Hugo von Velocia

Ein Lindwurm unter Wölfen


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vollgefressen und Slykur würde ungeschoren davonkommen. Bis der Lindwurm dann wieder Hunger bekam, wäre Slykurs Flügel wahrscheinlich schon verheilt. „Na dann wünsche ich dir noch ein schönes Leben, auch wenn es nicht mehr so lange sein wird. Mit so arroganten Drachen wie dir will ich nichts zu tun haben", meinte Slykur.

      „Arrogant? Wieso denn? Man muss nur wissen, wie man Lindwürmer besiegen kann. Und ich weiß, wie man es machen muss. Du könntest das auch lernen. Ich habe schon viele Lindwürmer erlegt. Wenn du also meine Hilfe brauchst, wäre das kein Problem für mich.“

      Slykur überlegte kurz und setzte einen ernsten Blick auf. „Normalerweise würde ich jetzt ja sofort zustimmen, aber in meinem Fall lehn ich dein Angebot ab. Ich habe die Schnauze voll von diesem dämlichen Lindwurm. Aber ich glaube so einen Lindwurm wie diesen hast du auch noch nie erlegt. Der ist ein Monster." Slykur konnte einfach nicht glauben, dass dieser Drache vor ihm einfach so Lindwürmer besiegen konnte.

      „Doch bestimmt. Lindwürmer sind eigentlich gar nicht gefährlich. Die tun doch nur so, als ob. Aber wenn es wirklich zu einem Kampf kommt, dann geben sie meistens schnell auf. Bestimmt hat er dir mit seinen angeblichen Giftzähnen gedroht. Das machen die nämlich immer. Dabei haben Lindwürmer gar keine Giftzähne. Vor diesen zu groß geratenen Regenwürmern muss man keine Angst haben“, sagte der verwandelte Lindwurm grinsend. Er wollte erreichen, dass Slykur Lindwürmer für harmlose und schwache Kreaturen hielt. Denn dann hätte es der Lindwurm bei einem künftigen Kampf gegen den Drachen bestimmt leichter.

      „Hm, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Aber das ändert nicht viel an meiner Meinung. Du musst dir vorstellen, dieser eine Lindwurm hat ein paar Mal versucht mich zum Aufgeben zu verleiten um mich dann zu fressen. Und dann auf meiner Flucht ist er mir etliche Kilometer gefolgt, als wäre ich wirklich so ein schmackhafter Leckerbissen. Er hat den halben Tag damit verbracht mich zu jagen.“

      „Er hat nur deshalb versucht dich zum Aufgeben zu verleiten, weil er genau wusste, dass er dich niemals besiegen könnte. Auf diese Weise schaffen es diese Lindwürmer immer wieder, ahnungslose Opfer zu finden. Am besten ignoriert man solche Lindwürmer einfach. Selbst wenn sie behaupten, sie wollten dich verschlingen. Denn soweit ich weiß fressen die nur Fische. Er wollte dich sicher nur ärgern.“

      „Sie fressen aber auch Wölfe. Das habe ich selbst gesehen. Aber wenn du dich so gut mit Lindwürmern auskennst, dann sehe ich keinen Grund, den Lindwurm selbst zu besiegen. Du wirst sicher auch allein mit ihm fertig. Ich habe schon einen extrem weiten Weg hinter mir und da habe ich jetzt wirklich keine Lust wieder umzukehren.“

      „Auf jeden Fall weißt du ja jetzt bescheid, falls du wieder einmal einen Lindwurm treffen solltest. Die sind wirklich nicht gefährlich. Das ist bei denen alles nur Show.“ Inzwischen hatte der Lindwurm sicher genug Lügen erzählt und musste sich jetzt nur noch außer Sichtweite wieder zurückverwandeln. Wenn er dann erneut Slykur traf, würde dieser vielleicht glauben, dass ein Lindwurm keine Gefahr darstellte und das wäre für den Lindwurm eine gute Chance.

      „Warte mal, nicht so schnell! Mir ist da noch etwas eingefallen. Also... wenn Lindwürmer es echt nur auf Fische abgesehen haben, wieso sind hier dann keine Tiere?“ Slykur schaute den anderen Drachen an und schöpfte den Verdacht, dass das Alles hier nicht so ganz zusammenpasste.

      „Keine Ahnung. Aber das liegt sicher nicht am diesem Lindwurm. Selbst zehn Lindwürmer wären nicht in der Lage, alle Tiere zu verscheuchen, oder gar aufzufressen. Das hat bestimmt einen ganz anderen Grund. Lindwürmer fressen höchstens einmal die Woche etwas. Höchstens. Manchmal auch nur alle zwei oder drei Wochen.“

      „Hm, das kann wohl sein. Noch eine letzte Frage bevor ich weiterziehe, du kennst dich anscheinend mit diesen komischen Lindwürmern aus... woher wissen die soviel über uns Drachen?"

      „Eigentlich wissen sie gar nichts. Sie plappern nur das nach, was sie irgendwo mal über uns gehört oder gesehen haben. Weißt du, diese Lindwürmer haben für ihre Größe ein ziemlich kleines Gehirn und sind auch nicht besonders hell in der Birne. Aber sie können ihre Dummheit meistens ziemlich geschickt verstecken.“ Dem Lindwurm machte es Spaß, so über sich selbst zu reden. Was er sagte, war natürlich alles gelogen. Doch Slykur schien es inzwischen schon beinahe zu glauben.

