Stephane Rambicourt

Der vertrocknete Walser Birnbaum und die Erben


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fuhr, während Jacob die Karte studierte.

      Gegen 17 Uhr erreichten sie entspannt ihr Hotel mitten in der Berchtesgadener Innenstadt und bezogen ihr gebuchtes Zimmer, eine schöne geräumige Suite. Magdalena hatte dieses Hotel ausgewählt, weil hier das beste und umfangreichreichste Wellness-Angebot vorhanden ist und das Hotel nicht den Eindruck eines seelen- und charakterlosen Betonklotzes machte. Magdalena und Jacob waren mit ihrer Auswahl sehr zufrieden. Fröhlich lachend und frotzelnd räumten sie ihr Gepäck ein und gingen anschließend gut gelaunt zum Abendessen in das hoteleigene Restaurant. Zuvor buchten sie an der Hotelrezeption noch für die nächsten Tage ihre ersten Wellnessanwendungen, Massagen und Kosmetikbehandlungen.

      Das Abendessen übertraf ihre Erwartungen um Längen und so speisten sie sehr ausgiebig.

      Es war ein warmer Sommerabend. Jacob schlug seiner Frau vor, noch etwas spazieren zu gehen und unterwegs eventuell noch ein Gläschen Wein oder auch ein Glas Bier zu trinken.

      Sie spazierten durch die Geschäftsstrasse, sahen sich die Auslagen an und fanden ein nettes kleines Weinlokal, das auch eine Gartenwirtschaft betrieb. Das Lokal war trotz des wunderschönen Wetters nur schwach besucht. Sie bestellten sich ihren Lieblingsrotwein, den Jacob auf der Getränkekarte entdeckt hatte und unterhielten sich leise.

      Sie waren so sehr in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie nicht bemerkten, wie sich langsam hinter Magdalena eine sehr alte Frau, mit einem knorrigen Ast als Gehstock, langsam den beiden näherte. Die Frau trug sehr altertümliche Kleidung und ein schwarzes Kopftuch, das ihre grauen, fast weißen, Haare bedeckte. Erst als die Frau direkt neben Magdalena stand, wurde das Ehepaar auf sie aufmerksam.

      „Ich bin die Moserin von der Vierkaser-Alm und habe eine Botschaft für euch. Hört gut zu. Hütet euch vor dem Berg. Geht nicht zu dem Berg. Er bringt euch nichts Gutes“, sagte die alte Frau geheimnisvoll leise, legte ihren schrumpligen Finger über ihren Mund, ging vom Tisch weg und war urplötzlich verschwunden.

      Jacob und Magdalena schauten sich sofort um und dann sich fragend an, weil die alte Frau so plötzlich verschwunden wie aufgetaucht war.

      „Was war denn das?“ fragte Magdalena erschrocken.

      „Keine Ahnung. Hab ich das gerade richtig verstanden? Wir sollen uns vor dem Berg hüten? Nicht zu dem Berg gehen? Er bringt uns nichts Gutes?“ entgegnete Jacob leicht verwirrt, „Von was für einem Berg sollen wir uns fernhalten? Hier gibt es ja sehr viele davon. So ein Blödsinn.“

      Magdalena dreht sich um und winkte einen Kellner herbei, der nur zwei Tische hinter ihnen ein anderes älteres Ehepaar bediente.

      „Da war eben eine alte Frau an unserem Tisch, kennen sie die zufällig?“ fragte sie arglos.

      „Bitte? Was für eine alte Frau?“ antwortete der Kellner verwirrt um sich blickend.

      „Na so eine kleine alte Frau mit einem Stock?“ sagte Jacob fragend.

      „Entschuldigung, ich habe niemanden gesehen“, sagte der Kellner erstaunt, „wurden sie belästigt? Ich war die letzten Minuten hinter ihnen an dem Tisch und habe bedient, aber ich habe absolut niemanden gesehen.“

      „Nein, nein, alles gut“, sagte Magdalena lächelnd.

      Der Kellner ging kopfschüttelnd zu einem Bartresen, von dem aus die Gäste der Gartenwirtschaft versorgt wurden.

      „Ich hab die Frau doch genau gesehen“, erklärte Jacob angesäuert.

      „Ja Schatz, ich doch auch. Ach was soll es. Wir machen Urlaub und lassen uns von niemandem verunsichern“, lachte Magdalena, „Spinner gibt es überall. Und das war bestimmt so eine Spinnerin.“

      „Na gut, aber komisch ist es trotzdem“, lächelte Jacob.

      „Egal, hast du dir überlegt, was wir morgen unternehmen wollen?“ erkundigte sich Magdalena.

      Jacob überlegte kurz. Seine Gedanken kreisten noch immer um die alte Frau.

