Stephane Rambicourt

Der vertrocknete Walser Birnbaum und die Erben


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nickte nachdenklich und als sie eine Stunde später auf ihr Zimmer gingen, fragte Magdalena den Concierge, der gerade geschäftig an ihnen vorbei stürmen wollte:

      „Kennen sie die Vierkaser-Alm?“

      Der junge Mann nickte und erklärte: „Klar. Das ist eine uralte Alm in der Nähe von Großgmain auf etwa 1600 m Höhe gelegen. Die ist aber schon seit weit über 100 Jahren nicht mehr bewirtschaftet und total verfallen.“

      „Danke, sie wissen nicht wer da zu letzt wohnte?“ fragte Magdalena beiläufig.

      Der Concierge schüttelte irritiert nur mit dem Kopf. Magdalena bedankte sich und folgte ihrem Ehemann zum Fahrstuhl, der sie zu ihrem Zimmer brachte. Jacob hatte keine Lust seine Frau zu fragen, was sie von dem Concierge wollte.

      Am nächsten Morgen waren Jacob und Magdalena Countz frühzeitig beim Frühstück und pünktlich um 8 Uhr in der Hotelhalle abmarschbereit. Die Hotelküche hatte ihnen Lunchpakete und Getränke bereitgestellt, die schnell in den Rucksäcken verstaut waren. Sie warteten auf Sepp Haberer, ihren Wanderführer, der auch kurze Zeit später eintraf. Nach einer kurzen Begrüßung, zog Sepp Haderer eine Wanderkarte aus seinem Rucksack und winkte auch den Concierge zu sich.

      „Guat. Mir wern folgende Route gehen. Dös Hotel muaß a unsern Weg kennen. Also. Mir gengen noch Bischofswiesen, übern Gschirrkopf noch Untergern und dann Obergern. In Obergern is euer Schlafplatz scho gricht. In oam Schober, bisserl außerhalb. Anderntags gehts weiter Braune Wand, Lerchenecker Wand. Ob mir bis Hallein noamol in Bad Dürrnberg übernachten miassen, wern mer sehn. Guat?“ erklärte Sepp auf seiner Karte und zeigte mit dem Finger auf die einzelnen Punkte.

      „Du host alls aufgschriebn?“ fragte Sepp den Concierge der nur kurz nickte.

      „Und ihr hoabts alles was brauchts? Verpflegung, was zu Trinken? Guat gemma“, bestimmte Sepp Haderer, faltete seine Karte zusammen, verstaute sie wieder in seinem Rucksack und marschierte los.

      „Oh Sepp, ich vergaß. Eine chinesische Wandergruppe wird sich später auch noch auf den Weg zum Untersberg machen. Nur dass du Bescheid weißt“, rief der Concierge Sepp Haderer nach, der nur kurz nickte, als Zeichen dass er verstanden hatte.

      Jacob erklärte dem Concierge noch kurz, dass er und seine Frau Notfall-GPS-Sender mit dabei hatten und flitzte auch sofort seiner Frau und dem Wanderführer hinterher.

      Jacob und Magdalena beeilten sich ihrem Wanderführer schnellstens zu folgen.

      „Jo, mir gengen erst aus der Stadt aussa. No kämer mir redn. Wissts, ich mog die Stadt net“, brummte Sepp Haderer vor sich hin und ging flotten Schrittes weiter. Erst als er die letzten Häuser der Stadt hinter sich gelassen hatte blieb er stehen und wartete auf Jacob und Magdalena, die knapp 50 Meter hinter ihm gegangen waren.

      „So, mir san jetzt beim Salzbergwerk und gehn jetzt am Gerner Bach entlang bis nach Hohenaschau. I dat sagn, dass mir jetzt a normales Tempo gengen, wenn’s recht is“, grinste Sepp Haderer.

      „Klar, das bisherige Tempo würden wir nicht lange durchhalten. Ich hab schon gedacht, du bist auf der Flucht“, lachte Jacob fröhlich.

      „Na net auf der Flucht, aber i mog die Stadt net, deswegn bin i so schnell gangen“, lachte jetzt auch Sepp und zeigte dabei sein sehr lückenhaftes Gebiss.

      Sie gingen nun zu dritt nebeneinander weiter und Sepp erklärte dem Ehepaar aus dem Elsass ein wenig die Landschaft.

      Plötzlich fragte Magdalena: „Sepp. Also jetzt erzähl uns mal, was es mit diesem Untersberg auf sich hat. Ich hab da so einiges in meinem Reiseführer gelesen und der Concierge vom Hotel konnte mir auch nicht mehr sagen. Aber durch deine Reaktion bin ich jetzt doch etwas neugierig geworden.“

      „Ihr habts doch gsagt, dass eich dös net interessiert und ihr net an solche Sachen glaubts“, entgegnete Sepp Haderer.

