Stephane Rambicourt

Der vertrocknete Walser Birnbaum und die Erben


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an Maria Himmelfahrt ist in Bayern und Österreich ein hoher kirchlicher Feiertag, deswegen kommt ja auch der emeritierte Papst zu uns, ein großer Anhänger der Gottesmutter Maria. Das Fest besteht soweit ich weiß seit dem 7. Jahrhundert und an dem Tag ist auch die Kräuterweihe“, erzählte der Concierge, der Jacobs Unbehagen sah, „dann gibt es da noch eine Sage, nach der sich jedes Jahr an diesem Tag an einer geheimen Stelle ein Zeitloch öffnen soll. Es soll in eine Spiegelwelt führen, in der Kaiser Karl der Große über ein Volk aus Bauern, Rittern, Zwergen und Adeligen herrschen soll. Aber das ist nur eine Sage, ein Märchen. Bisher hat noch niemand dieses Zeitloch gefunden.“

      „Diesen Blödsinn hab ich in meinem Reiseführer auch gelesen. Da stand aber auch, dass der Dalai Lama diesen Berg als Herz-Chakra Europas bezeichnet und in eine Reihe mit Stonehenge, dem Bermudas Dreieck und auch dem Himalaja in Nepal stellt. Der Dalai Lama sagt diese Kraftorte seien alle miteinander verbunden. So und ich denke nicht, dass der Dalai Lama Quatsch erzählt“, wollte Magdalena aufgeregt wissen.

      „Mag ja alles sein. Aber es gibt keinerlei Beweise für irgendetwas. Das kann ich ihnen versichern. Sie werden Ihre Wanderung genießen und Geister werden sie bestimmt nicht zu Gesicht bekommen. Wann soll es denn losgehen?“ grinste der Concierge.

      „Sepp wird morgen um 8 Uhr hier sein und jetzt sollten wir unsere Ausrüstung checken und falls notwendig ergänzen“, mischte sich jetzt Jacob ein.

      „Na gut. Ich wette, Sepp wird uns noch die eine oder andere Geschichte erzählen können“, lachte Magdalena, drehte sich um und ging auf den Fahrstuhl zu. Jacob nickte dem Concierge kurz zu und folgte seiner Frau. Im Hotel wimmelte es in der Zwischenzeit vor Sicherheitsleuten und Polizei, die alle zum Schutze des Papstes da waren.

      Im Fahrstuhl fragte Jacob: „Was war denn das eben? Musste das sein?“

      „Was denn?“ grinste Magdalena verschmitzt.

      „Du bist den jungen Mann ja ganz schön angegangen. Der weiß so gut wie du und ich, dass diese Geschichten Quatsch sind. Und ich mag davon auch nichts mehr hören, gut?“ erklärte Jacob fordernd.

      „Ich weiß ja, dass das alles nur Märchen oder Sagen sind. Aber es macht mir Spaß den Aberglauben der Menschen heraus zu kitzeln. Deswegen werde ich morgen Sepp auch fragen, was er weiß“, lachte Magdalena fröhlich.

      „Aber treib es nicht zu bunt“, erwiderte Jacob resignierend.

      In ihrem Zimmer überprüften sie ihre Ausrüstung und packten alles zusammen in ihre großen Rucksäcke.

      „Spatzl, was meinst du, sollten wir uns nicht doch sicherheitshalber ein Zelt kaufen? Wer weiß wo der Sepp uns hin führt“, fragte Jacob nachdenklich.

      „Ja, vielleicht finde ich auch einen besseren Schlafsack, meiner ist an einigen Stellen gerissen“, überlegte Magdalena.

      „Gut, komm wir gehen in das Sportgeschäft um die Ecke und kaufen die Sachen. Vielleicht gibt es auch noch das eine oder andere, das sinnvoll für uns ist. Ein vernünftiger Kompass und Höhenmesser, wäre auch nicht schlecht“, antwortete Jacob und machte sich sofort fertig.

      Wenig später, sie hatten sich durch die Sicherheitskontrollen im Hotel und in der Stadt wegen des Papstbesuchs durchgekämpft, waren beide in dem Sportgeschäft angelangt. Jacob winkte einen Verkäufer herbei und erklärte ihm was sie alles suchten. Der Verkäufer zeigte Magdalena und Jacob ein Zelt, das einfach aufzustellen und sehr leicht war. Magdalena fand einen neuen Schlafsack. Der Verkäufer zeigte dem Ehepaar auch sinnvolle neue Features für ihre Wanderung. Jacob nahm den gewünschten elektronischen Kompass mit Höhenmesser und ließ sich davon überzeugen auch noch zusätzlich zwei GPS-Sender für eine schnelle Ortung durch die Bergwacht im Notfall zu kaufen.

      In der Zwischenzeit hatte sich die Anzahl der Sicherheitsleute und der Polizei vor und um das Hotel verdoppelt. Sie mussten mehrfach ihre Ausweise vorzeigen und es wurde auch der Inhalt ihrer Taschen kontrolliert. Endlich zurück in ihrem Hotelzimmer verstauten sie alles in ihren Rucksäcken. Die GPS-Sender packte Jacob in die Wanderhosen.

