Victoria M. Castle

Joayna


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konnte, während sie sich schnell darüber hinwegbewegte.

      Ab und zu hatte sie das innehalten und lächeln lassen, als hätte man ihr für diesen einen Moment die Zeit angehalten. Sie hatte die Augen geschlossen, tief Luft geholt und ihre Reinheit gespürt, welche an keinem anderen Ort der Welt, den sie je gesehen hatte, so ehrlich war wie in Tiéfwâas.

      Doch am heutigen Tage schenkte sie dieser Reinheit keinerlei Aufmerksamkeit.

      Das Moos unter ihren Füßen wurde schnell kälter, zog sich zurück aus der Dunkelheit des kalten Steines, welchen sie betrat.

      Ein paar Stufen stieg Lindsay hinab und spürte die Kälte immer dichter werden, als sie im Inbegriff war, unter den Wurzeln hinweg in einen winzigen Teil des Tals zu gelangen, der am Rande des „Unterholzes“ lag.

      Das „Unterholz“ war eine Gegend, die sich unter der Erde befand. Dort fand meistens das rege Treiben der Arbeiter statt, Produktionen von Materialien, welche außerhalb von Tiéfwâas zum Export an andere Städte gebracht wurden. Ganz am Rande des „Unterholzes“ in den tiefen kalten Stein gehauen befanden sich die Schmieden, welche das hochgeschätzte, seltene Elfenstahl zu harten, mit Magie besetzte Waffen formten. Und hier am Rande dieser Schmiede war Lindsays geheimer Unterschlupf, ein Ort, an den sie sich zurückzog, wenn sie die Kälte brauchte, die der Stein ausstrahlte, die Ruhe hinter den dicken Wänden.

      Sie hatte es bisher geschafft, in all der Zeit hier nicht einmal entdeckt worden zu sein, wenn sie durch den winzigen Spalt schlüpfte, durch den ein Arbeiter der Schmiede nicht einmal passen würde. So war es auch, dass sie heute nicht entdeckt worden war, als sie sich durch den kalten Stein presste, der ihr am Rücken entlanglief und durch den leichten, schwarzen, dünnen Stoff strahlte, der sich über ihren zierlichen Körper spannte und so die eisige Kälte hineinließ.

      Diese Kälte ließ Lindsay ihren Schritt beschleunigen, als könnte sie es kaum noch erwarten in das Innere des Felsens zu gelangen, aus dem diese zu kommen schien.

      Als sie sich schließlich durch den kleinen Spalt gezwängt hatte, machte dieser Platz für einen großen Raum, welcher in vollkommene Dunkelheit gehüllt war und so all seine Geheimnisse für sich behielt.

      Lindsay zögerte nicht einen Moment, ging geradewegs einige große Schritte in den Raum hinein, als wüsste sie genau, wo sich jeder einzelne Stein auf dem Boden befand, der sie hätte zum Stolpern bringen können. Sie duckte sich kurz, um den Kopf nicht an einem groben Felsen, der von der Decke ragte, zu stoßen, ohne diesen vor sich zu sehen, und lief zielstrebig auf die gegenüberliegende Wand zu.

      Erst dort blieb sie stehen, straffte ihre Schultern und hob ihre linke Hand, um schließlich mit einem kleinen Schnippen zwischen Mittelfinger und Daumen eine winzige Flamme entstehen zu lassen, welche den Raum nur insofern erhellte, dass sie geradeso wenige Zentimeter die Wand vor sich wahrnehmen konnte.

      Leicht bückte Lindsay sich, griff mit der rechten Hand in einen winzigen Spalt im Stein, durch den ihre dünnen Finger geradeso hindurchpassten, und zog geschickt aus dem engen Schlitz ein kleines Messer heraus, welches einen groben Holzgriff hatte, der bereits am Ende abgebrochen war und von der Zeit in der Dunkelheit der Höhle und von Feuchtigkeit an der Klinge gezeichnet worden war. Doch für ihr Vorhaben reichte dieses alte Messer, denn alles, was sie tat, war es an die kalte Felswand zu heben und die schon abgerundete Spitze anzusetzen, um eine etwa drei Zentimeter große Markierung in die Wand zu ritzen.

      Nachdem sie dies getan hatte, holte Lindsay tief Luft, steckte das Messer wieder zurück an seinen Platz im Schutze des Steines und richtete sich erneut auf. Im winzigen Schein des Feuers zwischen ihren Fingern betrachtete sie sich die Markierung, welche sie vollführt hatte und ließ ihren Blick nach links gleiten, schienen dort noch weitere solcher Markierungen zu sein. Einen Moment fixierte sie diese, ehe sich ihr Blick verhärtete und sie sich mit einer schnellen Bewegung umdrehte und das Feuer zwischen ihren Fingern zu einem großen Strahl wurde, der in der runden Bewegungen ihres Armes den gesamten Raum erhellen ließ und so die wahre Größe des Raumes freigab, in dem ohne Schwierigkeiten fünfhundert Mann Platz finden konnten.