      Der Drache begann nach diesen Worten des Lindwurms frech zu grinsen „Haha, da hast du aber so was von Recht. Aber ich traue diesen Lindwürmern trotzdem nicht über den Weg, nachdem was dieser Eine mit meinen Flügel angestellt hat." Slykur begann ärgerlich zu knurren da der Gedanke an seinen verletzten Flügel ihn wirklich wütend machte.

      „Bestimmt hat er es nicht mit Absicht getan. Aber dein Flügel wird schon wieder werden. Es dauert nur etwas. Aber jetzt muss ich gehen. Gute Besserung deinem Flügel, Slykur.“

      Bevor der Drache ihm noch weitere Fragen stellen konnte, verschwand der Lindwurm schnell außer Sichtweite und nahm dann, versteckt hinter einigen Bäumen und Büschen wieder seine normale Gestalt an. Dann kroch er schnell wieder zurück zu Slykur. Allerdings so, dass er aus einer anderen Richtung erschien, damit Slykur nicht misstrauisch werden konnte. Es war sicher besser, wenn dieser Drache nichts von der Verwandlungsfähigkeit des Lindwurms erfuhr.

      Slykur fing sofort an zu knurren als der Lindwurm erschien. „Na toll, kaum ist er da ist der Drache, der mir helfen wollte, weg“, grummelte Slykur und sagte dann mit bösem Gesicht zu dem Lindwurm. „Wenn man vom Teufel spricht. Was willst du? Verschwinde!" Der Drache bewegte sich langsam rückwärts in die Richtung, in die er weiterziehen wollte. Den Lindwurm ließ er dabei keine Sekunde aus den Augen.

      „Warum so unfreundlich, kleiner Drache? Ich bin doch ein sehr netter Lindwurm. Ist es nicht schön, dass ich dich wiedergefunden habe? Du wolltest doch nicht etwa gehen, ohne dich von mir zu verabschieden? Das wäre sehr unhöflich von dir gewesen.“ Unbeeindruckt von Slykurs knurren näherte sich der Lindwurm dem Drachen.

      „Ich werde dir gegenüber nicht mehr viel höflicher werden. Warum spielst du auf einmal so freundlich? Gerade vorhin stand ich noch auf deiner Speisekarte. Ich habe mich mit einem Knurren von dir verabschiedet, das muss dir reichen.“ Slykur ging ein wenig schneller, er hatte nicht vor den Lindwurm noch einmal zu vertrauen nachdem er ihm schon zweimal aufgelauert hatte.

      „Wie kann man nur so nachtragend sein? Ich habe doch nur ein wenig mit dir gespielt. Ich habe hier nämlich sehr wenig Gesellschaft“, erwiderte der Lindwurm und starrte den Drachen mit einem freundlichen Lächeln an. „Könnten wir nicht einfach nett zueinander sein?" Das war typisches Lindwurmverhalten. Lindwürmer spielten einfach für ihr Leben gern mit ihrer Beute. Besonders wenn es sich um Drachen handelte. Jetzt nur nicht zu sabbern anfangen, dachte sich der Lindwurm.

      „Nein. Das hast du leider verspielt. Zuerst fängst du mich in deiner Höhle, dann überredest du mich in einen See zu gehen, wobei du mich dabei auch wieder belogen hast. Und dann jagst du mir einige Kilometer nach.“ Slykur war gar nicht von den Worten des Lindwurms überzeugt. Was bildete sich diese Schlange eigentlich ein? „Ach ja. Und nicht zu vergessen mein Flügel, alles nur so aus Spaß oder was?!" Slykurs Stimme wurde von Wort zu Wort lauter. Die letzten Worte brüllte er bereits.

      „Ach der Flügel. Ich garantiere dir, dass er in ein paar Tagen schon nicht mehr weh tut. Drachenflügel verheilen sehr schnell. Spätestens in zwei Wochen kannst du auch wieder fliegen. Übrigens siehst du ziemlich müde aus, kleiner Drache. Du solltest dich besser noch einen Moment hinlegen und schlafen, bevor du weiterziehst. Das würde dir bestimmt gut tun.“ Diesmal wird er mir nicht mehr entkommen, dachte sich der Lindwurm.

      Langsam wusste Slykur nicht mehr was er tun sollte, er stand schon kurz vor der Verzweiflung, er wurde den Lindwurm einfach nicht mehr los. „Das werde ich wohl besser wissen wie du...“ Der Drache war inzwischen richtig angefressen. Am liebsten hätte er den Lindwurm in zwei Teile gerissen. „Was willst du eigentlich von mir? Kannst du nicht einfach verschwinden? Du gehst mir auf die Nerven.“

      „Nichts Bestimmtes. Ich bin nur etwas besorgt, weil du so erschöpft aussiehst. Was dir fehlt wäre eine kleine Massage. Wenn du ruhig stehen bleibst und dich entspannst, könnte ich dir dabei möglicherweise helfen. Ich bin sehr gut in so was musst du wissen“, sagte der Lindwurm und er lächelte dabei,