Annette Oelkers

Das DAO heute


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hindern. In der heutigen Zeit wird unheimlich viel Trara um alles und nichts gemacht. Gleichzeitig versäumen wir Menschen jedoch viele schöne Momente. Wir beschäftigen uns mit den falschen Dingen. Über all dem Lärm vergessen wir die eigentliche Musik des Lebens. Wir bewegen unsere Hände und unsere Füße, doch wir tanzen nicht. Wir plappern die ganze Zeit, doch wir begegnen uns nicht wirklich. Wir halten uns tagelang in geschlossenen Räumen auf und spüren weder die Sonne noch den Wind. Mit anderen Worten: Es ist an der Zeit, den verborgenen Schatz zu heben. Unser größter Schatz ist dieses jetzige Leben!

      Auf bessere Zeiten zu warten ist sinnlos! Liebe den heutigen Tag und genieße ihn. Lasse deine vorgefassten Meinungen fallen und gehe nicht roboterartig durch dein Leben. Du bist nicht als Schuldiger oder Büßer unterwegs, der sich sein Lebensrecht erst verdienen muss. Mache etwas Schönes aus deinem Tag! Es kann sehr vieles bedeuten: Genussvolles Faulenzen gehört genauso dazu, wie schönen Träumen nachzuhängen. Miteinander zu lachen und zu weinen, beides schenkt uns wunderbare Momente der Verbundenheit. Zu tanzen, zu singen und zu musizieren, lässt dich lebendig sein. Das Lesen der Zeitung oder eines Buches kann sich als Glücksmoment entpuppen. Ein Bild zu malen führt uns zu uns zurück. Kreativität in jeder Form macht uns glücklich. Den Rasen zu mähen macht uns zufrieden. Körperliche Bewegungen lassen uns frei sein. Ein Gespräch bereitet uns tiefe Freude. Die Liebe macht uns lebendig. Unsere Arbeit beglückt uns. Das Leben steckt voller schöner Momente. Genieße sie!

      In deinem Inneren verbirgt sich die Vollkommenheit des Lebens.

      11 | Leere

      Bei einem Rad laufen dreißig Speichen

       in einer einzigen Radnabe zusammen.

       Von diesem Loch in der Mitte hängt es ab,

       ob das Rad funktioniert.

      Knete Tonerde zu einem Gefäß.

       Die Leere in der Mitte macht das Gefäß brauchbar.

      Nimm einen geschlossenen Raum;

       brich aus den Wänden Türen und Fenster heraus.

       Durch das Nichts in den Wänden wird der Raum nutzbar.

      Die Nützlichkeit und Brauchbarkeit von allen Dingen,

       hängt vom Unsichtbaren, dem Nicht-Fassbaren ab.

      11 | Leere

      Mit dem Wort »Leere« verbinden wir häufig wenig Gutes. Die Leere weist anscheinend auf etwas hin, das uns gerade fehlt. Tatsächlich zeigt das Wort aber nur ein Vakuum an. Ein Vakuum ist ein neutraler Zustand, nicht gut und nicht schlecht. Ein Vakuum beschreibt einfach eine Sache ohne Inhalt. Du denkst möglicherweise, trotzdem fehlt doch etwas! Aus dieser Überlegung heraus entsteht bei den meisten Menschen der Wunsch, den vermeintlichen Mangel der Leere schnellstmöglich zu beseitigen. Dies ist die Normalität, denn oftmals idealisieren wir Menschen die »Fülle« und weitaus seltener die »Leere«.

      Ganz anders begreift Laozi diesen Zustand, er verbindet mit dem Nichts die Befreiung von allem! Er rät dir: Sieh die Sache anders. Entsteht in dir diese Leere, dann bist du frei von Abhängigkeiten, frei von Urteilen und von Verpflichtungen! Stelle dir ein Bild vor, das du gerne malen möchtest. Ist das Blatt leer, so hast du alle Möglichkeiten, deiner Phantasie und Kreativität freien Lauf zu lassen. Ist das Blatt bereits voller Striche und Farben, dann bleiben dir nur noch wenige Möglichkeiten, neue Formen zu finden und das Bild zu verändern.

      Der Meister zeigt uns, dass auf dieser Erde alles nur in Verbindung mit der Leere gut funktioniert. Ein Rad kann sich ohne eine leere Radnabe nicht drehen. Ein Gefäß kann nicht gefüllt werden, wenn es schon voll ist. Die Leere schafft die Voraussetzung dafür, dass wir unser Leben mit Inspiration und Glückseligkeit füllen können. Vielleicht sehnst du dich nach dieser Leere, damit genügend Platz für Neues entstehen kann: neue Gefühle, neue Gedanken, neue Erfahrungen. Doch wie kannst du sie finden, wenn du das Gefühl hast, bereits übervoll zu sein?

