Hansjürgen Blinn

Erotisches Rokoko. Literatur der Sinnlichkeit


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der Frühling aus dem Winterschlaf

      Jetzt die Natur. Den dichten weißen Schleier

      Hat er ihr längst vom Busen abgestreift,

      Er atmet jetzt im blumigen Gewande freier.

      Der Mai, der sie mit Küssen überhäuft,

      Spielt mit dem Reiz, der ihm entgegen blühet,

      Und Zephyr, den ein gleich Gefühl

      Magnetisch stark zur Blumengöttin ziehet,

      Mischt tändelnd sich mit in ihr Spiel.

      Steht denn der Natur und dem Mai

      Nur allein das Tändeln frei?

      Darf nur dies Paar zärtlich küssen,

      Busen sanft an Busen schließen

      Und in Zärtlichkeit zerfließen?

      Mädchen, nein, die Tändelei

      Holder Glut steht uns auch frei,

      Auch wir dürfen zärtlich küssen,

      Busen sanft an Busen schließen

      Und in Zärtlichkeit zerfließen.

      Hurtig komm in meinen Arm,

      Schlüpf sie ab, die Nachtgewänder,

      Schleif sie auf die seidnen Bänder,

      Komm und werd in meinem Arm

      Wie die Sommerlüfte warm,

      Und lass uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen.

      Ich bin Dein Lenz, ich bin Dein Mai,

      Du mein Gefild und meine Maienblume,

      In Deinem Grottenheiligtume,

      Auf Deinen Marmorhöh’n steht jede Tändelei

      Und jede Art des zärtlichsten Genusses

      Mir heut am Fest des ersten Kusses

      Unwidersprechlich frei.

      Hurtig komm in meinen Arm,

      Schlüpf sie ab, die Nachtgewänder,

      Schleif sie auf die seidnen Bänder,

      Komm und werd in meinem Arm

      Wie die Sommerlüfte warm,

      Und lass uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen.

      Johann Georg Scheffner

      Der kurze Rock

      Es ging durch den belaubten Hain

      Damöt, im Frühlingssonnenschein,

      Die Vögel sangen zärtlich Lieder,

      Und plötzlich, eh’ er ‘s sich versah,

      Stand vor ihm lächelnd Sylvia,

      Im kurzen Rock und netten Mieder.

      Er stutzte, wich bestürzt zurück,

      Doch war es nur ein Augenblick,

      Dann nahte er beherzt sich wieder.

      »Wie freu’ ich mich, dich hier zu sehn!«

      Rief er: »O du bist wunderschön

      Im kurzen Rock und netten Mieder!

      Wie Gold ist dein geringelt Haar,

      Zwei Sterne sind dein Augenpaar,

      Dein Busentuch wogt auf und nieder,

      Schön bist du, schön vom Kopf zum Knie,

      Nein, deines gleichen sah ich nie

      Im kurzen Rock und netten Mieder.«

      So sprechend eilt er zu ihr hin,

      Umarmt die holde Schäferin,

      Sie senkt beschämt die Augenlider,

      Dem Rosenmund entschlüpft ein »Ach!«

      Ein junges Mädchen ist nur schwach

      Im kurzen Rock und netten Mieder.

      Vor Zärtlichkeit und Lieb` entbrannt,

      Fasst er die weiche Lilienhand

      Und kniet vor der Bestürzten nieder;

      Sie sollte freilich flieh’n, – allein

      Wie könnte man so grausam sein

      Im kurzen Rock und netten Mieder.

      Das Mädchen bebt, die Weisheit spricht,

      Trau einem jungen Schäfer nicht!

      Doch heiße Sehnsucht ist dawider;

      Die süße Stimme der Natur

      Ist mächtiger, man hört sie nur

      Im kurzen Rock und netten Mieder.

      Er drückt sie innig an die Brust,

      Sie sinkt mit ihm, berauscht von Lust

      Im Hain auf weiche Rosen nieder.

      Ihr jungen Mädchen, merkt’s euch fein,

      Es bringt Gefahr, geht man allein

      Im kurzen Rock und netten Mieder.

      Anonym

      Wie ich die Liebe kennen lernte

      Ich war ein Knab’und ging allein

      in einen dichten Buchenhain,

      den Wohnsitz guter Hirten,

      wo viele hundert Tauben zart,

      durch Lieb’und Gegenlieb’ gepaart,

      auf grünen Zweigen girrten.

      Da kam ein Mädchen wunderschön

      und lächelnd wie die Grazien,

      mit Rosen auf den Wangen,

      ihr Auge war voll Glanz und Licht

      und bläulich wie Vergissmeinnicht,

      grad auf mich zugegangen.

      Noch wusst’ ich nicht, was Liebe war,

      doch ward es mir so sonderbar,

      versteinert blieb ich stehen –

      ich sah ihr starr in’s Angesicht

      und freute mich und konnte nicht,

      mich satt genug d’ran sehen.

      Und als sie endlich zu mir sprach,

      da wurden Sinne plötzlich wach,

      die ich zuvor nicht kannte.

      Mein Herz schlug mir ohn’ Unterlass

      und in den Adern fühlt’ ich was,

      das heiß wie Feuer brannte.

      Sie bat, ich möchte mit ihr gehn,

      dort wüchsen Beeren rot und schön,

      ich möcht’ ihr welche pflücken.

      Sie schlang sich schnell an meinen Arm,

      ihr Händchen war so weich und warm,

      ich fing es an zu drücken.

      Ich drückt’ es ihr, und sie verstand

      den kleinen sanften Druck der Hand

      und drückte sanft mich wieder

      und sah mit holdem Lächeln dann

      mich