Vera X

Spaghetti extra scharf


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und ziemlich gefräßig.

      Der dicke Paul fragte sich, ob so eine kleine Ida einmal ihm gehören würde. Dazu fehlte ihm allerdings noch die passende Frau. Am besten eine gute Köchin, die füllige Männer mochte.

      In der Zwischenzeit verständigten Kollegen die Mutter von Ida. Die reagierte wie alle Mütter erst ängstlich und besorgt, als ein Polizist anrief und ihr mitteilte, dass sie Ida auf dem Revier hatten. Dann war sie aber mächtig stolz auf ihre Tochter. Allen Nachbarn und Freundinnen musste sie sofort die Geschichte von ihrer klugen Ida erzählen, die bei der Jagd auf den Räuber einen entscheidenden Hinweis gegeben hatte.

      Noch einen Tag später. Wieder las ich beim Frühstück in der Tageszeitung einen Artikel über den Überfall auf die Sparkasse. Diesmal war neben dem Bild aus der Überwachungskamera ein gezeichnetes Phantombild abgebildet. Es zeigte einen jungen Mann. Dazu wurde die Geschichte eines kleinen Mädchens erzählt, das die wahre Identität des Räubers kannte.

      Ich war erstaunt, aber nicht beunruhigt. Der junge Mann auf dem Phantombild hatte ein alltägliches Gesicht. Die Beschreibung passte auf viele Männer dieses Alters. Sollten sie ruhig weiter suchen. Ich hatte zu tun. Emsig arbeitete ich bereits an einer neuen Verkleidung für meinen nächsten Besuch in der Sparkasse.

      Für die Einwohner von Untereschenbach und Obereschenbach war der Überfall auf die Sparkasse ein Skandal, der ausgiebig diskutiert werden musste. Und die Lokalzeitung hatte eine Schlagzeile für die erste Seite.

      Die Polizisten mit ihren ständigen Fragen hatten in der Sparkasse schon für genug Wirbel gesorgt. Jetzt waren sie fort. Dafür erschien ein Mann von der Versicherung, um den Schadensfall vor Ort aufzunehmen. So ein Typ mit schwarzem Anzug und schwarzer Aktentasche unter dem Arm. Sichtlich unzufrieden schritt er die Räume ab und ließ sich diese unglaubliche Tat in allen Einzelheiten schildern. Die Sicherheitsmaßnahmen hatten nicht ausgereicht. Er fand auch gleich den Fehler im System: Nur die Kassiererin in ihrer Kassenbox hatte einen Notknopf, mit dem sie Hilfe herbeirufen konnte. Er erklärte dem Filialleiter, dies sei auf keinen Fall hinnehmbar.

      Der war sowieso schon mit den Nerven am Ende. Mit rudernden Armbewegungen versuchte er, imaginäre Flutwellen beiseitezuschieben. Er versprach, sofort für Abhilfe zu sorgen.

      Zwei Tage danach traf ein Fachmann für Sicherungsanlagen in der Sparkasse ein. Unter den Schreibtischen der drei Angestellten im Schalterraum verlegte er ein kompliziertes Netz von Drähten und Schaltern. Nun konnte jeder der Angestellten einfach mit einer Fußbewegung Alarm auslösen. Zu einfach, wie sich bald herausstellte. Immer wieder kam es vor, dass jemand, ohne es zu merken, versehentlich an den Schalter geraten war. Sehr zum Unmut der Polizeibeamten in Obereschenbach, die den weiten Weg in die Nachbargemeinde regelmäßig umsonst machten.

      Es entwickelte sich zu einem immer wiederkehrenden Ritual. Ein Polizeibeamter steckte den Kopf zur Tür herein, und die Kassiererin signalisierte ihm mit einer abwehrenden Handbewegung, dass alles in Ordnung war. Kein Räuber in Sicht. Nur Frust bei den Uniformierten.

      Die Akte über den Raub landete auf dem Schreibtisch von Kommissar Lesot. Die kleine Ida wusste nicht nur zu berichten, dass ein junger Mann auf einer Zugtoilette auf sonderbare Weise verschwunden war. Sie hatte auch gesehen, an welcher Bahnstation der Mann eingestiegen war. Vermutlich lebte der Täter in Düsseldorf.

      Bei Kommissar Lesot hielt sich die Begeisterung in Grenzen, als ihm der dicke Paul den Bericht auf den Schreibtisch legte. Über Mangel an Arbeit konnte er sich wirklich nicht beklagen. Es passte ihm gar nicht, dass er noch einen neuen Fall dazu bekam. Sein erster Arbeitstag nach einem Urlaub von nur vierzehn Tagen. Das fing ja gut an. Den Letzten kriegen sie dran. Und das war wieder einmal er.

