Gina Garcia-Hesse

Used to be a Goddess


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ich weiss», antwortete Aida und schenkte ihm ihr unwiderstehliches Lächeln, bei dem normalerweise jeder Mann in wenigen Sekunden schwach wurde. Bei ihm schien das nicht wirklich zu funktionieren. Komisch.

      «Ich nehme an, Nema wartet dann im Auto. Hattet ihr Probleme mit dem Motor oder so?»

      Aida sah ihn verwirrt an. Was für eine merkwürdige Frage. Wenn sie gedacht hatte, sie und Nema wären die einzigen schrägen Personen hier, dann wurde sie wohl gerade eines Besseren belehrt.

      «Probleme mit dem Motor? Nein. Wieso?»

      «Na weil du und Nema die ganzen Stunden in meiner Einfahrt gewartet habt.»

      Anstatt peinlich berührt zu sein, wurde Aida misstrauisch, kniff die Augen zusammen und fauchte ihn an. «Was bist du? Detektiv oder so?» War er eine Gefahr für sie? Aida überkam plötzlich das ungute Gefühl, dass man ihm nicht trauen konnte. Sie und Nema hatten das einzige Fenster des Hauses stets im Blick gehabt, durch das er sie hätte sehen können und sie war sich sicher, dass er an diesem Fenster nicht vorbeigelaufen war. Hinzu kam das besorgniserregende Prickeln, das sich auf ihrem Rücken ausbreitete. Sie wusste, dass sie es wegen Lucio verspürte, doch sie dachte zuerst, dass es aufgrund seines unglaublichen Aussehens gewesen sei. Nun war sie sich sicher, dass ihre Sinne ihr unbewusst mitteilen wollten, dass etwas mit ihm nicht stimmte.

      «Ich mag es nicht, wenn man uns nachspioniert. Amelia, wir gehen. Danke, dass Amelia bei dir sein durfte», murmelte sie schliesslich und sah ihn nachdenklich an.

      Lucio erwiderte verblüfft einige Abschiedsworte und führte sie in Richtung Ausgang. Vorsichtig schaute er an Aida vorbei zum Auto, in dem Nema sass, die offensichtlich mit Absicht auf ihr Handy starrte. Aida versperrte ihm sofort die Sicht und lächelte ihm noch einmal zu. Sie hoffte, dass es echter aussah, als es sich anfühlte.

      Amelia wusste, wenn ihre Mutter oder ihre Tante erst einmal misstrauisch waren, konnte man sie so schnell nicht vom Gegenteil überzeugen, weshalb sie sofort gehorchte und Aida zum Auto zog.

      «Na, wie war’s?», fragte Nema freundlich, worauf Amelia sofort zu erzählen begann. Währenddessen bemerkte Nema die missbilligenden Blicke von Aida, jedes Mal wenn Onkel Lucio erwähnt wurde. Gerade eben hatte sie noch total an den Lippen dieses Lucios gehangen und nun sah sie aus, als würde sie am liebsten auf etwas einschlagen.

      Zu Hause angekommen, zog Amelia sofort ihr Pyjama an und putzte sich die Zähne. Sie wartete auf Aida und Nema, die ihr eine Geschichte vorlasen, bis sie einschlief. So machten sie das immer, denn Aida und Nema war es wichtig, dass sie viel las. In einem ewigen Leben konnte einem schnell langweilig werden und ein gutes Buch hatte ihnen schon oft Zuflucht in eine neue, bessere Welt geschaffen. Es würde nie genug Zeit geben, um alle spannenden Bücher auf diesem Planeten zu lesen. Das wollte sie ihrer Tochter lieber früher als später mitgeben.

      Als Amelia die Augen zugefallen waren, schlichen sich die beiden Freundinnen aus dem Zimmer.

      «Was war da los?», flüsterte Nema neugierig und daraufhin erzählte ihr Aida vom komischen Moment mit Lucio und von ihrem unguten Gefühl, was ihn anging. Auch Nema musste zugeben, dass ihr das speziell vorkam und sie beruhigte Aida, indem sie ihr versicherte, dass der heisse Onkel nur zu Besuch da war und normalerweise ihre Eltern auf die Mädchen aufpassten.

      «Ich hau mich auch mal aufs Ohr. Hab letzte Nacht nicht allzu viel geschlafen», meinte Aida grinsend und dachte zweifellos an ihr Date zurück. Sie küsste ihre Freundin auf die Wange und machte sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer im obersten Stock des grossen Hauses. Auch Nema war müde und sie legte sich ins Bett.

      Wiedermal träumte sie von ihrem Exmann John, der sie auf grausame Weise verraten hatte. Er versprach ihr die Welt, versprach ihr seine ewig andauernde Liebe und versprach ihr, ihm vertrauen zu können. Wir bauen uns ein Leben mit Amelia auf. Dann kam er näher, nahm ihr Gesicht in die Hände und Küsste sie. Sofort brannte sie und verspürte eine versengende Lust. Sie erwiderte den Kuss und stiess ihn dann zurück, als sie sich daran erinnerte, was er ihr alles angetan hatte.

