Günter Müller

Roter Dünensturm am Abend


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      Roter Dünensturm am Abend

      Günter Müller

      Roter Dünensturm am Abend

      Teil 1

      Tag 1

       Tag 1

      Endlich Urlaub. Nach reichlich Arbeit durch mehrere Projekte endlich Ruhe, entspannen, einfach abhängen und relaxen. Ich bin auf dem Weg in das schon seit längerem reservierte Ferienhaus am Meer. Schon auf der Fahrt dorthin lasse ich es gemächlich angehen. Es ist wenig Verkehr und so lasse ich den Wagen ohne Eile einfach dahinrollen. Kurz bevor ich am Ziel bin, halte ich an einem Supermarkt, an dem ich vorbei komme, um ein paar Sachen einzukaufen, damit ich zumindest für´s Frühstück am morgigen Sonntag nicht vor einem leeren Kühlschrank stehe. Schnell dann noch den Schlüssel für das Ferienhaus abholen, das Auto ausladen und dann als allererstes erstmal auf den Deich. Nachsehen ob Wasser da ist … den Wind um die Nase wehen lassen … Gehirn ausschalten. So ganz nebenbei stelle ich im Ferienhaus erfreut fest, dass ich dort keinen, oder zumindest nur sporadisch und dann sehr mäßigen Mobilfunkempfang habe. Wie schön, …auch in dem Punkt stört niemand. Nachdem ich meine Sachen im Haus untergebracht habe, mache ich mich auf den Weg zum Deich und steige die Treppe zur Krone hoch.

      Siehe da … es ist auch Wasser da. Von See her weht auch eine leichte Brise und am Himmel schieben sich Wolken gegenseitig an. Es ist auch angenehm warm und so bewege ich mich von den Häusern und Leuten weg auf dem Deich entlang. Zur Meeresbrise mischt sich der Geruch von frisch gemähtem Gras. Nicht lang und es wird ruhig. Der Sandstrand mit Bevölkerung liegt hinter mir und vor mir ist nur freie Landschaft, durch die sich der Deich in langen Bögen schlängelt. Nur ein paar Möwen am Himmel und das gleichmäßige Rauschen der kurzen Wellen, die auf das Ufer rollen. Der Weg auf dem Deich ist in regelmäßigen Abständen durch einen Zaun unterbrochen. Es grasen Schafe in den abgezäunten Bereichen. An jedem der Zäune sind unten am Deich Durchgänge und oben auf dem Deich Überstiegsmöglichkeiten angebracht, so dass man nicht jedes Mal mühselig über den Zaun klettern muss. Auf dem Weg unterhalb des Deichs auf der Seeseite erkenne ich einzig in weiterer Entfernung einen Radfahrer, der mir, so wie es aussieht entgegenkommt. Ich steige derweil über den nächsten Zaun, bleibe jedoch mit einem Hosenbein irgendwo hängen, greife instinktiv noch nach der Haltestange, verfehle diese allerdings und stürze auf der anderen Seite des Zauns von der Treppe. Es wird eine harte Landung. Dann wird es um mich herum dunkel. Als es wieder hell wird durchzieht mich ein sehr stechender Schmerz und ich sehe nur blau. Im Unterbewusstsein höre ich eine als weiblich einzuordnende Stimme die mich fragt ob ich sie hören könne. Völlig benommen habe ich noch nicht realisiert ob das echt ist und frage instinktiv zurück, ob ich jetzt im Himmel sei.

      Das Blau bewegt sich. Ich blicke erst in die Wolken und dann in ein Gesicht was da antwortet. „Nein, gefühlt zwar 10 Meter näher dran, aber derzeit nur oben auf dem Deich.“ Es schmerzt. Ich versuche mich aufzurichten. „Können sie sich bewegen ? Kann ich helfen ? Ich war da unten mit dem Rad unterwegs und hab den Absturz gesehen. Und da sie nicht gleich wieder hoch sind bin ich erstmal hier hoch um nachzusehen was passiert ist … das sieht nicht sehr schön aus … ich denke wir sollten vielleicht besser einen Krankenwagen bestellen.“ „Nein,“ antworte ich, „es wird schon gehen“. Immer noch ein wenig benommen richte ich mich auf. Erst jetzt merke ich, dass meine linke Hand blutet. Mein linkes Knie schmerzt und auch der linke Arm lässt sich nur unter Schmerzen vorsichtig bewegen.

      „Das geht so nicht,“ höre ich sie sagen, „das sieht nach einem Besuch beim Arzt aus.“ „Nein, und wenn überhaupt dann erst morgen wegen der paar Kratzer,“ entgegne ich. „Ich hab Urlaub und das kann ich auch in den nächsten Tagen selbst auskurieren.“ „Na, dann wollen wir mal sehen was geht. Mein Fahrrad steht da unten. Dann werden wir jetzt erstmal da runter und dann weiter auf dem befestigten Weg. Da sind wenigstens keine weiteren Zäune mehr über die man dann klettern muss.“ Humpelnder Weise hangele ich mich am Zaun entlang nach unten. Mir tut gefühlt alles weh. Ich will aber nicht schon am ersten Tag zum Doc. So nehme ich mein Taschentuch und bedecke damit meine blutende Hand. Also Zähne zusammenbeißen und möglichst nix anmerken lassen. Ich bin dann wahrscheinlich heute Abend beim Landfrauentreff eh schon Gesprächsthema, dass die Touris zu blöd sind auf drei Stufen über ´nen Zaun zu steigen…