      Er öffnete das Fenster und atmete die von Abgasen verpestete Luft ein. Aber das bemerkte er schon nicht mehr. Sein Büro lag an der Hauptverkehrsstraße. Den Rest von Sauerstoff, den der Tross von stinkenden und hupenden Blechkarossen übrig ließ, verschluckte eine drückende Hitze. Irgendwo da draußen gab es einen Saukerl, der es fertigbrachte, ihm den Morgen und das dazugehörige Frühstück zu vermiesen. Musste der unbedingt hier wohnen. Es hätte auch die Kollegen in einer anderen Stadt treffen können.

      Der selbst gebraute Kaffee aus seiner privaten Kaffeemaschine schmeckte heute doppelt so schlecht wie sonst.

      Er beschimpfte die Kaffeemaschine, was zu seinen morgendlichen Gewohnheiten gehörte. „Was kannst du eigentlich? Kaffeekochen wird es jedenfalls nicht sein. Ach, leck mich doch.“

      Danach fühlte er sich wieder besser.

      Zumindest waren die Brötchen essbar. Er holte sie sich regelmäßig vor dem Dienst im Kiosk an der Ecke. Frisch geschmiert von Opa schmeckten sie am besten.

      Eigentlich hieß der Inhaber Theodor Kocks. Aber alle nannten ihn Opa. Und alle hofften, dass der alte Mann noch eine Weile durchhalten und den Kiosk weiterbetreiben würde. Opa war ein Original und immer ein Lichtblick an einem arbeitsreichen Tag.

      Seinen Namen verdankte Kommissar Lesot Vorfahren aus dem Elsass. Zum Glück gab es in seiner Umgebung nicht viele Leute, die der französischen Sprache so mächtig waren, dass sie die Bedeutung kannten. Er fand es schön, einen französisch klingenden Namen zu haben. Mit dem Vornamen Dieter, den ihm seine Eltern dazugegeben hatten, mochte er sich allerdings nicht abfinden. Mit Hartnäckigkeit gelang es ihm schließlich, die Behörden von der Notwendigkeit einer Namensänderung zu überzeugen. Jetzt hieß er Francois. Seine Kollegen und Freunde fanden das albern. Sie nannten ihn weiter Didi, was ihn sehr ärgerte.

      Nochmals blätterte er den Bericht durch und las die Zeugenaussagen. Wenn er sich einmal richtig in einen Fall verbissen hatte, ließ er nicht mehr locker. Ein harter Knochen war das.

      Er nahm die Sonnenbrille aus der Schublade und einen Strohhut vom Kleiderständer, den er aus dem Urlaub mitgebracht hatte. Dann verließ er das Büro. Seinen Dienstwagen ließ er diesmal stehen. Die paar Haltestellen zum Hauptbahnhof fuhr er mit der Straßenbahn.

      Nach Untereschenbach gab es keine direkte Zugverbindung und er musste einmal umsteigen. Er fuhr jetzt die gleiche Strecke wie der Räuber. Der Kommissar benutzte sogar die Zugtoilette. Er umarmte das Waschbecken und versuchte sich vorzustellen, wie er geschminkt und umgezogen eine neue Identität angenommen hatte.

      3. Kapitel

      Untereschenbach schlummerte friedlich in der Mittagshitze. Nur wenige Reisende stiegen mit Kommissar Lesot aus. Ein Arbeiter der Stadtverwaltung kehrte in aller Seelenruhe den Bahnsteig. Er fluchte, als er zwischen den Holzbänken die Reste von aufgeklebten Kaugummis entdeckte.

      „Schweinerei“, murmelte er. Sein Unmut steigerte sich noch und er ließ ein wütendes Geschimpfe los, als er einen Mann mit einem weißen Yorkshire-Terrier an der Leine sah. Der Hund hatte an einem der neuen Fahrkartenautomaten Gefallen gefunden und hob gerade das Bein, um seine Duftmarke daran zu hinterlassen. Der Besitzer schien das ganz in Ordnung zu finden.

      „Wir haben alle Bedürfnisse“, sagte der Mann entschuldigend. „Das ist ganz natürlich.“

      „Ich zeig dir, welche Bedürfnisse ich hab!“, rief der Arbeiter, während er drohend einen Wischmob über dem Kopf schwenkte. Kommissar Lesot schaffte es mit Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken.

      „Meinen Job würden Sie bestimmt nicht haben wollen“, sagte der Mann.

      „Sie den meinen aber vielleicht auch nicht“, antwortete der Kommissar und hielt dem Arbeiter seinen Dienstausweis unter die Nase.

      „Dann hätten Sie dem auch gleich einen Strafzettel geben können.“

      „Ist leider nicht mein Ressort“, sagte der Kommissar. „Es sei denn, sie würden den Herrn erwürgen. Das fällt dann in mein Arbeitsgebiet. - Abteilung für Gewaltverbrechen.“

      „Kann sein, dass ich es noch mache“, sagte der Mann. „Ich bin gerade in der richtigen Stimmung … Kommt einfach daher, in unser Städtchen, und versaut alles. Saubermachen darf ich hinterher.“

      Der Dampf entwich