Stephane Rambicourt

Der vertrocknete Walser Birnbaum und die Erben


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ich haben Ahnenforschung betrieben. Die Stammbäume unserer beiden Familien, alle aus dem elsässischen Wasgau, lassen sich bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Die erste nachweisbare Erwähnung unserer Vorfahren erfolgte, als unsere beiden Urahnen von Kaiser Karl dem Großen zu Rittern geschlagen und adelig wurden. Und von dieser alten Frau, der Moserin, glaube ich, hab ich vor ein paar Tagen geträumt oder wie auch immer. Da sagte sie etwas in der Art, der Kaiser wird uns holen und dass nichts mehr so sein würde wie es bisher war. Außerdem soll es kein Zufall sein, dass wir jetzt hier sind und wir den Berg meiden sollen. Und von einer Vorbestimmung hat sie was gesagt. Was auch immer das bedeuten soll“, erzählte Magdalena nachdenklich und schaute dabei zu Jacob, der sichtlich schockiert war.

      „Schatz? Warum sagst du mir das nicht?“ fragte Jacob nervös, „aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich den gleichen Traum. Außerdem ist diese Alte uns schon einmal an unserem Ankunftstag in dem Weinlokal begegnet. Sie sagte immer wir sollen nicht auf den Berg gehen.“

      „Ich glaube es wäre besser sofort die Tour abzubrechen oder eine ganz andere Richtung zu nehmen“, schlug Sepp Haderer plötzlich, nach einigen Minuten des Nachdenkens, vor, „ich denk, dass es sehr gefährlich für euch beide werden könnte.“

      „Hallo? Das sind doch nur Märchen. Wir leben doch im 21. Jahrhundert und wissen, dass es so was nicht gibt. Ich möchte gerne die Tour weiter wie geplant machen“, schimpfte Jacob.

      „Ich bin Jacobs Meinung. Das sind doch alles nur Märchen und Zufälle“, erklärte Magdalena etwas unsicher.

      „Hört zu, das hab ich selbst erlebt“, begann Sepp Haderer, „vor ein paar Jahren war ich in der Nähe von Obergern in einer Kirche zur Christmette. Ihr müsst wissen, am Untersberg kennt jeder jeden und es gibt weit über 10 Kirchen. Bei dieser Christmette habe ich aber keinen einzigen Gottesdienstbesucher erkannt. Sie sahen auch allesamt so aus, als ob sie aus einer anderen Welt stammten. Sogar der Pfarrer war mir gänzlich unbekannt. Und so etwas ist nicht nur mir passiert. Auch anderen Bekannten ist ähnliches passiert. Man sagt, das Volk der Untersbergler taucht manchmal im Hier und Jetzt auf und verschwindet aber auch wieder spurlos. Selbst am Tag nach der Christmette bei der ich war, gab es keinerlei Hinweise darauf, dass diese Christmette stattgefunden hat. Also Märchen hin oder her. Auf dem Untersberg ist es anders als normal.“

      „Sepp, wir glauben nicht an so einen paranormalen Quatsch. Wir möchten gerne unsere Wanderung so machen, wie du sie geplant hast“, erklärte jetzt Jacob sehr bestimmt.

      „Ja Sepp, wir möchten gerne wie geplant die Wandertour durchführen“, erwiderte nun auch Magdalena bestimmt.

      „Aber heute ist doch der 15. August“, flüsterte Sepp nachdenklich, „wenn ihr unbedingt wollt, gehen wir weiter. Ich hab euch nur meine Bedenken gesagt, weil das jetzt nicht mehr ungefährlich ist in den Berg zu gehen. Ich bin überzeugt, nachdem was ihr erzählt habt, dass euch etwas passieren könnte.“

      „Gut. Unterwegs kannst du uns ja noch so Geschichten erzählen“, lachte Magdalena, stand auf und legte ihren Rucksack an. Auch Jacob und Sepp schulterten ihre Rucksäcke und marschierten los.

      Sie wanderten an einem schönen türkisfarbenen Bergbach entlang, der seine feuchte, erfrischende Kühle bis zu der kleinen Wandergruppe ausstrahlte.

      „Wunderschön ist es hier“, unterbrach Magdalena die nachdenkliche Stille.

      „Jo, dös Wasser kannst trinkn, so sauber ist dös“, grinste Sepp Haderer.

      „Das probier ich sofort“, freute sich Magdalena und ging sofort zu dem Bach. Mit einer Hand tauchte sie in das Wasser, „herrlich frisch, eiskalt und klar.“

      Nun tauchte sie beide Hände in das kalte Wasser und wusch sich ihr verschwitztes Gesicht ab.

      „Schatz komm, das Wasser ist total erfrischend“, rief Magdalena fröhlich.