      Und mit dem Blick auf den übrigen Raum, gab das Feuer auch den Blick auf die restlichen Wände frei, in welchen sich weitere dieser kleinen Markierungen befanden.

      „Zweihunderteinundneunzig“, sagte Lindsay und hörte ihre eigene Stimme kalt von den Wänden widerhallen.

      Ein weiterer Tag hatte begonnen.

      Lindsay hatte den großen Marktplatz durchschritten, jedoch war es für sie noch immer sehr ungewohnt, durch Tiéfwâas zu wandern. Schon von Beginn an war es schwierig für sie gewesen, hier umher zu wandeln, waren die Wesen hier allesamt doch auf ihresgleichen nicht gut eingestellt.

      Es musste Shadow viel Überredungskunst gekostet haben, sie hier hereinzubringen, wenn sie sich auch daran nicht erinnern konnte, wie sie hierher gelangt war.

      Doch als sie schnell sich bewiesen hatte, mit ihrer Kraft viel anpacken zu können, und so einige der Probleme für die Elfen im Tal aus dem Weg schaffen konnte und man festgestellt hatte, dass trotz ihrer Ankunft die Dämonenangriffe gänzlich auf null gesunken waren, musste man sie wohl für würdig gehalten haben.

      Zumindest fürs Erste.

      Ihr Einzug in Tiéfwâas gehörte jedoch zu dem Teil ihrer Erinnerungen, die in tiefster Dunkelheit versunken waren. Alles, was ihr blieb, waren ein paar Erzählungen von Shadow und die Gegenwart.

      Am Ende des Marktplatzes befand sich ein großes, beachtliches Gebäude, welches von vielen Wurzeln umschlungen war und aus denen ganze Gesichter und Figuren geformt waren, die wie Wächter des Gebäudes wirkten.

      Es war die Kirche von Tiéfwâas.

      Hierher hatte man sie gebeten zu kommen, nachdem sie von den Zerstörungen des Trupps gehört hatte.

      Vermutlich ging es jedoch nur um Kleinigkeiten, die schnell behoben sein würden, gab es hier in Tiéfwâas doch nie wirklich gravierende Reparaturen.

      Von Zeit zu Zeit kamen die Drachentrupps aus Schlachten weit entfernt des Tales zurück und vergaßen oftmals in ihrem Siegesrausch, dass die Größe der Drachen teilweise nicht kompatibel war mit manchen Gegenden der Stadt, sodass es hier und da ein paar eingebrochene Baumwurzeln oder zerknickte Astdächer gab, die es zu korrigieren galt, wie es sicher auch heute der Fall sein würde.

      Lindsay schaute sich flüchtig auf dem Platz um, als sie erkannte, dass die Freiwilligen hier wohl bereits mit dem Aufbau fertig zu sein schienen, während sie auf dem Weg zur Kirche gewesen war.

      Sie schüttelte leicht den Kopf und dachte darüber nach, den Weg zur „Baumkrone“ entlang zu gehen, war dies doch die Strecke gewesen, welche der Trupp gestern nach ihrem Sieg sicherlich gegangen war, um nachzusehen, ob es dort noch eine helfende Hand benötigte.

      „Dämon“, hörte sie hinter sich eine alte, krätzige Stimme sagen und sie wandte sich um, ehe sie in das Gesicht einer alten Elfenfrau sah, die dank ihrer grazilen, zierlichen Gene noch zerbrechlicher wirkte, als es bei einem Menschen der Fall gewesen wäre.

      „Wie bitte?“, fragte sie, wenn sie auch genau verstanden hatte, worauf die Elfenfrau hinauswollte.

      Sie gehörte nicht hierher.

      Es gab niemand anderen wie sie hier im Elfental und das aus gutem Grund.

      „Sie werden zurückkommen“, fuhr die alte Frau fort und hatte ein Funkeln in den Augen, welches Lindsay nicht zu deuten vermochte.

      „Glaubt nicht, dass dies ihre letzte Tat gewesen war. Sie werden zurückkommen“, sprach sie weiter und Linds verengte die Augen, als könnte ihr geschärfter Blick ihr mehr Klarheit in die Aussagen der alten Elfenfrau bringen.

      „Wer?“, fragte sie sofort und sah ihr nun mit ehrlichem Interesse entgegen.

      „Schmerz!“, rief die Frau mit einem Schlag lauter und war erschreckend schnell für ihr Alter auf Lindsay zugekommen, sodass diese zurückgetreten war und ihre linke Hand eine Steinfigur hinter sich berührt hatte.

      Mit einem