Ernesto J. G. Potthoff

Geschichten rund um das Segelschulschiff A. R. A. LIBERTAD


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Schiff verdrängte 2.733 Tonnen, war 85,50 Meter lang, 13,32 Meter breit und hatte eine Seitenhöhe von 7,55 Metern. Der mittlere Tiefgang betrug 5,47 Meter. Der Großmast maß vom Kiel 54,30 Meter. Das Schiff konnte 21 Segel und zusätzliche Lee-Segel setzen mit einer Gesamtfläche von 2.787 Quadratmetern. Eine Dreifach-Expansionsmaschine mit vier Kesseln leistete 1.368 kW (1.800 PS) und verlieh dem Schiff eine Geschwindigkeit von 13 Knoten. Die Fregatte war zu Übungszwecken mit Schnellfeuer-Geschützen und Torpedorohren bestückt, die Mannschaft bestand aus 31 Offizieren, 40 Kadetten und 275 Mann Stammcrew.

      Die erste große Reise des Windjammers begann am 11. Januar 1899 unter dem Kommando von Fregattenkapitän Onofre Betbeder und führte um die ganze Welt. Nach zurückgelegten 49.000 Seemeilen lief das Schiff am 30. September 1900 nach fast zwei Jahren mit seinen 43 Seekadetten an Bord wieder in den Heimathafen Buenos Aires ein. Bis Dezember 1938 machte das damals berühmteste Schiff der argentinischen Flotte 37 große Reisen, auf denen mehr als 1.500 Kadetten ihre seemännische Ausbildung erhielten.

      Kaiser, Könige und Staatsoberhäupter aus aller Welt, waren im Laufe der Zeit an Bord des Dreimasters zu Gast gewesen. Unter anderen Kaiser Wilhelm II. in Kiel, der russische Zar Nikolaus II. in Kronstadt und der deutsche Bundespräsident Dr. Friedrich Ebert in Hamburg. Die PRESISENTE SARMIENTO zeigte ebenso bei den Krönungsfeierlichkeiten für die britischen Könige Eduard VII. und Georg V., bei der Einführung der Präsidenten von den U.S.A., Chile und Mexiko, sowie bei der Eröffnung des Panama-Kanals im August 1914 die Flagge.

      Eigentlich sollte die PRESIDENTE SARMIENTO schon 1938 von dem in England im Bau befindlichen Kreuzer „LA ARGENTINIA“ als Schulschiff abgelöst werden. Aber die internationale Lage, die später auch zum Ausbruch des II. Weltkrieges führen sollte, sowie auch die Beschleunigung des britischen Aufrüstungsprogramms, verzögerten die Fertigstellung des Kreuzers, so dass die PRESIDENTE SARMIENTO eine weitere und letzte Fahrt antreten musste.

      Diese begann am 18. April 1938. Das Schulschiff war in den Häfen von Santos (Brasilien), San Juan (Puerto Rico), Cartagena (Kolumbien), Cristobal (Panama), New Orleans (USA), Havanna (Kuba), Charleston (USA), Hamilton (Bermudas), Ponta Delgada (Azoren), Bordeaux (Frankreich), Lissabon (Portugal), Casablanca (Marokko), Santa Cruz (Teneriffa), Dakar (Senegal) und Cabo Frio (Brasilien) ein gern gesehener Gast. Planmäßig kam das Schiff am 10. November 1938 in den Heimathafen von La Plata zurück.

      Auf dieser Reise ereigneten sich – neben den üblichen Abstechern der Offiziere und Kadetten nach Washington und Paris – einige bemerkenswerte Vorgänge: als die PRESIDENTE SARMIENTO in Santos lag, lief das Fahrgastschiff „CAP ARKONA“ der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrt Gesellschaft in diesen Hafen ein. An Bord des deutschen Dampfers reiste de ehemalige argentinische Präsident General Augustin. P. Justo (1932-1938) in Begleitung des argentinischen Botschafters in Dänemark. Als der Kapitän der „PESIDENTE SARMIENTO“ von den prominenten Passagieren erfuhr, lud er sie zu einem Besuch auf der Fregatte ein, wo sie als Ehrengäste empfangen wurden.

      Bedauerlicherweise, aber doch im Rahmen der Möglichkeiten der Geschehnisse auf einer solchen Reise, erwiesen sich vier Todesfälle an Bord, von denen der vierte mit einem historischen Treffen in Verbindung kam.

      Wie es im Bericht über die 37. Ausbildungsreise der PRESIDENTE SARMIENTO steht, ertrank beim Baden am Strand von Marbella in Cartagena (Kolumbien) ein Matrose. Trotz sofortigem Einsatz von Schnellbooten und Flugzeugen, konnte sein Körper nicht geborgen werden. Am nächsten Tag dieses tragischen Unfalls, verstarb plötzlich ein Gefreiter an Herzversagen. Dieser wurde auf dem lokalen Friedhof beigesetzt. Alle Feierlichkeiten die in diesem Hafen vorgesehen waren, fielen aus, und das Schiff stach am 9. Juni wieder in See.

      Ein weiterer Todesfall ereignete sich drei Monate später, als das Schiff nach seinem Aufenthalt in Lissabon nach Casablanca segelte, 44 Meilen vor der Küste Portugals, bei einer Windstärke von 12 m/s aus nördlicher Richtung, stürzte ein Matrose vom Vor-Royalrah (Fockmast) in die See. Bei einem Seegang der Stufe 4 (2 - 4 m hohe Wellen) verliefen alle Versuche ihn zu retten vergebens.