      Erinnere dich daran, auch du hast das Potential in dir, ein glücklicher Mensch zu sein. In deinem Inneren ist alles dafür Notwendige bereits vorhanden. Dir stehen mehr gestalterische Möglichkeiten zur Verfügung, als du in diesem Leben jemals benötigen wirst! Die Auswahl an Gefühlen und Aktivitäten ist unendlich groß. Für welche deiner Fähigkeiten du dich entscheidest, liegt in deinen eigenen Händen. Du gestaltest während deiner Lebenszeit dein eigenes Bild! Die Möglichkeit aus deinen Anlagen das Bestmögliche zu machen, ist ein Geschenk des Lebens an dich. Um das Richtige zu tun, hilft es dir, leer zu sein.

      Leer wirst du, indem du reduzierst. Bedenke, dass die Fülle – das Überflüssige – der Klebstoff ist, der dich an Vergangenes bindet und eine Entwicklung verhindert. Befreie dich davon!

      Durchschaue deine inneren Muster und versuche Neues. Dich selbst und die Schönheit des Lebens kannst du nicht nur in fernen Ländern entdecken. Auch zu Hause, einerlei wo sich dieses gerade befindet, ist dies gut möglich. München oder New York, 1-Zimmerappartment oder Luxusvilla – es ist gleich! Jede Lebenssituation und jeder Aufenthaltsort ist dafür geeignet, das Leben in seiner Vielfalt wahrzunehmen. Letztendlich werden sich durch deine neuen Freiräume, durch die »Leerstellen« im Leben, auch neue Lebenschancen eröffnen. So paradox es klingen mag: Deine Welt wird weiter und bunter durch die Leere in dir!

      Entdecke dich selbst. Gib dir dafür den inneren Raum und schaffe Platz für Neues.

      12 | Zuviel von allem

      Fünf Farben gleichzeitig zu verwenden,

       macht das Erkennen einzelner Farben unmöglich.

       Fünf Töne gleichzeitig anzuschlagen,

       macht die Ohren taub.

       Fünf Gewürze gleichzeitig zu nehmen

       führt zur Abstumpfung des Geschmacks.

      Immer in Eile zu sein,

       das Jagen nach dem großen Glück,

       macht die Menschen rastlos.

       Energie und Lebenszeit mit der Erlangung

       von überflüssigen Gegenständen zu vergeuden,

       schadet dir.

      Der weise Mensch beobachtet die Welt,

       vertraut aber auf seine eigene innere Vision.

       Er lässt die Dinge kommen und gehen.

       Der weise Mensch arbeitet für seinen Magen,

       nicht für seine Augen.

       Er arbeitet, um genügend zu essen zu haben.

       Er arbeitet nicht, um Dinge sein eigen zu nennen.

      12 | Zuviel von allem

      Einige Menschen müssen immer höher hinaus, damit sie sich für wenige Augenblicke glücklich fühlen können. Ist einer ihrer Wünsche in Erfüllung gegangen, verfolgen sie ihr nächstes Ziel. Laozi hat erkannt, dass es sinnlos ist, den eigenen Wünschen hinterherzulaufen. Sich immer größere Ziele vorzunehmen, führt zu einer Vergeudung der Lebenszeit! Denke nur daran, wie viel Energie du für die Erfüllung von oftmals überflüssigen Wünschen aufbringen musst. Es ist besser, sagt Laozi, nur für das Notwendige zu arbeiten und nicht auch noch für das Überflüssige! Erkenne den wahren Wert aller Dinge. Verbringe deine Zeit mit netten Menschen, sei kreativ, genieße die Natur, anstatt ein Shopping-Experte zu werden. Wie oft kaufen wir Gegenstände, die wir in der nächsten Saison nicht mehr leiden mögen. Vertraue nicht den Werbeversprechen. Statt dessen bietet dein Leben dir die großartige Möglichkeit, dich selbst zu erfahren und dich jeden Tag neu zu erfinden. Hierfür benötigst du zeitliche Freiräume! Vergeude deine Lebenszeit daher nicht für belanglose Nichtigkeiten. Belade dich nicht mit der Mühsal immerwährender Arbeit. Für Daoisten ist Arbeit ein normaler Bestandteil des Alltags, jedoch nicht der einzig wichtige. Es ist nicht erstrebenswert, ein »Workaholic« zu werden.

      Traue dich, bescheidener zu leben! Vielleicht hast du die Befürchtung,