Hugo von Velocia

Ein Lindwurm unter Wölfen


Скачать книгу

Slykur bereit ins Wasser zu gehen. „Bäh, ich hasse Wasser. Ich bin zwar kein schlechter Schwimmer, aber das Gefühl nass zu sein verkrafte ich nicht", meckerte er vor sich hin.

      Der Lindwurm kicherte leise, als der Drache zögernd am Ufer stand. Es sah so aus, als ob der Drache Wasserscheu sei. Der Lindwurm dagegen hatte mit Wasser überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil. Manche Lindwürmer lebten sogar im Wasser. Und auch dieser Lindwurm war zumindest in der Lage auch unter Wasser zu atmen, was für ihn natürlich ein entscheidender Vorteil sein könnte. Seine Art hatte die seltene Fähigkeit, sowohl Luft als auch Wasser atmen zu können. Schon oft hatte sich das als sehr nützlich erwiesen.

      Nach einigen Minuten konnte sich Slykur von seiner Wasserabneigung lösen und er ging immer weiter in den See, bis er schließlich zu schwimmen begann. „So und jetzt ab zur Mitte. Ich bin wieder voll motiviert." Slykur schwamm in die Richtung der Seemitte. Er war eigentlich schon öfters geschwommen und hatte deswegen eine für Drachen hervorragende Kondition. Nur seine Abneigung gegen Wasser musste er jedes Mal aufs neue überwinden.

      Als der Drache im Wasser war, gleitete der Lindwurm schnell auch in den See hinein und tauchte gleich unter. Unter Wasser näherte er sich jetzt langsam dem Drachen. Diesmal wollte er ihn sich schnappen, ohne lange mit ihm kämpfen zu müssen. In freudiger Erwartung näherte er sich dem Drachen. Jetzt muss es doch klappen, dachte er sich.

      Nach längerem Schwimmen hatte Slykur endlich die Mitte des Sees erreicht. Hoffnungsvoll wartete er darauf das sein Flügel wieder gesund wird. „Hm, da hat sich noch nichts geändert.“ In diesem Moment ahnte er nicht dass sich ihm ein dunkler Schatten näherte.

      Inzwischen befand sich der Lindwurm direkt unter dem Drachen. Er schaute nach oben. Jetzt würde er ihn nicht mehr entkommen lassen, nahm er sich fest vor und tauchte ganz langsam auf. Er wollte gleich im ersten Versuch erfolgreich sein, da er nicht schon wieder in einen langen Kampf verwickelt werden wollte. Im Wasser waren alle Vorteile auf seiner Seite und das wollte er natürlich ausnutzen.

      Slykur bemerkte plötzlich schwache Schwingungen im Wasser. Zuerst schaute er um sich. „Hm? Habe ich mir das nur eingebildet?“ Die Schwingungen waren schon wieder zu spüren, aber jetzt wurden sie deutlich stärker. Sein Blick wanderte nach unten wo sich schon ein riesiger Schatten befand. Blitzartig legte er sich auf den Rücken und zog die Beine ein. „Nein, das kann doch nicht...“

      Gierig schwamm der Lindwurm auf den Drachen zu und er bekam seinen Schweif zu fassen. Daran hielt er ihn jetzt fest und murmelte siegessicher: „Hallöchen. Lange nicht gesehen, kleiner Leckerbissen. Diesmal wirst du mir nicht noch mal entkommen.“

      „Du! Wie bist du mir so heimlich gefolgt? Ich hab dich nicht mal gewittert." Slykur stemmte seine Beine gegen den Lindwurm um seinen Schweif zu lösen. "Das, kann doch nicht wahr sein. Du verfluchter Lindwurm. Verpiss dich du Mistvieh", knurrte er wütend.

      „Was ist denn das für ein Ton, Drachilein?“ „Lass mich sofort los!“ „Nein. Aber um deine Frage zu beantworten. Ich kann mich sehr geschickt an meine Beute anschleichen. Das ist jahrelange Erfahrung eines Jägers, Kleiner. Dabei macht mir so leicht niemand etwas vor. Und du bist ja auch nicht der erste Drache, der von mir gefressen wird. Und diesmal werden dir auch deine Feuerbälle nichts nutzen" erwiderte der Lindwurm lachend.

      „Ja, das hab ich auch nicht vor. Noch mehr Feuerbälle und ich verliere das Bewusstsein. Mit denen bin ich leider noch nicht so geübt, aber das wird schon werden!“ Mit einem heftigen Tritt beider Beine in den Brustkorb, konnte Slykur sich befreien. „Wie wäre es mit einem letzten Kampf an Land? Einem ehrlichen letzten Kampf ohne dass einer von uns ein Handicap hat.“ Hier im Wasser habe ich gegen diese Schlange keine Chance, dachte sich Slykur. Ein Kampf an Land ist meine letzte Chance. Innerlich wurde Slykur sehr nervös, doch er bemüht sich, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen.