      „Stimmt, hat es auch nicht. Und an Übersinnliches zu glauben ist nicht unser Ding. Aber deine Reaktion hat mich doch neugierig gemacht. Außerdem hatten wir Besuch, als wir beim Essen waren, der zumindest sehr merkwürdig war“, antwortete Magdalena.

      „Wos für oan Bsuch?“ wollte Sepp wissen.

      „Da war eine sehr alte Frau mit einem knorrigen Stock. Vielleicht kennst du sie. Sie sagte, sie sei die Moserin von der Vierkaser-Alm. Wie die an den Sicherheitsleuten vorbei gekommen ist, ist mir ein Rätsel“ entgegnete Jacob.

      „Wer?“ rief Sepp erschrocken und blieb abrupt stehen.

      „Die Moserin von der Vierkaser-Alm, was ich aber nicht glaube. Diese Alm ist doch schon sehr lange unbewohnt“, wiederholte Jacob und schaute in Sepps erschrockenes Gesicht.

      „Was hot sia gsagt?“ wollte Sepp wissen.

      „Sie sagte nur so wirres Zeug wie - Hütet euch vor dem Berg. Geht nicht auf den Berg. Er bringt euch nichts Gutes“, sagte Magdalena und schaute neugierig zu Sepp, „keine Ahnung was das sollte. Kennst du die Frau?“

      „Wann war das?“ bohrte Sepp erschrocken nach.

      „Gestern Abend“, antwortete Jacob, „ich glaub die hat wohl mitbekommen, dass wir eine Wanderung machen werden und wollte uns nur Angst machen oder einschüchtern.“

      „Die Vierkaser-Alm ist total verfallen. Dort lebt seit 150 Jahren koaner mehr. Die Moserin, war die letzte Sennerin auf der Alm und soll vor 150 Jahren spurlos verschwunden sein“, entgegnete Sepp tonlos.

      „Siehst du Magdalena, eine Hochstaplerin. Alles nur Quatsch“, lachte Jacob seine Frau an. Magdalena schaute ihrerseits auf die vor Schrecken geweiteten Augen von Sepp.

      „Schatz, ich glaub so einfach ist es wohl doch nicht. Schau dir mal Sepp an. Der ist kreidebleich im Gesicht“, sagte Magdalena nachdenklich.

      Erst jetzt bemerkte auch Jacob die Veränderung ihres Wanderführers.

      „Am liabsten dat i sofort zruck gehen“, brummte Sepp nach einer kurzen Weile.

      „Kommt gar nicht in Frage“, erklärte Jacob bestimmt.

      Sepp schaute mit leeren Augen zu Magdalena und Jacob.

      „Kommts, setz ma uns auf die Bank da vorne. Dann erzähl ich eich amol was“, sagte Sepp, ging sofort los zu der nächsten Sitzbank am Wegesrand und setzte sich hin.

      Dann griff er in seinen Rucksack und holte Pfeife und Tabakbeutel hervor. Nun begann er nachdenklich seine Pfeife zu stopfen und anschließend anzuzünden.

      „Also, Magdalena, sie wissen jo eh scho, dass der Unterschberg a ganz besonderer Berg sei soll. Da gibt es Gschichten über Zeitlöcher und Spiegelwelten in den vielen großen Höhlen des Bergs. Aber es sind alles nur Gschichten. Nix gwiss woaß ma net. Aber oans woas ma gwiss, do am Untersberg herrschen bsondere Naturkräfte und die Zeit tickt anders“, begann Sepp Haderer seine Erzählung. Dabei sprach er plötzlich hochdeutsch.

      „Der Untersberg hier in den Berchtesgadener Alpen“, erklärte Sepp Haderer leise, „verschluckt angeblich Menschen, manche sollen viele Jahre später aber wieder auftauchen. Es wird erzählt, dass in der Gegend besondere Naturkräfte herrschen sollen. Ein verschollener Jäger soll angeblich ein Jahr nach seinem Verschwinden zu seinem eigenen Seelenamt, also 1 Jahr nach der Beerdigung, aufgetaucht sein. Es gibt sehr, sehr viele ähnliche Geschichten, aber man weiß nicht was wirklich dran ist an denen. Das lockt natürlich viele Spinner hierher; besonders an Tagen wie heute. Heute ist ja der 15. August, Maria Himmelfahrt. Nach einer Sage soll sich jedes Jahr pünktlich zum 15. August an einer geheimen Stelle des Berges ein Zeitloch öffnen, das in eine Spiegelwelt führt, in der Kaiser Karl der Große über ein Volk aus Adeligen, Rittern, Bauern und Zwergen herrschen soll. Es gibt so viele Geschichten, Märchen und Sagen über den Berg hier. Wenn ich die alle erzählen wollte, säßen wir noch in ein Paar Tagen hier. Aber ich frage mich, was die alte Moserin, wenn sie es wirklich gewesen sein sollte, von euch hat wollen. Ihr kommt ja nicht aus der Gegend und habt auch keinen direkten Bezug nach Berchtesgaden, oder?“

      „Nein Sepp. Wir kommen nicht