Gina Garcia-Hesse

Used to be a Goddess


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Nemas Überraschung öffnete ein unglaublich heiss aussehender Onkel die Türe, der ihr direkt in die Augen sah. Er grinste leicht und sah dann zu Amelia. «Du musst wohl Amelia sein, komm rein.»

      Danach blickte er zu Nema. «Ähm, ich bin Lucio. Wollen sie ebenfalls kurz rein kommen?»

      Nema gelang ein schwaches Nicken und sie schalt sich innerlich. Normalerweise brachte sie kein Typ so schnell aus der Fassung und es verschlug ihr ganz bestimmt niemals die Sprache. Reiss dich zusammen, dachte sie und folgte Amelia ins Haus. Der Typ konnte nicht viel älter als sie sein und schien sich seiner Wirkung auf Nema absolut bewusst, denn sein Grinsen verwandelte sich in ein kleines Lachen.

      «Ich bin Nema», sagte sie schliesslich mit sicherer Stimme und streckte ihm zur Begrüssung die Hand hin. Lucio nahm sie ohne zu zögern und diese kurze Berührung schien ihr Herz schneller schlagen zu lassen. Was war los mit ihr? Lucio runzelte leicht die Brauen und sah sie mit einem wissenden Blick an. Offensichtlich hatte dieser kurze Kontakt auch in ihm eine unerwünschte Reaktion ausgelöst. Er räusperte sich. «Spezieller Name, aber er gefällt mir. Willst du etwas trinken?», bot er freundlich an.

      «Nein, danke. Ich bin ausschliesslich hier um mir einen detaillierten Überblick über die Lage zu verschaffen und ich sehe, dass Amelia hier in keiner Weise in Gefahr ist. Ich denke, ich gehe dann wieder. Falls was ist, hier, meine Nummer», sagte sie mit kühler Stimme und gab ihm einen Zettel mit ihrer Handynummer drauf. Amelia und Lucio sahen sie beide etwas schräg an und sie merkte, dass dies wohl nicht die passenden Worte waren, die man dem sexy Onkel einer Freundin der Tochter sagte, der sich grosszügig als Babysitter für den Abend angeboten hatte. Nun ja, daran liess sich jetzt nichts mehr ändern.

      «Na dann, ähm, danke für dein Vertrauen. Einen schönen Abend wünsche ich dir.» Nema nickte, küsste ihre Tochter auf die Stirn und verliess das Haus. Mit hochrotem Kopf lief sie zum Auto, wo sie Aidas offenen Mund bereits aus mehreren Metern Entfernung sehen konnte. Am liebsten wäre sie gar nicht eingestiegen.

      «Na so was! Sag mir nicht dieser bombastisch aussehende Onkel hat dein kaltes Herz in wenigen Minuten zum auftauen gebracht?», lachte sie und versuchte ihr Interesse gar nicht erst zu verbergen.

      «Nicht wirklich. Er interessiert mich in keiner Weise», antwortete Nema mit noch immer leichtem Herzrasen.

      «Ach so. Dann darf ich wohl Amelia in drei Stunden bei Onkel atemberaubend abholen?»

      «Nenn ihn nicht so!», sagte Nema lachend, «und von mir aus, tu was du nicht lassen kannst.»

      «Also hör mal Schwester», meinte Aida kichernd, «du brauchst nur zu sagen, dass er deiner ist und ich lasse die Finger von ihm. Versprochen.»

      «Vielleicht würde es mir schon gut tun, wieder einmal ein wenig Spass zu haben, aber ich denke, er ist nicht der Richtige dafür», sagte sie und wusste nicht, wen sie damit überzeugen wollte, sich selbst oder Aida. Aida schien ihr jedenfalls kein Wort zu glauben.

      Sie wechselten das Thema und nach wenigen Minuten redeten sie über alte Zeiten und Feste. Aida, deren wirklicher Name Aidos war, gehörte wie Nema zu den wenigen Personen, die seit langem aufgehört hatten zu altern. Die beiden wurden, genau wie viele Andere ihres Stammes, in der Antike für griechische Göttinnen gehalten. Sie waren Nemesis, die Göttin des gerechten Zornes und Aidos, die Göttin der Scham, die gemeinsam für Gerechtigkeit sorgten. Nichts und niemand konnte sich ihnen während sehr langer Zeit in den Weg stellen und sie waren unzertrennlich, seit sie kleine Mädchen waren. Damals war alles einfacher gewesen, denn die Menschen wussten um ihre Langlebigkeit und achteten sie deshalb umso mehr. Heute würden sie wohl eher wie Insekten unter dem Mikroskop eines wissensgierigen Wissenschaftlers landen, weshalb sie alle paar Jahre einen Ortswechsel vorzogen und ihr Geheimnis strengstens bewahrten. Die Menschen hatten gelernt das zu fürchten, was was sich von ihnen unterschied. Toleranz war nur ein Begriff für eine Einstellung, von der die meisten Menschen dachten, sie besässen sie. Dabei ging oft vergessen, dass viele nur dem gegenüber tolerant waren, das sie kannten. Es war in der heutigen Gesellschaft hoch angesehen, sich unvoreingenommen zu präsentieren und das war auch gut so. Noch immer hatte die Menschheit einen langen Weg vor sich, um der Bedeutung dieses Begriffs würdig zu werden.