      „So ich denk, wir sollten uns jetzt noch ausruhen oder wenn du magst zum Hotelpool gehen. Was meinst du?“ schlug Jacob vor.

      „Gute Idee, wenn wir dahin kommen. Die Sicherheitsleute sind ja überall. Baden und auch mal kurz in die Sauna und das Dampfbad, dann sind wir morgen so fit wie ein ausgelatschter Turnschuh“, lachte Magdalena laut. „Nachdem das Mittagessen ausgefallen ist, würde ich vorschlagen hier im Hotel eine Kleinigkeit zu essen.“

      Jacob nickte lächelnd. Eine halbe Stunde später lagen beide relaxt auf ihren Liegen am Pool. Sie ließen es sich richtig gut gehen, hatten jeweils einen alkoholfreien Fruchtcocktail vor sich stehen und waren total entspannt.

      Als Jacob vom Dachgeschoss runter vor das Hotel schaute, konnte er sehen, dass vor und im Hotel in der Zwischenzeit der Teufel los war. Neben den Sicherheitsleuten und der Polizei waren jede Menge Journalisten und jetzt auch sehr viele Menschen, gelb-weiße Fähnchen schwenkend, auf der Straße und dem Hotelvorplatz. Wenig später fuhr eine große schwere Limousine, begleitet von Polizei auf Motorrädern und dem Jubel der Menschen vor dem Hotel vor.

      Unter wildem Blitzlichtgewitter, stieg der emeritierte Papst Benedikt XVI. aus der Limousine und winkte den Menschen zu. Eine Blaskapelle spielte und plötzlich war der Papst aus Jacobs Sichtfeld verschwunden. Das Blitzlichtgewitter und der Jubel der Menschen hielten jedoch an.

      „Schatz, der Papst ist angekommen“, lächelte Jacob.

      Magdalena nickte nur beiläufig und las in ihrem Buch weiter.

      Gegen 19 Uhr gingen beide, Arm in Arm, aufs Zimmer, um sich für das Abendessen fertig zu machen. Im Hotel waren die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärft worden und sie hatten Probleme bis zu ihrer Suite zu gelangen. Als sie endlich ankamen, stellten sie fest, dass der Papst wohl auf dem gleichen Stockwerk einquartiert war und die Sicherheitsleute extrem argwöhnisch zu ihnen blickten.

      „Diese Sicherheitsvorkehrungen sind heftig, aber egal, nicht unser Problem. Auf geht es, anziehen und zum Essen gehen. Heute gibt es aber keinen Alkohol“, mahnte Magdalena und Jacob nickte zustimmend.

      Um 20 Uhr saßen sie an ihrem Tisch in Hotelrestaurant und aßen. Im Restaurant waren nur sehr wenige Besucher, wohl weil sich viele Hotelgäste von den Sicherheitsmaßnahmen hatten abschrecken lassen. Umso schneller hatten beide ihr Essen vor sich stehen und aßen mit großem Appetit.

      Sie bemerkten auch jetzt nicht, dass sich die alte Frau, die sie bereits am Tag ihrer Ankunft beim Essen trafen, auf sie zu bewegte. Erst als sie wieder direkt neben Magdalena stand. Jacob und Magdalena zuckten vor Schreck zusammen.

      „Hütet euch vor dem Berg. Geht nicht auf den Berg. Ihr seid in großer Gefahr“, sagte die Frau eindringlich.

      „Wie kommen sie hierher, wer sind sie und was wollen sie von uns?“ fragte Jacob erschrocken.

      „Ich bin die Moserin von der Vierkaser-Alm. Ich will euch nur warnen. Seid vorsichtig. Wenn ihr auf den Berg geht wird nichts mehr so sein wie es bisher war“, sagte die Frau lächelnd und bewegte sich vom Tisch weg. Jacob sah sich sofort um, sah aber die alte Frau nicht mehr. Sie hatte sich wie in Luft aufgelöst.

      „Hab ich das gerade geträumt?“ wollte Jacob wissen.

      „Wenn du geträumt hast, hab ich das gleiche geträumt. Nein, das war real. Sie warnt uns vor dem Berg“, entgegnete Magdalena nachdenklich.

      „Ist das nicht die gleiche alte Frau, die uns schon einmal über den Weg gelaufen ist?“ fragte Jacob.

      Magdalena nickte nur nachdenklich.

      „Also habe ich nicht geträumt. Die war schon mal an unserem Tisch, an unserem Ankunftstag. Das ist bestimmt eine arme alte einsame Frau, die uns erschrecken will“, erwiderte Jacob, „sie sagte doch, sie ist die Moserin von der Vierkaser-Alm. Wie die wohl an den Sicherheitsleuten vorbei gekommen ist?“

      „Ja, so etwas hab ich auch verstanden“,