Rudolf Steiner

Eurythmie als sichtbare Sprache


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mütterlichen Organismus, aus einer Metamorphose des Kehlkopfes, eben dem wirklichen Uterus, herauskommt. Aber jetzt stellen wir uns vor diesen ganzen Menschen, der in die Welt hereingestellt ist mit allem, was an ihm ist; denn dasjenige, was aus dem mütterlichen Organismus herauskommt, das kann ja nicht so bleiben. Wenn es das ganze Leben hindurch so wäre, wäre es kein ganzer Mensch; es muß erst alles immer hinzugefügt werden. Der ganze Mensch im, sagen wir meinetwillen fünfunddreißigsten Jahre hat ja mehr bekommen von dem ganzen Weltenwesen als dasjenige, was das Kind hat. Dieser ganze Mensch, wenn wir den uns nun vorstellen schematisch, und uns vorstellen, daß, wie die Sprache aus dem Kehlkopfe, der physische Mensch als Kind aus dem Uterus, daß dieser ganze Mensch etwa in seiner fünfunddreißigjährigen Vollendung herauskommt aus dem ganzen Weltenall – der Mensch so heraus-gesprochen ist aus dem Weltenall, wie das Wort aus uns herausgesprochen ist, dann haben wir den Menschen in seiner Form, in seiner ganzen Gestaltung selber als ein gesprochenes Wort. Nun steht er da vor uns – die menschliche Gestalt ist ja das Wunderbarste auf der Erde –, dann steht er da in seiner Gestaltung, und wir können fragen, fragen die ursprünglichsten göttlichen Mächte: Wie habt ihr denn den Menschen geschaffen? In ähnlicher Art, wie geschaffen wird das Wort, wenn man spricht? Was ist da denn eigentlich geschehen, indem ihr den Menschen geschaffen habt? – Und wir würden, wenn wir Antwort bekämen aus dem Weltenall, auf diese Frage diese Antwort bekommen: Da überall gehen an uns heran Bewegungen, Formen in der verschiedensten Art, solch eine Form (a eurythmisiert), solch eine Form (e eurythmisiert), solch eine Form (i eurythmisiert), alle möglichen Formen in Bewegung gehen aus dem Weltenall hervor. Alle Bewegungsmöglichkeiten, die wir uns so, wie wir einmal sind, in Anknüpfung an den menschlichen Organismus denken können. Ja, aber diese Bewegungsmöglichkeiten sind diejenigen, die, erstarrt, die physische Form des Menschen geben, so wie er etwa in der Mitte seines Erdenlebens ist. Was also würde die Gottheit machen, wenn sie den Menschen tatsächlich aus einem Erdenkloß, aus dem Staub der Erde formen wollte, was würde die Gottheit machen? Die Gottheit würde Bewegungen machen, und aus dem, was aus diesen Bewegungen entsteht, wie sich im Sinne dieser Bewegungen der Staub der Erde formt, das würde zuletzt die Menschenform geben. Nun können wir uns einmal das a vorstellen. Sie alle kennen das a in Eurythmieform, das b in Eurythmieform, das e in Eurythmieform und so weiter. Denken Sie, die Gottheit käme, stellte heraus aus der Urtätigkeit, aus der göttlichen Urtätigkeit hintereinander dasjenige, was Sie eurythmisch für a, b, e – aber eurythmisch jetzt – kennen, so würde, indem das abläuft, wenn sich das im physischen Stoffe formen könnte, der Mensch vor Ihnen stehen. Das ist dasjenige, was der Eurythmie zugrunde liegt, daß wir uns sagen: Der Mensch ist eine fertige Form, wie er vor uns steht. Aber diese fertige Form ist aus Bewegung hervorgegangen. Diese fertige Form ist aus sich bildenden und ablösenden Urformen hervorgegangen. Nicht das Bewegte geht aus dem Ruhenden, das Ruhende geht ursprünglich aus dem Bewegten hervor. Und wir gehen zurück zu den Urbewegungen, indem wir die Eurythmie ausbilden. Was tut mein Schöpfer in mir als Mensch aus dem Urwesen der Welt heraus? Wenn Sie auf das Antwort geben wollen, so müssen Sie die eurythmischen Formen bilden. Gott eurythmisiert, und indem er eurythmisiert, entsteht als Ergebnis des Eurythmisierens die Menschengestalt. So wie ich hier über Eurythmie spreche, kann man schon über jede Kunst sprechen, denn von irgendeiner Ecke her ist jede Kunst in dieser Art aus dem Göttlichen heraus zu kriegen. Aber gerade bei der Eurythmie sieht man, weil sie sich des Menschen als eines Teiles, als eines Werkzeuges bedient, am tiefsten hinein in den Zusammenhang des Menschenwesens mit dem Weltenwesen. Daher muß Ihnen Eurythmie gefallen. Denn denken Sie, wenn man zunächst nicht recht weiß, was menschliche Schönheit ist, aus den äußeren menschlichen Gestalten, und dann vorgeführt bekommt, wie Gott ursprünglich die schöne Menschengestalt aus der Bewegung heraus formte, in der Wiederholung der eurythmischen Formen aus den göttlichen Schaffensbewegungen für den Menschen, so ist das die Antwort auf die Frage: Wie bildet sich die menschliche Schönheit? Wenn man den kleinen Menschen, das Kind vor sich hat, das noch nicht fertig ist, das erst ein voller Mensch werden soll – man soll nachhelfen der Gottheit, damit die Form richtig weitergebildet werde, welche die Gottheit veranlagt hat beim Kinde –, was muß man denn für Formen anwenden im Unterricht, in der Erziehung? Eurythmieformen. Das ist die Fortsetzung des göttlichen Bewegens, des göttlichen Formens des Menschen. Und wenn der Mensch krank wird in einer gewissen Weise, da werden schadhaft die Formen, die seinem göttlichen Urbilde entsprechen. Sie werden hier in der physischen Welt anders. Was sollen wir tun? Wir gehen zurück zu den göttlichen Formen, helfen nach, lassen den Menschen diese göttlichen Formen wiederum machen. Das muß so zurückwirken auf ihn, daß die schadhaften Formen wiederum ausgebessert werden. Wir haben es mit der Eurythmie als einer Heilkunst zu tun, so wie ursprünglich gewußt wurde in hellseherischen Zeiten, daß in gewissen Lauten, die der Mensch in einer entsprechenden Intonierung sagte, zurückgewirkt wurde auf die Gesundheit. Aber da war man eben darauf angewiesen, auf dem Umwege durch die Luft, die in den Ätherleib zurück wiederum hineinwirkte, diese Gesundheit zu bewirken. Wenn man direkt vorgeht, wenn man den Menschen die Bewegungen machen läßt, die seiner Organbildung entsprechen, wobei man nur wissen muß, wie diese Bewegungen sind – zum Beispiel gewisse Fuß- und Beinbewegungen entsprechen gewissen Formungen selbst bis in den Kopf hinauf –, wenn man das alles nachbilden läßt, dann entsteht dieser dritte Aspekt der Eurythmie, die Heileurythmie. Ich wollte dieses heute vorausschicken, damit jeder, der nun in der Eurythmie tätig ist, eine ursprüngliche Empfindung, ein ursprüngliches Gefühl davon hat, was er eigentlich tut; nicht hinnimmt die Eurythmie als irgendetwas, was man nur konventionell lernen kann, sondern hinnimmt als etwas, wodurch der Mensch tatsächlich näher an das Göttliche herankommt, als er es ohne Eurythmie kann, wie das bei jeder Kunst der Fall ist, damit wir uns mit dieser Empfindung, mit diesem Gefühl durchdringen. Was gehört zu einer ordentlichen Eurythmieunterweisung? Da muß Atmosphäre drinnen sein, Empfindung von der Verbindung des Menschen mit dem Göttlichen. Dann ist eben wirkliche Eurythmie da. Das ist nötig.