      „Ich soll einfach so auf einen Vorteil für mich verzichten? Ich bin doch nicht bescheuert“, entgegnete der Lindwurm, doch da er sich eigentlich für einen einigermaßen fairen Gegner hielt, dachte er kurz darüber nach und fügte dann noch hinzu: „Hm na gut. Aber glaube bloß nicht, ich würde dich so einfach entkommen lassen.“

      „Wie sollte ich dir entkommen mit nur einem Flügel?“ Slykur setzt einen verbitterten Blick auf und schwamm in Richtung Ufer. „Warum bin ich nur in diesen verdammten See rein? Ich hätte schon längst über alle Berge sein können“, dachte sich der Drache. Dieser Kampf würde wohl sein letzter sein. Dessen war er sich fast sicher. Doch er wollte nicht als Feigling enden. Er nicht! Er war Slykur. Einer der mächtigsten Drachen der Umgebung.

      Der Lindwurm schwamm neben dem Gründrachen her und beobachtete ihn dabei genau, denn er wurde den Verdacht nicht los, dass dieser nur versuchte, ihn reinzulegen. Doch da der Lindwurm ganz gerne vor dem Essen noch etwas mit seiner Beute spielte, machte er dabei mit. Mit diesem Drachen, der ja obendrein auch noch verletzt und sicher mittlerweile auch völlig erschöpft war, würde er schon fertig werden, redete er sich ein.

      Slykur bemerkte diesen misstrauischen Blick und meinte: „Du vertraust mir nicht ganz , oder?" Die Beiden schwammen nebeneinander her. Das Ufer war auch noch ein kleines Stück von ihnen entfernt.

      „Einem Drachen sollte man nicht zu sehr vertrauen. Jedenfalls nicht, wenn man vor hat, ihn zu fressen. Denen fällt nämlich immer wieder eine neue Gemeinheit ein, mit der sie sich einen Vorteil verschaffen wollen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch du irgendwas planst. Aber das wird dir nichts nützen. Noch vor Sonnenuntergang werde ich dich verschlungen haben", erwiderte der Lindwurm mit gierigem Blick.

      „Da könntest du recht haben", antwortete Slykur und setzte ein freches Grinsen auf. Vielleicht könnte ich ja versuchen ihm was einzureden, dachte sich der Drache. „Hey, wieso gehst du nicht in ein Menschendorf und schnappst dir ein paar von Denen? Die sind einfach zu fangen und zu überwältigen und außerdem schmecken sie gar nicht mal so schlecht. Und noch etwas... das mit dem See war echt clever von dir, das merke ich mir für meine nächste Jagd."

      „Pah, Menschen. Die könnte ich mir jederzeit schnappen, wenn ich wollte. Aber so leckere Drachen wie du... also die bekomme ich nicht so häufig. Und Drachen schmecken mir besonders gut. Menschen fresse ich nur, wenn nichts Besseres in Reichweite ist. Aber danke, dass du mich für clever hältst. Nur wird dir das nichts mehr nützen. Für dich wird es wohl keine weitere Jagd mehr geben, Gründrache.“

      Das hat wohl nicht geklappt. Ich sollte es noch mal versuchen, dachte sich Slykur enttäuscht. „Und wie wäre es mit einem Wolfsrudel. Ich habe bei meiner Ankunft ein Rudel gesichtet. Also, es gibt nichts besseres als Wölfe.“ Slykur begann leicht zu schwitzen, da ihm langsam aber sicher die Argumente ausgingen und die Angst in ihm hochsteigt. Das Ufer war nur noch wenige Meter entfernt und sobald er dort ankam, würde sich der Lindwurm gewiss auf ihn stürzen

      „Mmmh Wölfe“, sagte der Lindwurm sabbernd. „Die würden mir bestimmt schmecken. Aber wenn hier ein Wolfsrudel wäre, dann hätte ich es doch eigentlich bemerken müssen. Sonst entgeht mir nämlich kaum ein Tier, das in mein Revier eindringt und ein ganzes Rudel hätte doch Spuren hinterlassen müssen.“ Der Lindwurm schien Wölfe offensichtlich zu mögen. Doch so ganz überzeugt schien er trotzdem noch nicht zu sein.

      „Doch das stimmt. Als ich dein Revier betreten habe, habe ich ganz am Anfang das Rudel gesehen. Sie lungerten bei einer Höhle rum. Ich wollte die Wölfe eigentlich später für mich beanspruchen, weil ich zuerst das Gebiet erkunden wollte. Sie schlichen mir auch eine Zeit lang nach, aber ab einen Punkt liefen sie winselnd zurück." Slykur schaute ziemlich überzeugend drein und redete sich selbst ein: „Jetzt bloß keinen Fehler machen, Slykur.“

      „Dann müsste ich aber ziemlich weit laufen, um dort hin zu kommen. Dazu bin ich zu faul. Vor allem, wenn ja schon ein leckerer Drache direkt vor meiner Nase ist Und vielleicht sind die Wölfe ja auch schon längst wieder verschwunden. Aber okay, ich könnte ja nach den Wölfen suchen, nachdem ich dich gefressen habe“, erwiderte der Lindwurm.

      „Wäre es nicht besser die Wölfe als Vorspeise zu fressen? Ich bin mir sicher, dass die noch dort sind." Slykur fing wieder leicht zu schwitzen an. Er versuchte einen Kampf so lange wie möglich hinauszuzögern oder wenn möglich zu verhindern.