Annette Oelkers

Das DAO heute


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anderen Verlauf. Du kannst nicht alles kontrollieren und beeinflussen.

      Füge den Tatsachen nichts hinzu. Bewertungen haben oftmals wenig mit der Wirklichkeit zu tun.

      3 | Miteinander leben

      Der einzelne Mensch soll nicht für seine Tüchtigkeit

       aus der Masse hervorgehoben werden,

       so vermeidet man Konkurrenzdenken.

       Besitztümer und Geld sollen nicht den Maßstab

       der allgemeinen Wertschätzung bilden,

       dann braucht niemand zum Dieb zu werden.

       Mit Vermögen und Begehrenswertem soll niemand prahlen,

       damit das gesellschaftliche Miteinander gelingen kann

       und niemand im Herzen verwirrt wird.

      Weise Menschen tragen dazu bei,

       dass alle Menschen zufrieden sind.

       Es geht im Leben darum,

       dass alle Menschen zu essen haben

       und die Herzen frei von unglücklichen Gedanken sind.

       Es geht im Leben darum, weniger Wünsche zu haben

       und die Gesundheit zu stärken.

      Weise Menschen unterstützen die Menschen darin,

       ohne Begehrlichkeiten durch das Leben zu gehen.

       Sie wirken darauf hin, dass alle Menschen erkennen,

       dass es für das Leben nicht wichtig ist, sich Theorien anzueignen.

       Sie wirken darauf hin, dass die Gelehrten ihr Wissen frei

       und ohne Manipulation vermitteln.

       Ist dies so, dann bleibt nichts ungeordnet.

      3 | Miteinander leben

      Laozis Lehre befasst sich mit dem gelingenden Leben – im Hier und Jetzt – auf dieser Erde. Was später kommt, mag später kommen. Doch erst einmal gilt es das jetzige Leben gut zu leben! Er benennt konkret, was wir tun können, um ein sinnerfülltes Leben zu führen. In einer Welt der Äußerlichkeiten gerät unser Wertvollstes, unser So-sein-wie-ich-bin, häufig in den Hintergrund. Anstatt unserer liebenswerten Individualität, werden Kriterien wie der berufliche und wirtschaftliche Erfolg zum Maßstab für ein gelungenes Leben gemacht. Den wahren Wert eines Menschenlebens bestimmen jedoch keineswegs äußere Kriterien wie Ruhm, Macht und Geld. Für Meister Laozi ist es wichtig, dass soziale und innere Werte positiv wahrgenommen und diese gesellschaftlich anerkannt werden.

      Um Irrtümern vorzubeugen: Für Laozi sind Personen mit wirtschaftlichem Erfolg oder großer politischer Verantwortung nicht zwangsläufig unedle Menschen. Der Meister weist an dieser Stelle nur darauf hin, dass wir uns nicht über Konkurrenzdenken und Unterschiede definieren sollen. Er empfiehlt uns daher, Äußerlichkeiten nicht so wichtig zu nehmen. Erfolgreichen Menschen rät er zur Bescheidenheit. Weniger erfolgreichen Menschen rät er dazu, niemanden für Äußerlichkeiten zu bewundern.

      Statusunterschiede sind nach Laozis Auffassung im Umgang untereinander wenig hilfreich. Warum ermutigt er uns dazu, dass wir sie ignorieren sollen? Seine Antwort lautet: »Heben wir einen anderen Menschen auf ein Podest, so weisen wir uns selbst einen niedrigen Platz zu. Nach kurzer Zeit möchten wir ebenfalls nicht mehr unten stehen und auch einen der begehrten Podestplätze erhalten. Glücklich fühlen wir uns nur dann noch, wenn uns fremde Menschen anerkennen und bewundern.« Diese Art des Vorgehens, ein Sich-Messen an anderen Menschen, ist völlig widersinnig und nutzlos, erklärt uns Meister Laozi. Wie sollen wir unsere ureigenen Wünsche noch erkennen, wenn wir unsere Kräfte für Wettkämpfe verbrauchen? Unsere Lebenszeit füllen wir dann nur mit unwichtigen Lebenszielen an! Legen wir jedoch negative Eigenschaften wie Neid, Konkurrenzdenken, Eitelkeit und Prahlerei ab, ist kein Wettkampf mehr möglich. Laozi sagt, solange du dein Leben noch unter Wettkampfbedingungen führst, kannst du nicht spüren, wer du wirklich bist und wonach dein Herz sich sehnt!

