Hugo von Velocia

Ein Lindwurm unter Wölfen


Скачать книгу

jeder weiteren Minute des Kampfes.

      „So so, du wirst müde. Das ist gut zu wissen, Kleiner. Also ich bin noch immer in Topform und könnte das bestimmt noch sehr lange durchhalten. Du könntest dir vieles ersparen, wenn du einfach aufgeben würdest“, entgegnet der Lindwurm und starrte sein Gegenüber dabei an, um möglichen weiteren Feuerbällen rechtzeitig ausweichen zu können.

      Slykur schaute den Lindwurm verbittert an. „Vielleicht wollte ich damit nur sagen, dass ich des Kampfes müde geworden bin. Ich bin nicht müde im Sinne von Müde. Ich bin nur gelangweilt. Ich werde jedenfalls niemals aufgeben. Warum sollte ich auch?" Slykur schien sich langsam zu erholen, obwohl er so gerne ein wenig schlafen würde. Ohne Schlaf und mit leerem Magen würde er nie die ganze Ausdauer zurückbekommen können. Wenn er diesen blöden Lindwurm nur irgendwie loswerden könnte.

      Der Lindwurm überlegte, welche Optionen ihm in dieser Situation noch blieben. Vielleicht war es keine schlechte Idee, den Drachen zu ermüden. Wenn er erst müde war, macht er vielleicht Fehler, die der Lindwurm für sich ausnutzen könnte. Leider hatte er in seiner Höhle nicht wirklich viel mehr Möglichkeiten, als Rauch einzusetzen, oder ihn direkt anzugreifen.

      „Was ist nun?...Warum so still? Ich will einfach nur hier raus... sonst ist mir alles egal. Und das mit dem Aufgeben kannst du gleich vergessen, als ob Drachen jemals aufgeben würden..." Slykur beobachtet den Lindwurm genau und er konnte es kaum glauben, dass er noch immer nicht an dieser Schlangenkreatur vorbeigekommen war.

      „Hm du willst also raus... nun gut, dann geh doch raus“, erwiderte der Lindwurm frech grinsend. Er wusste, dass er den Drachen hier wohl nicht so leicht würde besiegen können, aber vielleicht konnte er ihm ja heimlich folgen. Da er dem Drachen ja einen seiner Flügel verletzt hatte, war es unwahrscheinlich, dass er einfach so davonfliegen konnte. Er musste zu Fuß gehen. Und wer zu Fuß geht, der wird Spuren hinterlassen, denen ein Lindwurm folgen könnte. Und vielleicht legt er sich irgendwo hin um zu schlafen. Dann würde der Lindwurm ihn sicher unvorbereitet erbeuten können.

      „Und woher weiß ich das ich dir trauen kann und ich ungehindert deine Höhle verlassen kann?" Da Slykur selbst ziemlich abgekartete Spielchen trieb, rechnete er sofort mit dem Schlimmsten. „Oder hast du es endlich eingesehen, dass es nichts bringt mich hier festzuhalten?"

      „Ja ich habe eingesehen, dass es ein Fehler war, mich mit dir anzulegen. Du bist wohl einfach zu groß und stark für mich. Einen so großen Drachen würde ich niemals fressen können. Da waren meine Augen wohl größer als mein Magen. Und ein Lindwurm erkennt, wenn ein Kampf zwecklos ist und er keine Chance hat. Du kannst also gehen, wenn du willst. Und sei mir bitte nicht böse wegen deinem Flügel. Den kann man ganz leicht wieder heilen. Möchtest du wissen, wie?“ Der Lindwurm redete dem Gründrachen freundlich zu. Ihm war gerade noch eine Idee gekommen, wie er den Drachen vielleicht doch noch überlisten könnte.

      „Hm, hört sich ja ganz verlockend an. Kommt darauf an, was dafür nötig ist. In diesem Zustand kann ich unmöglich fliegen. Und für weitere Strecken ohne die Flügel fehlt mir einfach die Ausdauer.“ Slykur wusste in diesem Moment , dass es ein Fehler war, das zu erzählen doch durch dieses Angebot geriet er kurz in Verlegenheit.

      „Na gut, ich verrate es dir. Aber erzähle es bloß nicht weiter. Hier in der Nähe gibt es einen See, dessen Wasser alle Wunden heilen kann. Aber nur ganz in der Mitte des Sees funktioniert das. Du musst einfach nur dorthin schwimmen, und dein Flügel ist hinterher wieder wie neu." Das war natürlich eine Lüge, doch der Lindwurm verfolgte eine Absicht mit dieser Lüge. Ob Slykur wohl darauf hereinfiel?

      „Von so was habe ich noch nie gehört“, meinte der Drache. „Das wundert mich nicht. Es ist ja auch geheim. Nur wenige wissen davon.“ „Und wo finde ich diesen See? Ich würde nämlich lieber alleine dort hin gehen. Weil ich mittlerweile gelernt habe, dass man Lindwürmern besser aus dem Weg geht auch wenn es zuerst scheint, dass sie einem freundlich gesinnt sind." Slykur starrte sein Gegenüber an, da er sich noch in der Höhle befand und er damit rechnete, dass das Verlassen der Höhle einen Haken haben könnte.