      Würden sie und Aida sich heute der Welt offenbaren, würden die Menschen ihnen garantiert nicht offen und freundlich gegenübertreten und das, obwohl sie schon so lange unter ihnen lebten. Sie würden sie fürchten und vielleicht auch beneiden. Das war etwas, was ihr lieber erspart blieb.

      «Hast du eigentlich wieder einmal versucht, Kontakt zu deiner Mutter aufzunehmen?», fragte Nema nach einer Weile. Aida schüttelte leicht traurig den Kopf.

      Aidas Mutter war nicht gerade Mutter des Jahres und hatte ihre Tochter öfters ausgenutzt, als Zeit mit ihr verbracht. Wann immer sie in der Klemme steckte, meldete sie sich. Es gab nicht mehr allzu viele von ihrem Stamm und die wenigen Überlebenden hielten sich gut versteckt. Ab und zu trafen sie auf Ihresgleichen und dann war es immer ein fröhliches, jedoch kurzes, Wiedersehen. Es war nicht sicher für sie, wenn sie in zu grossen Gruppen zusammenlebten. Dennoch fragte sie sich manchmal, wie sich ihr Stamm von geliebten und angebeteten Gottheiten zu im Versteckten lebenden Einsiedlern verwandeln konnten. Es war so unsagbar viel Zeit vergangen.

      Aida holte sie aus ihren Gedanken. «Ich lasse die Vergangenheit ruhen. Sie wird sich nie ändern.» Sie holte einmal tief Atem und senkte den Kopf. «Ich glaube, das ist das Schwierige dran, wenn man so ist wie wir. Es gibt einfach zu verdammt viel Zeit, um sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und sich damit unbewusst die Zukunft zu verbauen.»

      Daran war definitiv etwas dran. Aus diesem Grund wollten sie immer in Bewegung bleiben.

      «Es ist eine dunkle Versuchung, die tag täglich nach uns ruft und uns dazu verführt, uns in ihr zu verlieren. Wenn wir nicht aufpassen, vergessen wir, dass die Zukunft wichtiger als die Vergangenheit ist. Von der Zukunft hängt unser Glück ab.» Sie sah Nema an, die den Blick in die Ferne gerichtet hatte. Ihre Freundin hatte ja so etwas von recht. An Aidas Blick konnte sie erkennen, dass sie wusste, dass auch Nema noch immer mit den Geistern ihrer Vergangenheit zu kämpfen hatte.

      «Zukunft hin oder her, mir würde es schon reichen, in Ruhe in der Gegenwart leben zu können», schnaubte sie. Ihre Freundin verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. «Diesen Gedanken solltest du wirklich in die Tat umsetzen.»

      Die paar Stunden gingen schnell vorüber und es wurde Zeit, Amelia abzuholen. Aida fragte Nema noch einmal: «Ganz sicher, dass du nicht mitkommen willst?»

      «Absolut.»

      Und so machte sich ihre Freundin auf, den Parkplatz zu überqueren und ihre Nichte abzuholen.

      Die Tür öffnete sich und Aidos war bereit, um dem attraktiven Onkel von Sarah zur Begrüssung die Hand hinzuhalten. Statt ihrer Wunschperson öffnete die kleine Sarah die Türe. Sie war so verwirrt, dass sie den scharfen Unterton ihrer Fragen nicht zurückhalten konnte.

      «Was ist los? Wo ist Amelia?»

      Alarmiert und sofort auf der Hut schob sich Aida an Sarah vorbei und stiess beinahe gegen deren Onkel, der sofort um die Ecke geeilt kam.

      «Oh», rutschte es ihr über die Lippen.

      «Tut mir leid, ich dachte etwas wäre passiert und ich wollte nur nach dem Rechten sehen.» Während sie das sagte, wäre sie am liebsten im Erdboden versunken. Nachdem sie mitbekommen hat, dass Nema sich eben schon ziemlich komisch angestellt hatte, wollte wenigstens sie einen guten Eindruck hinterlassen. Dafür war es jetzt wohl definitiv zu spät. Aber hey, vielleicht mochte er ja Frauen, die ein wenig verrückt waren.

      «Und sie sind?», fragte Lucio.

      «Ach, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Aida, Amelias - »

      «Tante», beendete Amelia, die nun ebenfalls um die Ecke gerannt kam, den Satz für sie. Die ganze Situation schien mit jeder Sekunde unangenehmer zu werden. Nema behauptete immer, die Zeit würde so schnell umgehen, dass man es gar nicht merkte. Nun, jetzt gerade schienen die Sekunden nicht zu verstreichen zu wollen. Sie räusperte sich, blickte kurz zu Amelia und nickte ihr zur Begrüssung