      Der Meister zeigt uns gleichzeitig auf, welche Dinge und Lebenseinstellungen unser Leben gelingen lassen. Um ein gutes Leben zu führen benötigt der Mensch innere Zufriedenheit, Essen und Trinken, keine Sorgen, weniger Wünsche und gute Gesundheit. Einfache Werte, die durchaus erreichbar sind. In den nachfolgenden Kapiteln wird Laozi noch genauer davon berichten, wie wir diese Werte finden können. Meister Laozi versteht seine Philosophie vom Daoismus nicht als eine theoretische Abhandlung, über die ausschließlich Gelehrte diskutieren sollen. Vielmehr möchte er seine Ansichten als praktische Empfehlungen und Lebensstrategien verstanden wissen. Er fordert uns daher dazu auf, unsere Passivität abzulegen und rät uns: »Unterstützt euch und redet miteinander! Es ist nicht wichtig einer bestimmten Theorie zu folgen. Seid frei und tauscht eure Ansichten miteinander aus. Die Natürlichkeit des Lebens, ein Austausch von Meinungen ohne Manipulation und ohne Beeinflussung führt dazu, dass sich die Welt ordnet. In dem Moment, wo wir ehrlich miteinander umgehen, haben wir eine echte Chance, die Welt zu einem guten Ort werden zu lassen.«

      Das Leben ist kein Wettkampf.

      4 | Das DAO I

      Das DAO ist mit allem verbunden

       und trotzdem grenzenlos und unerschöpflich.

       Das DAO ist sehr tiefgehend,

       so dass der Ursprung der zehntausend Dinge von ihm zu sein scheint.

      Das DAO macht das Scharfe stumpf,

       es löst Unterschiede auf,

       es passt das Strahlende an,

       es ist verbunden mit dem Normalen.

       Es ist so still, und doch scheint es zu existieren.

       Ich weiß nicht, wer es erschaffen hat.

       Es hat den Anschein, dass es vor allen anderen da war.

      4 | Das DAO I

      Ein schöner Schwan landete nach langem Flug an einem Teich. Ein dort lebender Frosch fragte ihn: »Schwan, wo kommst du her?« Der Schwan antwortete: »Das große Meer ist mein Zuhause.« Der Frosch, der das Meer nicht kannte, fragte: »Wie groß ist denn das Meer?« Der Schwan antwortete: »Es ist endlos!« Da lachte der Frosch und sagte: »Lieber Schwan, auch die Lügerei hat Grenzen. Das Meer kann nicht größer sein als die Welt, die ich kenne!«

      Das Universum ist grenzenlos und unerschöpflich. Dieser besondere Umstand führt dazu, dass wir die Essenz des Lebens nur schwer nachvollziehen können. Wir erleben täglich das DAO, wir spüren seinen Wesenskern mit jedem Atemzug, doch mit Worten können wir die Quelle allen Lebens nicht beschreiben. Was können wir überhaupt wissen? Was glauben Daoisten? Nach daoistischer Auffassung hat alles Leben eine gemeinsame Wurzel, alle Dinge auf dieser Welt sind miteinander verbunden. Es hat daher keinen Sinn, zwischen dem Du und dem Ich zu unterscheiden. Die Natur ist eins mit dir, so wie du ein Bestandteil der Natur bist. Die Berge und Flüsse nehmen im Daoismus sogar eine herausgehobene Stellung ein, da sie die Verbundenheit mit allem Leben in besonderer Weise verkörpern. Doch auch der eigene Körper verdient als Bestandteil des DAO besondere Pflege und Wertschätzung. Es ist sinnvoll, ein langes Leben anzustreben und den Körper hierfür möglichst lange gesund zu erhalten.

      Das DAO gilt als höchstes kosmisches Prinzip, welches nicht erklärt werden kann. Trotzdem versuchen wir Menschen immer wieder, Erklärungen zu finden und praktische Regeln für ein sinnerfülltes Leben aufzustellen. In einigen Regionen wurden zu diesem Zweck daoistische Tempel errichtet. Praktizierende haben darüber hinaus philosophische Betrachtungen angestellt, ethische Normen entwickelt und heilkundliche Verfahren eingeführt. Im Westen gut bekannt sind Übungen zum Fließen der Energie, beispielsweise QiGong und Taijiquan (Tai-Chi).

      Wie konnte sich der Daoismus in früheren Zeiten überhaupt so schnell verbreiten, damals noch ohne elektronische Kommunikationsmittel und soziale Netzwerke? Da chinesische Beamtenanwärter für die Aufnahme in den Staatsdienst