      Kurz vor der Ankunft am Rio de la Plata, verstarb nach einer Erkrankung ein Obergefreiter, dessen Leichnam auf dem Aviso A. R. A. „FULTON“ übersetzt wurde. An demselben Tag (5. November 1938) sichtete die PRESIDENTE SARMIENTO das Geschwader des britischen Kommodoren Henry H. Harwood, bestehend aus den Kreuzern „EXETER“, „AJAX“ und „ACHILLES“. Das argentinische Schulschiff begrüßte die Admiralitätsflagge mit Salutschüssen, die von den Briten erwidert wurden.

      Keiner konnte es damals ahnen, dass dieses Geschwader ein Jahr später das Schicksal des Panzerschiffes ADMIRAL GRAF SPEE bei der Seeschlacht vor Punta del Este (Uruguay) bestimmen würde.

      Nach dieser letzten Ausbildungsreise, bei der die PRESIDENTE SARMIENTO 19.183 Seemeilen zurückgelegt hatte, lief das Schiff noch einmal aus, um bis zum 7. Dezember 1938 mit weiteren 799 Seemeilen auf den Flüssen Parana und Uruguay, die wichtigsten Binnenhäfen Argentiniens anzulaufen.

      Dies war praktisch der Abschied des glorreichen Schulschiffes, das von 1939 an nur noch kleinere Reisen unternahm, bis es am 18. Juni 1962 aus dem aktiven Marinedienst genommen und unter Denkmalschutz gestellt wurde. Seit 1964 liegt das einstige Schulschiff als Staats- und Kulturdenkmal im Hafen von Buenos Aires. So endete fürs erste, die Ära der Windjammer als Schulschiffe der argentinischen Marine

      Der Kreuzer LA ARGENTINA übernahm während des Zweiten Weltkrieges und darüber hinaus, diese Aufgabe, bis schließlich die LIBERTAD in Dienst gestellt wurde und die Offiziersanwärter ihre Ausbildung wieder auf einem Segelschiff vollenden konnten.

      Die Entstehung der LIBERTAD

      Die Existenz eines Schiffes ähnelt irgendwie der eines lebenden Wesens. Es wird durch ein technisches Team konzipiert, nach einer monatelangen Bauperiode zu Wasser gelassen, ausgerüstet, getauft und schließlich in Dienst gestellt.

      Als Neubau verhält sich das Schiff, mit seiner Antriebsanlage und moderner Ausstattung, wie eine prächtige Einheit, die allen Gefahren auf See gewachsen ist. Im Laufe der Jahre veraltet das Schiff, und es treten immer mehr Mängel auf, bis es schließlich auf dem Schrottplatz endet. Schiffe, die Havarien erleiden, kommen ins Trockendock zur Reparatur, einige werden umgebaut, um anderen Zwecken zu dienen. Selbstverständlich enden auch etliche Schiffe auf dem Meeresboden infolge eines schweren Unfalles, einer feindlichen Einwirkung oder durch Naturgewalt.

      Die Geschichte, über die ich berichten möchte, bezieht sich auf ein eigenartiges Schiff, das nach einer ungewöhnlich langer Bauzeit schon viele Jahre die Weltmeere befahren hat und hoffentlich noch lange weiter die Welt umschiffen wird.

      Aber bevor ein Schiff entsteht, muss eine geeignete Werft vorhanden sein, auf der der Rumpf gebaut wird, und nach dem Stapellauf die Ausrüstungsperiode am Kai beginnen kann. Bis zu Mitte der neunzehnhundertdreißiger Jahre ließ die argentinische Marine ihre Schiffe im Ausland bauen. Gerade befanden sich der Kreuzer LA ARGENTINA und die Zerstörer vom Typ „ENTRE RIOS“ außerhalb Argentiniens in Auftrag, als sich der damalige Marineminister, Konteradmiral Eleazar Videla, entschloss, die bestehenden hiesigen Schiffsbauanlagen zu diesem Zweck in Anspruch zu nehmen. In dieser Hinsicht eigneten sich am besten, neben den Trockendocks des Flottenstützpunktes Puerto Belgrano, die allgemeinen Werkstätten beim Marinestützpunkt von Rio Santiago, die später den Ursprung für die große Schiffswerft „Rio Santiago“ bilden würden.

      In diesen Werkstätten, die als logistischer Rückhalt der zur Verteidigung des Rio de la Plata bestimmten Schiffe galten, wurden die ersten auf argentinischem Boden gebauten 450-t-Minensuchboote hergestellt. Die Verantwortung für dieses Unternehmen hatte der damalige Kapitän und Schiffsbauingenieur Edmundo Manera, dessen erfolgreiche Karriere hierdurch erst recht gefördert wurde.

      Wie gesagt, mündeten später diese Anlagen in den ansehnlichen Schiffsbaukomplex AFNE (Astilleros y Fabricas Navales del Estado) dessen wichtigste Bestandteil die Werft Rio Santiago war, auf welcher nicht nur Marineeinheiten sondern auch Handelsschiffe gebaut wurden.

      AFNE wurde offiziell 1953 als staatliches