      „Vorschlag, wir sind ja drei Wochen hier. Wie wäre es, wenn wir in der ersten Woche die Wellness-Angebote unseres Hotels und die Geschäfte hier in der Stadt genießen, gut essen und trinken und in der zweiten Woche Wandern. Dann könnten wir die letzte Woche noch zum Erholen und Entspannen nutzen“, schlug Jacob vor.

      „Hört sich gut an. Aber denke bitte daran, ich möchte unbedingt nach Salzburg und auch nach München, und nicht nur der Kultur wegen“, erwiderte Magdalena lachend.

      „Oder wir könnten auch abwechseln zwischen Wellness, Wandern und Kultur, dann nach Salzburg und so weiter. Wäre ja auch nicht schlecht“, schlug Jacob vor.

      „Ja. Ich denke, so sollten wir das auch so machen. Ich mag alles, mach auch alles mit, aber nur keinen Stress, verstanden“, lachte Magdalena fröhlich und Jacob nickte vielsagend.

      „Gut, also morgen beginnen wir mit Wellness im Hotel, einige Anwendungen haben wir ja schon gebucht und vom Concierge lassen wir uns ein paar Wanderrouten vorschlagen und die notwendigen Karten besorgen. Stadtpläne oder Reiseführer für München und Salzburg gibt es bestimmt auch im Hotel“, legte Jacob fest, „Magst du noch was trinken oder sollen wir langsam wieder zurück ins Hotel gehen?“

      „Hotel. Bin ziemlich müde. Die Fahrerei und so, war doch ganz schön anstrengend“, antwortete Magdalena.

      Jacob bezahlte, ging mit seiner Frau plaudernd, Arm in Arm zurück zum Hotel und dort direkt in ihre Suite. Sie machten sich auch sofort bettfertig.

      Kurze Zeit später, kurz nach 23 Uhr, beide waren tief und fest eingeschlafen. Ihr Schlaf war allerdings weder ruhig noch erholsam. Beide hatten den gleichen Alptraum, in dem ihnen die kleine alte Frau aus dem Weinlokal erneut erschien.

      „Hütet euch vor dem Berg. Der Kaiser wird euch zu sich holen. Wenn euch euer Leben lieb ist, geht nicht auf den Berg. Wenn er euch erwischt, wird nichts mehr so sein wie es vorher war. Es ist kein Zufall, dass ihr ausgerechnet jetzt, wenige Tage vor dem 15. August, hier her gekommen seid. Das ist genau so vorbestimmt. Ihr könnt euch aber retten, indem ihr nicht zu dem Berg geht. Folgt nicht der Bestimmung“, erklärte die alte Frau mit monotoner Stimme und verschwand wieder aus den Träumen von Jacob und Magdalena.

      Jacob und Magdalena erwachten beide verwirrt und schweißnass zeitgleich aus ihrem Alptraum. Obwohl jeder bemerkte, dass der andere auch wach war, sprachen sie kein Wort und schliefen kurze Zeit später erneut ein. Am nächsten Morgen erwachten beide und fühlten sich wie gerädert. Später beim Frühstück, kam die Unterhaltung zwischen beiden nur sehr langsam in Gang.

      „Wie hast du denn geschlafen?“ fragte Magdalena müde.

      „Nicht so gut. Und du?“ antwortete Jacob brummig.

      „Auch nicht. Vermutlich waren wir von der Fahrt überanstrengt“, mutmaßte Magdalena, „deshalb ist heute Wellness und totales Ausspannen genau richtig für uns.“

      „Ja, denk ich auch. Wir gehen gleich nach dem Frühstück an die Rezeption und buchen auch die weiteren Anwendungen“, erwiderte Jacob.

      Keiner sprach über seinen Alptraum. Nur langsam löste sich die innere Anspannung, die jeder in sich hatte, und es kam die heitere Unbeschwertheit der beiden zurück.

      An der Rezeption ließen sie sich über die Erweiterung ihres bisherigen Wellness-Programms beraten und buchten gleich ihre zusätzlichen Anwendungen. Arm in Arm, wie frisch Verliebte schlenderten die beiden in Richtung der Wellness-Abteilung. Eine freundliche Hotelmitarbeiterin empfing das Ehepaar und führte es in einem kleinen Rundgang durch den Wellness-Bereich des Hotels. Zunächst nahmen beide ein Fangobad, anschließend ließen sie sich massieren. Sie hatten sich für eine klassische Massage entschieden, besuchten anschließend die große Saunalandschaft und das Dampfbad. Zwischendurch entspannten sie sich in der sommerlichen Sonne und am großen Außenpool auf dem Dachgeschoss des Hotels.

      Magdalena schloss sich Jacob an und nahm zusätzlich noch einen großen Kosmetiktermin wahr.

      Der Tag verging wie im Flug und