Hugo von Velocia

Ein Lindwurm unter Wölfen


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Gründrachen unbrauchbar machen. Wenn der Drache nicht mehr fliegen konnte, dann konnte er auch nicht mehr so leicht entkommen. Der Plan war gut. Aber es war nicht einfach, ihn umzusetzen.

      Slykur war nicht gerade begeistert, als er merkte das sein Angriff das Ziel verfehlte. „Liegt dir wirklich so viel daran mich zu fressen, dass du dafür dein Leben aufs Spiel setzt?" Der Drache erwartete keine ehrliche Antwort sondern hoffte nur auf eine Chance, diese Höhle zu verlassen.

      Der Lindwurm lachte. „Du siehst nicht so aus, wie jemand, der mir gefährlich werden könnte. Also riskiere ich bei dir nicht mein Leben. Es ist ja nichts Persönliches. Ich habe nichts gegen euch Drachen. Euer Problem ist nur, dass ihr so eine leckere und magenfüllende Mahlzeit abgebt.“ Der Lindwurm startete einen weiteren Angriff und versuchte, dem Drachen in einen seiner Flügel zu beißen.

      Slykur konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und wurde von dem Lindwurm in den linken Flügel gebissen. Der Lindwurm versenkte seine Zähne im Flügel des Gründrachen und schüttelte dabei seinen Kopf, um dem Drachen die Flügelhaut zu zerfetzen. Slykur riss sich sofort los. Doch jetzt war sein linker Flügel auch noch flugunfähig geworden. Ein verletzter Flügel heilte bei einem Drachen zwar meist folgenlos aus, doch im Moment war an Fliegen nicht mehr zu denken. „Rwaaahr, du...“ Er konnte dem Lindwurm noch mit seiner Pranke eine verpassen bevor er wieder den Abstand zu ihm vergrößerte.

      Der Lindwurm lachte triumphierend. „Ha, erwischt. Dieser Biss war nur eine Warnung. Aber wenn du dich weiterhin widersetzt, werde ich auch Gift einsetzen müssen. Wenn du aber aufgibst und dich ruhig verhältst, dann bleibt dir das erspart. Ich würde dich ohnehin lieber lebend verschlingen, Kleiner."

      Slykur streckte seinen verletzten Flügel aus. Es blutete zwar ein wenig an der Stelle, an der der Lindwurm seine Flügelhaut zerfetzt hatte. Doch Slykur hatte auch schon schlimmere Verletzungen überstanden. „Wenn du glaubst, ich würde einfach stillhalten und mich von dir fressen lassen, dann irrst du dich. Ohne mich, sage ich! Und das mit dem Gift wird dir nicht so leicht fallen, mein Körper ist von Kopf bis Schwanz gepanzert und meine Flügel sind kaum durchblutet. Ihr Lindwürmer habt wirklich eine beschämende Art zu kämpfen.“ Slykur fletschte drohend die Zähne.

      „So, glaubst du? Ich habe ja noch nicht mal angefangen, zu kämpfen, Kleiner. Mit dir werde ich schon fertig. Mir ist nämlich noch nie ein Drache entkommen. NOCH NIE! Und du wirst ganz sicher nicht der erste sein. Dafür werde ich schon sorgen", fauchte der Lindwurm.

      „Mit mir wirst du kein so leichtes Spiel haben, wie du dir vielleicht wünscht. Ich bin zwar etwas kleiner als du aber man sollte seinen Gegner nie unterschätzen.“ Mit diesen Worten machte sich Slykur bereit den nächsten Angriff des Lindwurms zu blocken oder wenn möglich zu kontern.

      „Ich werde dich sicher nicht unterschätzen, Kleiner. Das wäre bei Drachen auch keine gute Idee. Aber besiegen werde ich dich trotzdem.“ Der Lindwurm wusste, dass es nicht leicht werden wird, diesen Drachen zu besiegen. Vor allem, da er jetzt nur auf einen Angriff des Lindwurms wartete. Fieberhaft überlegte er, wie er den Drachen überlisten konnte. Die derzeitige Situation war nicht das, was sich der Lindwurm erhofft hatte. Er würde Risiken eingehen müssen, um diesen Gründrachen bezwingen zu können. Doch der Lindwurm hasste es, Risiken eingehen zu müssen.

      Da der nächste Angriff des Lindwurms länger auf sich warten ließ, fing Slykur an zu überlegen, ob er nicht die Initiative zu einem Fluchtversuch ergreifen sollte. Er setzte ein verhöhnendes Grinsen auf und sagte: „Ich glaube du hast Recht. Ich bin dir nicht gewachsen. Ich ergebe mich!“ Innerlich wartete Slykur nur darauf, im richtigen Moment zuschlagen oder noch besser fliehen zu können.

      Im ersten Moment glaubte der Lindwurm den Worten des Drachens. „Du... ergibst dich? Tatsächlich? Das... überrascht mich. Aber das ist eine sehr vernünftige Entscheidung. Ja, sehr vernünftig.“ Doch dann fiel dem Lindwurm das Grinsen des Drachens auf und er wurde wieder misstrauisch. Natürlich waren Drachen oft ziemlich gerissen und der Lindwurm hatte schon öfters erlebt, dass sie alle möglichen Dinge erzählt hatten, um sich selbst zu retten.

