Annette Oelkers

Das DAO heute


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inneren Frieden zu finden.

       Inneren Frieden zu finden, bedeutet deine Bestimmung zu finden.

       Deine ursprüngliche Bestimmung zu erfüllen, bedeutet beständig zu sein.

       Das Wissen um die Beständigkeit verschafft dir Einsicht und Klarheit.

       Fehlt dir das Wissen um dein ewiges Leben, so tust du leicht das Verkehrte.

      Das Wissen um die Beständigkeit führt zu Offenheit.

       Offenheit führt dazu, dass man ohne Vorlieben ist.

       Bist du ohne Vorlieben, dann bist du wie der Himmel.

       Bist du wie der Himmel, dann bist du wie der Ursprung.

       Bist du wie der Ursprung, dann wirst du eins mit dem Leben sein.

       Eins mit dem Leben zu sein dauert ewig.

       Lebst du in dieser Weise, so bist du bis zum Lebensende nicht in Gefahr.

      16 | Kreislauf des Lebens

      Jede Jahreszeit wird durch eine andere Jahreszeit abgelöst. Der Frühling erfüllt alle Lebewesen mit Lebendigkeit und bringt die Pflanzen zum Erblühen. Diese wundervolle Energie findet sich nicht nur in den Bäumen und Sträuchern wieder, sondern auch in uns Menschen kommt sie zum Tragen. In den nachfolgenden Sommermonaten folgt eine Zeit der Reife, der Helligkeit und der Leichtigkeit. Die Herbsttage nutzen wir für das Einbringen der Ernte; die ruhigen und dunklen Tage stehen aber auch für Momente der Besinnung und der Rückschau. Im Winter verlieren die Bäume ihre Blätter, sie wirken schutzlos, beinahe schon tot, so als würden sie niemals wieder grün werden. Doch auch nach dieser dunklen Jahreszeit kehrt das Frühjahr wieder mit Leben zurück. Der Kreislauf des Lebens beginnt Jahr um Jahr, immer wieder aufs Neue. Wir »vertrauen« nicht nur auf das Wiedererwachen der Natur, wir »wissen« aufgrund eigener Erfahrungen, dass der Kreislauf des Lebens existiert.

      Mit den Lebenszyklen der Menschen verhält es sich ähnlich, wir durchlaufen verschiedene Lebensabschnitte in unserem Leben. Diese Phasen nennen wir die Kindheit, die Jugend, das Erwachsensein und das Alter. Dann, eines Tages, sterben wir. Ist damit der Kreislauf des Lebens beendet? Laozi ist der Auffassung, dass wir die Welt verlassen, um zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Der sichtbare Körper wird verlassen, der nichtsichtbare Teil des Lebens bleibt erhalten und kehrt zum Ursprung des Lebens zurück. Spätestens durch die Rückkehr zum DAO werden wir erkennen, dass unser Leben nicht an Raum und Zeit gebunden ist. Wir werden den tieferen Sinn des Lebens erfassen können. Seine konkrete Aussage hierzu lautet: »Es gibt eine Form von ewigem Leben!« Der Meister lässt dir an dieser Stelle viel Raum für die Entwicklung deiner eigenen Vorstellungen. Da aus seiner Sicht die Erkenntnisse über die Zeit im Jenseits nicht gesichert sind, hält er sich mit konkreten Angaben zurück. Zur Klarstellung sei gesagt: Laozi erwähnt nicht, ob ein Wiedersehen mit Verstorbenen möglich ist. Er beschreibt ebenfalls nicht die Abfolge von mehreren Wiedergeburten, wie sie im Buddhismus angenommen wird. Der Meister kennt auch keine himmlische Eingangskontrolle. Er weist weder auf ein Fegefeuer noch auf das Paradies hin. Du bist frei in deiner Vorstellungswelt und kannst deinen eigenen Überlegungen folgen.

      Für Laozi besteht die wesentliche Erkenntnis darin, dass das diesseitige Leben nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Daseins widerspiegelt und die Lebensenergie durch den Tod nicht verlorengeht. Entdeckst du den Kreislauf des Lebens, dann wirst du offener mit anderen Menschen umgehen. Deine Offenheit lässt es geschehen, dass du nicht mehr nur deine persönlichen Vorstellungen als alleinige Lösung ansiehst. Erkennst du die Größe deines Lebens, dann wirst du eins mit dem DAO sein und entsprechend handeln. Dich kann nichts Äußeres mehr gefährden.

      Das irdische Leben spiegelt nur einen kurzen Ausschnitt des Daseins wider.

