, denen das Mehl ausgegangen war, oder Vertreter verirrten sich zu ihm.

      Viel zu spät erkannte er seinen Irrtum.

      Den größten Teil seines Lebens hatte er danach gestrebt, frei zu sein. Nichts erschien ihm wichtiger.

      Nun war er es endlich – frei. Frei von Zwängen, Vorschriften und Aufgaben. Er konnte tun, was immer er wollte, und gehen, wohin es ihn trieb.

      Es war schrecklich.

      Denn er war auch frei von jeglicher Gesellschaft, und er musste erkennen, dass er sein Leben lang den falschen Zielen nachgejagt hatte. Jetzt war es zu spät.

      Verzweifelt starrte er die kahle Wand an – eine von insgesamt vier kahlen Wänden in einem geschmacklosen Zimmer. Sollte er sich wirklich die Mühe machen aufzustehen? Und wenn ja: wozu?

      Irgendwann würde er einfach aufhören zu leben. Wenn undurchsichtige biologische Prozesse, Insekten und vielleicht auch ein paar Mäuse ihre Arbeit verrichtet hatten, würde nichts mehr von ihm übrig bleiben. Nicht einmal eine Erinnerung.

      Überwunden geglaubte Paranoia übernahm die Kontrolle und löste bereits bekannte Anzeichen aus – Schwitzen, Herzrasen und ein unangenehmes Zucken des linken Augenlids. Doch seine depressiven Gedanken ließen sich davon nicht aufhalten. Im Gegenteil. In allen Einzelheiten verweilten sie bei der Aussicht auf sein einsames Ableben.

      Falls ihn ein verirrter Postbote noch vor seiner völligen Auflösung fand, stand dem eine unappetitliche Überraschung bevor. Mitleid regte sich. Vielleicht sollte er ein Warnschild an der Tür anbringen.

      Oder auch nicht. Im Grunde war es egal. Er selbst existierte dann nicht mehr. Also musste ihm auch nichts mehr peinlich sein. Sich schon jetzt im Voraus zu schämen, erschien wenig sinnvoll. Wo auch immer er sich dann befinden würde – schlimmer als hier konnte es nicht sein.

      Die Option zu sterben gewann an Reiz.

      Er dachte an die gestrige Entdeckung. Was für ein entsetzlicher Tag. Gestern war er wider besseres Wissen doch aufgestanden und auf den Berg hinter seinem Haus gestiegen.

      Er wusste nicht genau, was Menschen dazu trieb, auf Berge zu klettern. Man konnte dort nichts weiter tun, als herunterzuschauen und sich Sorgen zu machen, wie man wieder nach unten kam. Auf diesem Berg traf man noch nicht mal andere Menschen, da sie ihn aus unerklärlichen Gründen mieden.*

      Aus einer seltsamen Laune heraus war er dennoch hinaufgestiegen. Er war nicht mehr der Jüngste, trotzdem hatte er sich unzählige Stufen, die vor längst vergessenen Zeiten mühsam in die Felsen geschlagen worden waren, hinaufgequält.

       Als er endlich oben angelangt war, bot sich ihm nicht die erhoffte schöne Aussicht. Dicke Wolken wussten dies zu verhindern. Statt dessen fand er einen toten Zwerg. Einen echten Zwerg, ganz offensichtlich erschlagen – wie es aussah, mit seiner eigenen Axt.

      Er fragte sich nicht, was dieser Zwerg ausgerechnet hier zu suchen hatte. Dafür waren seine deprimierten Sinne bereits zu abgestumpft. Aber die Tatsache, dass der Zwerg erschlagen wurde, bevor er ihn getroffen hatte, erschütterte ihn zutiefst.

      Dabei sehnte er sich doch verzweifelt nach Gesellschaft.

      Welcher Art auch immer.

      ***

      Eine Tafel Schokolade wechselte den Besitzer. Frodewin und Lauritz machten es sich hinter dem Fernrohr bequem und nahmen zielstrebig das Haus der Wunderlichs ins Visier.