      Es war immer der gleiche Traum. Bei genauerem Hinsehen jedoch merkte sie, dass es nicht John war, der ihr Honig um den Mund schmierte und sie küsste, sondern Lucio. Schockiert wachte sie aus ihrem Traum auf, sass kerzengerade im Bett und atmete zitternd. Schweiss perlte ihr von der Stirn und ihr Puls raste, als hätte sie gerade eine Stunde Extremsport betrieben. Sie stand auf und schaute auf die Uhr. Na toll, 04:15 Uhr. An Schlaf war jedoch nicht mehr zu denken und so zog sie sich ihren Morgenmantel über, holte sich ihr Buch und lief in die Küche, um sich einen starken Kaffee zu machen.

      Sie hatte das oberste Buch auf dem Stapel genommen, ohne zu sehen welches es war. Nun schaute sie auf den Buchdeckel und stöhnte genervt auf. Es war Thomas Hardys Roman «Tess d’Urberville», eines ihrer Lieblingsbücher, aber sie wollte gerade wirklich nichts über Schicksal und Männer lesen. Immerhin lag noch ein Buch von Aida neben der Kaffeemaschine und obwohl sie auch nicht gerade in Stimmung für «Philosophie der alten Griechen» war, fand sie diese Lektüre momentan doch um einiges ansprechender als «Tess».

      Mit diesem Gedanken und einer Tasse Kaffee und dem Buch in der Hand lief sie zur Couch und machte es sich dort gemütlich.

      Kapitel 3

      «Nemesis, hallooo!», rief ihre Freundin und schüttelte sie leicht, damit sie endlich aufwachte.

      «Oh, ich bin doch noch eingeschlafen», gähnte sie, streckte sich katzenartig und versuchte, die Verspannung ihres Körpers zu lösen.

      «Griechische Philosophie war noch nie dein Ding, aber dass man davon in einen solch tiefen Schlaf fallen kann, ist echt beneidenswert», neckte sie Aida mit einem Blick auf das Buch.

      «Was soll ich sagen, dein Büchergeschmack ist echt schräg», meinte Nema lächelnd.

      «Ich bevorzuge es, durch abwechslungsreiche Literatur ein breites Wissen zu erlangen», konterte Aida und beide lachten.

      «Übrigens, eine unbekannte Nummer versuchte dich heute Morgen auf deinem Handy zu erreichen. War ja klar, dass du von diesem Surren nicht aus deinem Totenschlaf aufgewacht bist», sagte Aida.

      «Heute Morgen? Wie viel Uhr ist es?»

      «Halb elf.»

      «Oh Gott.»

      Nachdem Nema geduscht und ihre Haare in eine einigermassen gutaussehende Form gebracht hatte, stellte sie Amelia den Fernseher aus und fragte sie, ob sie Lust auf eine kleine Fahrradtour hätte. Ihrer Tochter schien die Idee zu gefallen, Aida winkte jedoch ab.

      «Ich muss noch einiges erledigen, geht und habt Spass ihr zwei.» Sie verabschiedeten sich und während sie zum Auto schlenderten, vibrierte wieder Nemas Handy. Sie schaute ein paar Sekunden auf das vibrierende Objekt, das hartnäckig weiterklingelte. Wer ausser Aida, Amelia und ein paar ihrer Lehrer hatten denn bitte ihre Nummer? Sie nahm ab und hielt das Telefon ans Ohr, ohne etwas zu sagen.

      «Nema?», ertönte es auf der anderen Seite. Oh. Ihren Namen auf seinen Lippen zu hören jagte ihr einen kleinen Schauer durch den Körper. Sie schluckte einmal und strengte sich an, ein neutrales Gesicht zu machen.

      «Lucio, was willst du?», fragte sie so entspannt wie möglich. «Ach, ich wollte nur Fragen, ob du heute bereits etwas vor hast. Sarahs Eltern sind noch nicht zurückgekehrt und ich dachte mir, vielleicht könnten die Mädchen draussen spielen und wir könnten ebenfalls etwas Spass haben.» Etwas Spass haben, dachte sie verlegen und ärgerte sich darüber, welche Richtung ihre Gedanken einschlugen. Das musste definitiv daran liegen, dass sie einfach schon zu lange keinen Spass mehr gehabt hatte.

      «Nein, wir haben bereits Pläne. Tut mir leid», sagte sie kurz gebunden. Es tat ihr nämlich überhaupt nicht Leid und sie war äusserst zufrieden, dass ihre Stimme kühl und gefasst klang. Nach dem Alptraum letzte Nacht sollte sie Lucio eigentlich nicht mehr sehen.

      «Naja, vielleicht können Sarah und ich euch bei euren Plänen begleiten?», fragte er und gab ihr kein Anzeichen, locker zu