      „Sie sind das erste Mal an der See ?“, fragt sie während wir gemächlich wieder in Richtung der Ferienhäuser gehen. „Nein, warum ?“ „Dann sind sie aber wohl eher so der pure Naturgewaltenliebhaber oder so was ähnliches…“ kommt noch hinterher. „Riskieren sie mal ´nen Blick zum Himmel…“ Ich blicke nach oben und stelle fest, dass es nun von mir unbemerkt ringsherum dunkler geworden ist und aus den zuvor einzelnen Wolken eine geschlossene Wolkendecke entstanden ist. „Da wird gleich einiges von oben herunter kommen … ich hoffe wir schaffen es noch vorher wieder zurück.“ Ich versuche etwas schneller zu humpeln, doch bereits etwa 200 Meter weiter beginnt es zu tröpfeln.

      Zum ersten Mal nehme ich die Frau neben mir nun wirklich in Augenschein. Verpackt in einem längeren, dunkelblauen Friesennerz mit Schmuddelwedda® Schriftzug -wie passend, denke ich- und schwarzer Regenhose. Und so wie das aussieht dazu unter der Hose vermutlich Gummistiefel. Damit ist sie wirklich besser dran als ich. Es wird mehr an Regen und sie stülpt sich die Kapuze über die zusammengedrehten dunkelblonden Haare. Mitleidsvoll blickt sie nun zu mir herüber und bleibt stehen. Aus der Satteltasche ihres Fahrrads holt sie erst etwas schwarzes hervor. „Hier, ein Südwester. Nicht unbedingt das modischste Teil, ist aber wasserdicht. Das was ich sonst noch habe ist dies hier…“ Dabei reicht sie mir einen größeren Plastiksack. „Mehr kann ich momentan nicht tun, ein wenig hält es den Regen aber immerhin ab. Bis wohin müssen sie denn noch ganz ?“ möchte sie dann noch wissen. „Die erste Ferienhaussiedlung, gleich von hier aus den ersten Weg rein und dann ist´s das zweite Haus rechts.“ „Na dann haben wir ja denselben Weg. Da muss ich auch hin ... allerdings bis ganz hinten rechts.“ O.k., denke ich. Immerhin fällt dann das Gesprächsthema bei den Landfrauen wohl weg. Sie scheint demnach hier auch im Urlaub zu sein. Ich setze den Südwester auf und verkrieche mich so gut es geht in, bzw. unter dem Plastiksack. Je mehr wir uns den Häusern nähern desto stärker wird der Regen. Wenigstens ist kein starker Wind und der Regen kommt fast senkrecht herunter.

      Sie nassglänzend und ich mittlerweile ringsherum durchgeweicht liefert sie mich vor meiner Tür ab. „Haben sie was vernünftiges zum Verarzten der ganzen Blessuren da ?“ Eh ich antworten kann fügt sie noch dran „Ich hol eben schnell was und bin dann damit gleich zurück. Wenn sie selbst nicht zum Arzt gehen dann muss der eben kommen…“, steigt auf ihr Rad und entschwindet in Richtung der anderen Häuser die Straße entlang. Es schmerzt als ich versuche die Tür unter gleichzeitigem ziehen aufzuschließen. Als ich dann endlich drin bin entledige ich mich direkt hinter der Tür im Flur des Plastiksacks und des Südwesters. Ich begebe mich Richtung Bad um erstmal die nassen Klamotten loszuwerden, aber schon klingelt es an der Tür. Ich öffne. „So, da bin ich schon wieder“, begrüßt sie mich und tritt ein. Sie stellt einen kleinen schwarzen Koffer ab und hängt ihren triefnassen Friesennerz an die Garderobe. Auch die Stiefel zieht sie aus und stellt sie dort mit ab. Hübsch, denke ich. Schwarze Hunter® Stiefeletten mit Absatz. „Na los, erstmal raus aus den nassen Klamotten.“ fordert sie mich auf. „Ich hänge hier nur eben meine nassen Sachen auf.“ Ich verschwinde im Bad. Mühselig entledige ich mich der nassen Klamotten, trockne mich so gut es geht ab und steige in eine Jogginghose wieder ein. Dazu noch ein T-Shirt und obendrüber einen langen flauschigen Bademantel. Das blutige Taschentuch lasse ich auch im Bad, wickele meine Hand in ein Handtuch und gehe zurück.

      Sie sitzt in der Küche und hat den Koffer auf dem Tisch abgestellt und steht auf als ich durch die Tür komme. „Nun wollen wir mal sehen, was wir da hinbekommen können. Erstmal bitte das Handtuch entfernen.“ Ich gehorche und strecke ihr meine Hand entgegen. „Da hat’s ´ne ganz schön tiefe Schramme gegeben. Das waschen wir jetzt erstmal unter fließendem Wasser. Anschließend werd´ ich das verbinden. Damit wird es dann aufhören zu bluten.“ Gesagt – getan. Aus dem Koffer entnimmt sie ein sehr dickes Verbandpäckchen und wickelt meine Hand darin ein. Als sie damit fertig ist, ist meine Hand ziemlich unbeweglich und fast doppelt so groß wie vorher. Als nächstes verarztet sie dann die Schrammen auf meinem rechten Arm. „Machen sie sowas häufiger ?“ will ich wissen. „Das sieht sehr professionell