      Nach der Rückkehr aus Glücksstädt erfreute sich dieses Objekt bei den Zwergen allergrößter Beliebtheit und es gab Wartelisten für den Wachdienst am Fernrohr. Geschickt ausgewählte Geschenke konnten zu spontanen Veränderungen der Reihenfolge der Anwärter führen, weshalb Lauritz jetzt schon den zweiten Tag nacheinander hier saß und Frodewin als Herr über die Listen (und das Fernrohr) über ein breiteres Sitzkissen nachdachte. Vielleicht war Schokolade doch keine so gute Idee. Erstaunlich, wie Lauritz es anstellte, immer an die beste Schokolade heranzukommen. Die von der Sorte, bei der man nicht aufhören konnte.*

      »Und? Ist jemand zu Hause?«, fragte Frodewin mit vollem Mund. Sein gelangweilter Blick streifte einen großen, mit Tüchern verhangenen Gegenstand.

      SUSI.

      Nach den Ereignissen im Juli war die Benutzung der Transportmaschine strengstens verboten und ein großes Schloss angebracht worden. Doch das schien überflüssig. Es hätte sich kein Zwerg gefunden, der sich freiwillig diesem Risiko ausgesetzt hätte. Nicht nachdem alle mitansehen konnten, was SUSI aus Ken gemacht hatte.

      »Hmm«, murmelte Lauritz und sah gebannt in das Fernrohr. »Alle beide.«

      Letzteres bezog sich auf Herrn Wunderlich und Emily, denen in letzter Zeit ganz besonderes Interesse galt.

      Anfangs war es auch noch recht spannend gewesen, Frau Wunderlich zu beobachten. Das Eheleben der Wunderlichs war ziemlich unterhaltsam. Doch dann zog Emily probeweise ein und stellte das beschauliche Leben ihres neuen Versuchspapas auf den Kopf.

      Herr Wunderlich war eindeutig überfordert. Vater zu werden hatte er sich irgendwie anders vorgestellt. Vor allem nicht so abrupt. Ein werdender Vater sollte während der üblichen Schwangerschaftsmonate zunächst einmal Gelegenheit erhalten, sich grundsätzlich mit der Tatsache der baldigen Vaterschaft anzufreunden. Ein erster Schritt. Der unvermeidlichen Geburt folgte dann normalerweise eine Phase, in welcher das Kind ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Mutter fiel und der Vater das Ganze aus sicherer Entfernung beobachten konnte. Herrn Wunderlich war zwar zu Ohren gekommen, dass die Väter von heute zunehmend Anspruch auf Einbeziehung erhoben, aber er bevorzugte die jahrtausendelang bewährte altmodische Methode, nach welcher der Vater gelegentlich ein frisch gebadetes und gefüttertes – vorzugsweise schlafendes – Kind in den Arm gelegt bekam, welches beim geringsten Anzeichen von Aktivität von der fürsorglichen Mutter wieder entfernt wurde.

      Später ließ es sich zwar nicht vermeiden, dass Kinder zu sprechen begannen, doch auch das war eine längerfristige Entwicklung. Zumindest sollte es so sein.

      Niemals, unter gar keinen Umständen, hatte er damit gerechnet, sofort mit einem halbwüchsigen Kind konfrontiert zu werden, das nicht nur fließend sprach, sondern dabei auch noch überraschend schlüssig und überzeugend argumentierte und bei jeder Gelegenheit widersprach.

      Zu alledem musste er erkennen, dass er während seines schönen früheren Lebens auf männlichen Nachwuchs programmiert gewesen war, der, wenn er sprechen und laufen konnte, mit ihm Fußball schaute und ihm als Verbündeter gegen seine Frau zur Seite stand.

      Die Realität hatte ihn überrannt und zu Boden geworfen, und Herr Wunderlich fühlte sich noch immer zu schwach, sich zu erheben.

      Emily hingegen hatte jene Kindheitsphasen, in welchen man seine Eltern vorbehaltlos liebte und ihnen alles fraglos abkaufte, ausgelassen und war in etwa an dem Punkt eingestiegen, an welchem einem Eltern peinlich waren. Das bedeutete selbst für jahrelang gewachsene Eltern-Kind-Beziehungen eine harte Belastungsprobe und für die heimlichen Zuschauer jede Menge Spaß und Unterhaltung.

      Lauritz grinste in sich hinein, als Herr Wunderlich den Fehler beging, Emily hoffnungsvoll zu fragen: »Möchtest du nicht lieber wieder hochgehen und mit deiner Puppe spielen?«