      „Es ist gar nicht weit von hier. Einfach geradeaus Richtung Süden. Den See kann man gar nicht verfehlen. Es ist der zweite See, auf den du treffen wirst. Nicht dieser kleine direkt vor meiner Höhle. Der würde dir nicht helfen. Aber etwa einen Kilometer weiter gibt es einen viel größeren See. Dort solltest du hingehen. Ich werde dich auch nicht begleiten, wenn du nicht willst. Und denke dran. Das Wasser wirkt nur genau in der Mitte des Sees. Einfach nur am Ufer herum plantschen nützt gar nichts. Du musst also ein Stück schwimmen. Und jetzt raus aus meiner Höhle bevor ich es mir noch anders überlege und dich doch noch fresse.“

      Diese „freundliche“ Geste ließ sich Slykur nicht zweimal sagen und mit einem Satz war er aus der Höhle draußen. „Endlich! Frische Luft... die Sonne!“ Wortlos verließ er den Lindwurm. Er ging immer weiter in Richtung Süden, wie es ihm der Lindwurm geraten hatte. Schließlich verschwand auch die Höhle des Lindwurms aus Slykurs Sichtfeld. „Wurde auch langsam Zeit.“

      „Hehehe. So ein Trottel“ lachte der Lindwurm und machte sich gleich daran, dem Drachen in sicherem Abstand zu folgen. Natürlich gab es diesen See wirklich. Und wenn der Drache wirklich zur Mitte des Sees schwimmen würde, brauchte sich der Lindwurm gar nicht mal besonders zu beeilen. Denn der See war ziemlich groß. Der Drache würde sicher noch etwas erschöpfter sein, wenn er erst dort ankam.

      Nach einigen Minuten legte Slykur eine kleine Pause ein. Der Kampf hat ihn mehr Kraft gekostet als er sich vor dem Lindwurm hat anmerken lassen . Bedrückt schaute er auf seinen verletzten Flügel. „Ich hoffe das der Lindwurm wirklich die Wahrheit gesagt hat. Das schaut nicht gerade erfreulich aus.“ Er konnte der Versuchung zu fliegen nicht widerstehen, doch die Flügelhaut war zerrissen und dadurch unbrauchbar. „Autsch! Na ja... einen Versuch war es Wert. Hoffentlich funktioniert das Wasser. Sonst dauert es sicher Wochen, bis der Flügel wieder verheilt ist“, murmelte der Gründrache vor sich hin.

      Lächelnd beobachtete der Lindwurm den Drachen aus sicherer Entfernung. „Ha, gut, dass er nicht wegfliegen kann. War doch gut, dass ich ihm den Flügel zerfetzt habe. Hehehe." Gespannt beobachtete der Lindwurm, wie sich der Drache dem See näherte. Der Lindwurm versteckte sich hinter einigen Bäumen und spähte zu dem Drachen hinüber. Jetzt musste er nur noch darauf warten, dass der Drache auch wirklich ins Wasser ging.

      Mit Hoffnung auf einen zweiten gesunden Flügel, näherte sich Slykur dem See. Nur noch ein paar Meter, dachte er. „Hm, komplett gleich wie am Anfang meiner Reise in dieses Gebiet. Keine Tiere zu sehen. Aber ein einzelner Lindwurm konnte doch unmöglich alle Tiere gefressen oder vertrieben haben, dachte er. Mich wird er jedenfalls nicht bekommen. Sobald mein Flügel geheilt ist, verschwinde ich von hier Jetzt erst mal so schnell wie möglich diesen See aufsuchen und mich heilen lassen. Und dann werde allen anderen Wesen, die mir begegnen von diesen gefährlichen Lindwürmern erzählen. Da vorne ist der See. Wird auch langsam Zeit.“

      „Du wirst keinem mehr irgendwas erzählen“, murmelte der Lindwurm leise vor sich hin. Ungeduldig wartete er, bis der Drache endlich den See erreichte. Im Wasser rechnete er sich wesentlich bessere Chancen aus, als an Land. Das Wasser hatte vor allem den Vorteil, dass der Lindwurm dort vor diesen Feuerbällen zumindest einigermaßen sicher war.

      Schließlich erreichte Slykur den See. „Hm, den hab ich mir aber anders vorgestellt. Also klein ist er nicht, dass muss ich schon zugeben." Slykur stand am Ufer und überlegte eine Weile. "Ich werde mal außen herum schauen, vielleicht ist die Mitte von anderen Einstiegstellen besser zu erreichen als von hier.“ Der Drache machte sich auf den Weg den See von außen zu umgehen.

      Der Lindwurm schlich noch immer hinter dem Drachen her und beobachtete ihn. Dabei blieb er aber immer hinter Büschen und Bäumen versteckt. Ungeduldig wartete er ab. „Nun geh schon endlich ins Wasser du Idiot. Es ist doch egal, von welcher Seite du reingehst, wenn du einfach nur die Mitte des Sees erreichen willst“ fluchte der Lindwurm leise und unhörbar für den Gründrachen.

      Nach einem längeren Weg kam Slykur an der anderen Uferseite des Sees an. Gegenüber war nun die Seite von der er gekommen war. Dem Lindwurm war bekannt, dass Drachen relativ gute Schwimmer sind, da sie mit ihren Flügeln perfekt durch das Wasser gleiten können