      Jacob legte seinen Rucksack ab und ging zu seiner lachenden Frau. Übermütig begann Magdalena nun ihren Mann mit dem frischen Wasser nass zu spritzen. Jacob versuchte sich weg zu ducken, bekam aber so die volle Ladung seiner Frau ab. Jetzt bespritzten beide sich ausgelassen mit dem Wasser des Bergbaches und hatten dabei sehr viel Spaß. Sepp schaute den beiden grinsend zu.

      „Mia miassen weiter gehen“, rief Sepp nach einer Weile. Jacob und Magdalena küssten sich und gingen kichernd wieder zurück auf den Wanderweg.

      „Schauts mal“, erklärte Sepp dem Ehepaar, „da vorne, der Gipfel, das ist der Gschirrkopf vom Untersberg. Über den miess ma heit no drüber. Im Tal danach ist dann eier Lager.“

      „Sepp, schaffen wir das heute noch?“ fragte Jacob erstaunt.

      „Jo, kannt sei, dass es scho leicht dunkel wird, bis mia dort san. Aber dös schaffn mia guat, wann ma uns jetzt dran halten“, antwortete Sepp Haderer der Wanderführer.

      Mit strammem Schritt ging Sepp voraus und Jacob und Magdalena folgten ihm.

      Sie durchquerten Felder und Wälder, bis sie zu einem sehr steilen Anstieg kamen.

      „Guat, woll ma no a kloane Jausn machen, bevor mir in den Berg gehen?“ fragte Sepp.

      „Ja das ist eine gute Idee, aber all zu viel Zeit sollten wir uns nicht lassen“, antwortete Magdalena.

      Sie suchten sich eine geeignete Stelle um ihre Rast zu machen.

      „Sag mal Sepp, du kennst doch bestimmt noch mehr von den Schauergeschichten um den Untersberg?“ fragte Magdalena grinsend, als sich alle hingesetzt hatten.

      „Sicher“, brummte Sepp Haderer missmutig.

      „Komm, erzähl doch mal“, bohrte Magdalena nach.

      „Schatz, lass das doch bitte. Das bringt doch alles nix“, schimpfte Jacob.

      Sepp schaute skeptisch zu Magdalena.

      „Du bist neigierig? Guat. Es giabt do wirkli gruslige Gschichtn, a Mär wie ols andre a. Es geht um a ganze Hochzeitsgsellschaft, die verschwundn sei soll. Aufm Weg zuam Fescht miasaten die Brautleit und die Gäscht üwern Unterschberg. In der Gegend wo dia her warn, hot ma sich verzählt, dass Geister Wanderer reich bschenken. Dr Bräutigam ruaft noch die Geischter und wirkli, dr Berg geht auf und a kloaner, grau anzogener Mann hat die ganze Gschellschaft in den Berg einglodn. Durt war a gedeckte Tafel und die solln guat gfeiert habn und san nocher a eigschlofn. Tags drauf is der Berggeischt mit die Gäscht ausm Berg ausa gangen. Dia Leit ham ower dia Gegend nimmer kannt und a die Menschn warn fremd. Sie san ins nächschte Dorf gangen und ham den Pfarrer um Hilf gebeten. Der hot gholfn und es kam raus, dass fünfhundert Johr vorher a Brautpaar mit all seine Gäscht spurlos verschwundn is“, erzählte Sepp nachdenklich.

      „Das ist ein Märchen“, lachte Magdalena laut, „wie soll denn so was gehen.“

      „I hab euch doch gsagt, hier am Berg ist nix normal. Kannt sei oder a net“, erwiderte Sepp.

      „So jetzt ist es aber genug mit diesen Schauergeschichten. Ich will davon nichts mehr hören und du Magdalena hör auf damit Sepp zu nerven“, entgegnete Jacob ärgerlich, „ich denk wir sollten auch wieder weiter gehen.“

      „Schatz ist ja gut. Ich hör auf nachzubohren“, grinste Magdalena und begann ihren Rucksack auf den Rücken zu wuchten.

      „I dat moana, mia solltn uns jetzt durch a Seil sichern. Unser Weg geht erscht steil, dann über oan olden Pfad an der Bergkante entlang. Dös isch sehr gfährlich und ma derf net stolpern oder so“, sagte Sepp und holte aus seinem Rucksack Sicherungsgurte und ein Sicherungsseil heraus. Sepp, Jacob und Magdalena legten die Sicherungsgurte an, Sepp verband die Wandergruppe mit dem Sicherungsseil und ging voran. Erst Sepp, dann Magdalena und am Ende Jacob.

      Nach wenigen Minuten erreichten sie einen sehr schmalen, steil ansteigenden Pfad. Der Weg war wie in den Fels gehauen. Auf der einen Seite des knapp 1 Meter breiten Pfades befand sich die massive feuchte Felswand, während es auf der anderen Seite steil in die Tiefe ging.

      „Wow, dieser Weg ist ja klasse“, schwärmte Magdalena lachend.