      „An deinem Blick merke ich sofort, dass du mir nicht traust. Aber keine Sorge, wir Drachen sind ehrliche Wesen und ich habe schlussendlich erkannt, dass ich nicht einmal den Hauch einer Chance habe. Du bist der Stärkere von uns beiden und ich werde mich dir unterwerfen." Slykur hatte noch nie mit Lindwürmern zu tun gehabt und er wusste nicht, wie weit es mit deren Intelligenz her war. Jedenfalls erhoffte er sich, dass sie nicht besonders gerissen waren und dass er auf diesen Trick hereinfallen würde. Sein Grinsen konnte er dabei jedoch verbergen.

      Der Lindwurm war zwar nicht blöde, aber manchmal etwas leichtgläubig. Und so glaubte er Slykurs Worten. Zumindest vorläufig. Überzeugt war er jedoch noch nicht. Dennoch sagte er: „Gut, dann verhalte dich still damit ich dich verschlingen kann. Ich werde auch vorsichtig sein, damit es dir nicht weh tut.“ Der Lindwurm sabberte etwas. So ein großer Gründrache würde ihm gewiss schmecken. Doch noch war er vorsichtig und rechnete immer noch mit einem plötzlichen Fluchtversuch des Drachens. Denn es war höchst ungewöhnlich, dass ein Drache wie dieser Gründrache einfach so aufgab, ohne dass er ernsthaft verletzt war. Diese Wunde am Flügel konnte einen Drachen normalerweise nicht am Kämpfen hindern.

      Als der Lindwurm schon knapp vor ihm stand, wusste der Drache, was zu tun war. Er schoss einen kleinen Feuerball, den er unbemerkt vorbereitet hatte, in die Richtung des Lindwurms. Er war zwar nicht so groß wie die ersten zwei, wegen der kurzen Aufladedauer, aber er diente auch nur zur Ablenkung. Und nun folgte noch ein Hieb mit dem Schweif. Treffer! Der Abstand der Beiden vergrößert sich wieder. „Hoffentlich war's das“, meinte Slykur zufrieden grinsend.

      Diesmal hatte der Lindwurm alles voll abbekommen, doch Lindwürmer konnten so einiges vertragen. Der Schlag mit dem Schweif war schmerzhaft gewesen. Doch eine nennenswerte Verletzung hatte der Gründrache dem Lindwurm damit nicht zufügen können. Doch jetzt wurde der Lindwurm erst so richtig wütend. „DUUUU! Du wagst es...“ Nun war sich der Lindwurm natürlich sicher, dass er dem Drachen kein Wort glauben durfte und er starrte sein Gegenüber finster an.

      Der Drache lächelte. „Du bist doch verwundbar... ich hatte die Hoffnung ja schon fast aufgegeben. Eigentlich wollte ich dir keine Schmerzen zufügen. Ich will einfach nur raus aus dieser stickigen Höhle." Slykur erwiderte den finsteren Blick des Lindwurms mit einem etwas provozierenden Blick. Einschüchtern würde er sich nicht lassen. Dazu war der Gründrache zu stolz.

      Mit den letzten beiden Worten hatte der Drache den Lindwurm auf eine Idee gebracht. Lindwürmer konnten zwar kein Feuer speien, aber sie konnten ihre Gegner mit Rauch betäuben. Das klappte bei vielen Tieren und vielleicht ja auch bei diesem Drachen. Säugetiere oder Menschen wurden jedenfalls sofort Ohnmächtig, wenn sie Rauch einatmeten, der von einem Lindwurm ausgestoßen wurde. Da dem Lindwurm sein eigener Rauch nichts ausmachte, war es zumindest einen Versuch Wert. Da der Drache gerade in Reichweite war, spie der Lindwurm ihm, ohne noch lange nachzudenken eine Wolke betäubendem Rauch entgegen.

      Slykur fing an zu husten. „W... Was ist jetzt los? Rauch?" Der Drache hielt so gut er konnte die Luft an. Doch in dieser Höhle musste er atmen, wenn er nicht ersticken wollte. Noch einmal hustete er. Doch der Rauch schien keine betäubende Wirkung auf den Drachen zu haben. „Netter Versuch. Aber durch das Spielen mit dem Feuer bin ich resistenter gegen Rauch als manch Anderer. Aber mit dem hätte ich nie gerechnet. Ich hatte keine Ahnung, dass du Rauch speien kannst.“

      „Tja, wir Lindwürmer sind voller Überraschungen“, erwiderte der Lindwurm grinsend. Der Rauch begann sich langsam aufzulösen und verzog sich mehr und mehr. Schon bald standen sich die beiden Kontrahenten wieder genauso gegenüber wie zuvor.

      Der Lindwurm hatte nicht wirklich damit gerechnet, den Drachen mit seinem Rauch wirklich betäuben zu können. Dennoch hatte der Rauch zumindest ein wenig Wirkung gehabt und dieser Gründrache schien tatsächlich überrascht gewesen zu sein. Wenn ihn das schon überrascht, dann sollte er mal meine restlichen Fähigkeiten kennen lernen, dachte sich der Lindwurm. Es war offensichtlich, dass dieser Gründrache noch keinerlei Erfahrungen mit Lindwürmern gemacht hatte.

      „Langsam werde ich müde. Wie lange wollen wir hier noch weiterkämpfen? Ich werde mich nicht freiwillig als dein Futter