      17 | Verantwortung und Vertrauen

      Steht ein großer Mensch an der Spitze,

       so weiß man von seiner Existenz,

       bemerkt jedoch kaum sein Handeln.

       Unter diesem Besten steht jemand,

       den die Menschen lieben und loben.

       Hierunter steht jemand,

       den die Menschen fürchten.

       Darunter steht jemand,

       den die Menschen verachten.

      Vertrauenswürdigkeit ist ein sehr wichtiges Gut.

       Vertrauen die Menschen einander nicht,

       dann sind sie besorgt und hoffen dennoch

       auf ehrliche und aufrichtige Worte.

       Sie messen den Worten große Bedeutung bei.

      Ein großer Lenker und guter Mensch

       wirkt im Stillen und hinterlässt keine Spuren.

       Wenn alles vollbracht ist,

       alle Aufgaben erledigt sind,

       sagen die einfachen Menschen:

       Wir haben es ganz alleine geschafft.

      17 | Verantwortung und Vertrauen

      Steht jemand an der Spitze einer Organisation, so ist damit eine große Verantwortung verbunden, da der jeweilige Führungsstil weitreichende Auswirkungen hat. Meister Laozi beschreibt vier verschiedene Formen der Zusammenarbeit:

       Verfügen Leitungspersonen über innere Größe, so sind sie den anderen Menschen bei dem Erreichen ihrer Ziele behilflich. Die Untergebenen werden die Leitungsaktivitäten kaum wahrnehmen und denken, sie hätten alles alleine vollbracht. Dies ist die wahre Meisterschaft der Führungsverantwortung, denn die äußere Anerkennung ist nicht von Bedeutung.

       In der zweiten Gruppe befinden sich ebenfalls ausgezeichnete Führungspersönlichkeiten, sie geben für die Arbeit ebenfalls ihr Bestes und erreichen viel Gutes. Diese Menschen benötigen jedoch noch das Lob der anderen, um glücklich zu sein.

       Eine Stufe tiefer stehen Leitungspersonen, deren Handlungen Ängste und Beklemmungen bei ihren Mitmenschen auslösen.

       Auf der eindeutig niedrigsten Stufe befinden sich die Personen, deren Worte und Taten bei ihren Mitmenschen Verachtung hervorrufen.

      Solltest du zu einer der beiden letztgenannten Personengruppen zählen, dann befindest du dich in großer innerer Not. Indem du ungerecht handelst, offenbart sich dein fehlendes Selbstvertrauen. Nimm dir die Zeit und denke über deine Lebenssituation nach. Bitte vertrauenswürdige Menschen um ihren Rat und ihre Unterstützung. Finde die positiven Kräfte in deinem Leben, damit du eine gute Führungspersönlichkeit wirst.

      Der zweite Teil des Textes handelt von der Vertrauenswürdigkeit. Laozi sagt, vertrauen zu können ist für jeden Menschen wichtig. Jemandem zu vertrauen, ist eine wunderbare Eigenschaft, denn sie beruht auf einer beiderseitigen Verbundenheit. Vertrauen ist viel mehr als nur eine vage Hoffnung – es ist die Gewissheit, dass der andere Mensch bestmöglich handelt. Ist es anders, dann wird das Leben zu einer einzigen großen Anstrengung. Wir brauchen einen ehrlichen und aufrichtigen Umgang miteinander. Wir sehnen uns nach Loyalität, so dass wir uns wohlfühlen können. Wenn wir uns gegenseitig Dinge sagen, dann müssen sie wahr sein. Ob es sich hierbei um Kritik oder um eine Bestärkung der eigenen Ansichten handelt, ist dabei absolut zweitrangig. Ehrliche Worte helfen uns und den anderen Menschen dabei, angstfrei zu leben.

      Jedem Menschen die Freiheit der eigenen Entscheidung zuzugestehen, auch hierbei handelt es sich um Vertrauen. Du lebst dieses Leben nicht, um Lektionen zu erlernen, die dir andere Menschen erteilen. Die große Idee deines Lebens besteht nicht darin, Fehler zu vermeiden. Auch musst du aus diesem Leben nicht eine einzige endlose Anstrengung machen. Für dein Leben ist es wichtig, dass du dich entdeckst und auf etwas Neues zu bewegst. Vertraue dir. Vertraue dem Leben! Du wirst geliebt und bist akzeptiert, so wie du bist! Du bist in deinem Leben schon angekommen – du bist da! In diesem Leben, in deinem Alltag kannst du dich selbst erfinden. Nicht der Wind bestimmt deinen Kurs, sondern die Segel, die du selbst setzt, bestimmen deine