      Der Charakter der einzelnen Laute

      Zweiter Vortrag, Dornach, 25. Juni 1924

      Nachdem ich gestern versucht habe, im Allgemeinen den Charakter des Sprachlichen als solchen, den Charakter dieser besonderen, sichtbaren Sprache der Eurythmie zu erörtern, möchte ich heute zunächst den Charakter der einzelnen Laute vor Sie hinstellen, denn erst dann, wenn der Charakter, die innere Wesenheit der einzelnen Laute vor uns steht, werden wir die Elemente des Eurythmischen auch wirklich verstehen können. Ich mache dabei aufmerksam darauf, daß durchaus im Leben der Menschheit, in der Entwicklung der Menschheit immer ein mehr oder weniger deutliches Bewußtsein davon vorhanden war; nur in unserer Zeit sind wir, wie ich gestern sagte, so zusammengeschrumpelt in Bezug auf die Handhabe der Sprache. Es war immer mehr oder weniger ein deutliches Bewußtsein vorhanden, daß in diesem Durchlaufen der Laute, das im Worte liegt, eben doch überall in den Konsonanten ein Nachbild äußerer Formen oder äußeren Geschehens vorhanden ist, und in den Vokalen ein inneres Erleben. Dieses Bewußtsein ist mehr oder weniger in die Buchstabenformen übergegangen, sodaß man schon in ursprünglicheren Buchstabenformen, namentlich zum Beispiel in hebräischen Buchstabenformen eine Art Nachahmung desjenigen sehen kann – und zwar im Hebräischen bei den Konsonanten –, was da eigentlich in der Luftform, in der Luftgestaltung geschieht. In den neueren Sprachen – und da rechne ich natürlich unter die neueren Sprachen alle diejenigen, die etwa, sagen wir, beim Lateinischen beginnen, das Griechische hat noch etwas von dem, was ich jetzt eben meine – ist dann dies in der entsprechenden Schrift mehr oder weniger verlorengegangen; aber es erinnert noch manches durchaus daran, daß man versuchte, in den Buchstabenformen dasjenige nachzubilden, was eigentlich in der Formierung, in der Gestaltung des Wortes liegt, wenn man das Wort herausbildet aus dem Konsonantischen – das ist der Imitation des Äußeren – und dem, was man dabei empfindet, was man erlebt als von innen kommend, von der Seele her stammend. Wir können sagen, heute ist so etwas im eigentlichen Sinne nur noch deutlich vorhanden in gewissen Empfindungsworten, in gewissen Empfindungslauten oder -worten. Wollen wir einmal ein Beispiel studieren; gerade solch ein Beispiel kann uns vielleicht tief in das Wesen des Eurythmischen hineinführen. Sehen Sie, dasjenige, was wir das h nennen, wenn wir es aussprechen, wenn wir es nicht bloß hauchen, der h-Laut, das ist so etwas, was eigentlich mitten drinnensteht zwischen dem Konsonantischen und dem Vokalischen. Es ist das bei allem der Fall, was in einer gewissen Beziehung mit dem Atmen in Beziehung steht. Das Atmen wurde immer wie etwas empfunden,