Günter Müller

Roter Dünensturm am Abend


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kalt. Daher einfach ab in Jogginghose und T-Shirt und dann die Regenklamotten drüber. Gummistiefel an und los. Es fühlt sich gut an. Ich kann auch nichts anderes behaupten als dass ich mich doch sehr wohl fühle so verpackt. Komisch, dass ich noch nicht früher darauf gekommen bin. Ich stapfe die Straße entlang Richtung Deich. Oben auf dem Deich stehen mehrere Leute. Na, dann bin ich ja noch nicht mal allein mit Meer und Wellen ansehen bei dem Wetter, denke ich. Ich steige die Treppe zur Deichkrone hinauf und in dem Moment als ich oben über den Kamm blicken kann bläst mir direkt der starke Wind von Seeseite aus ins Gesicht und wirft mich fast wieder zurück. Ich kämpfe mich aus dem Windschatten des Deichs nach ganz oben. Nun ist auch das ganze Ausmaß zu erkennen. Eine mächtige Brandung rollt donnernd auf den Strand. Die Luft von See her schmeckt salzig.

      Die anderen Leute interessiert aber scheinbar etwas ganz anderes. In einiger Entfernung zum Strand liegt in merkwürdig schräger Position ein Marinefahrzeug im Wasser. Nicht übermäßig groß, Mienenräumer oder Schnellboot oder so was in der Größe etwa. Ich blicke zur Seite und mein nächster Nachbar dreht sich wie auf Kommando zu mir um „manövrierunfähig, hängt da seit etwa zwei Stunden schon fest“. Keine Ahnung woher er das weiß, aber so wie das Teil da liegt muss das wohl stimmen. Genau in diesem Moment donnern in niedriger Höhe zwei SAR-Hubschrauber über uns hinweg auf den Havaristen zu. Erstaunlich, dass die bei dem Wetter überhaupt fliegen. Na immerhin, wenn die Truppe am Boden bzw. auf dem Wasser auf Grund der desolaten Technik nicht vorwärts kommt so scheint wenigstens der Rettungsdienst besser zu funktionieren. Man müsste in so einer Situation den Verteidigungsminister am besten zusammen mit dem Finanzminister immer als erstes zu den Havaristen abseilen. Spätestens beim zweiten Mal werden dann wahrscheinlich sofort die dringend benötigten Finanzmittel freigegeben…

      Aus einem der Hubschrauber wird nun eine Person auf den Havaristen abgeseilt. Auch hinter uns wird es jetzt lebhaft. Eine Fahrzeugkolonne der Bundeswehr fährt vor. Den fünf Fahrzeugen entsteigen etwa 30 Soldaten die unten erst in Reih und Glied antreten und dann in einer Reihe die Treppe zur Deichkrone heraufkommen. Die Soldaten verteilen sich auf der Seeseite der Deichkrone in etwa gleichmäßigen Abständen von zehn Metern voneinander. Als letztes erscheint ein Leutnant, der den anwesenden Personen erklärt, dass es sich um eine militärische Unfallstelle handelt, sein Trupp diese absichern soll und dass sich niemand von uns weiter nähern soll. O.k. …verrückte Welt. Wo bitteschön soll den das Schiff hin ? Mitnehmen von einem der Zuschauer ist wohl eher ausgeschlossen. Oder sollen sie eher dafür sorgen, dass niemand das Schiff verlässt. Das Teil liegt bestimmt 500 Meter vom Ufer entfernt weg. Spaßige Vorstellung … Die beiden Hubschrauber kommen wieder zurück und setzen zur Landung auf einem Feld hinter dem Deich an. Kaum dass sie dort gelandet sind erscheint die nächste Kolonne und sichert den Landeplatz. Innerhalb von etwa 30 Minuten stehen dort zwei Zelte. Etwa 20 Fahrzeuge stehen nun rund um das Feld und gefühlt zwei Kompanien an Soldaten bevölkern die Fläche. Die Hubschrauber werden betankt. Der Tankwagen schafft es aber nicht aus eigener Kraft aus der aufgeweichten Wiese wieder herauszukommen. Das hätte man sich eigentlich auch denken können … naja … zwei schützenpanzerähnliche Fahrzeuge schaffen es schließlich den Wagen dort unter lauten Hauruck rufen der Zuschauer auf dem Deich wieder herauszuziehen. Immerhin kann das den Wache stehenden Soldaten auch ein leichtes Grinsen entlocken.

      Als letztes erscheint nun, wozu auch immer noch erst die Polizei mit zwei Bussen voll Beamter, dann drei Fahrzeuge der hiesigen Feuerwehr samt Schlauchboot und zu guter Letzt noch ein Malteser RTW. Bombige Versorgung … prinzipiell fehlt jetzt eigentlich nur noch das THW. Es dauert ein wenig, aber auch die erscheinen dann. Innerhalb kurzer Zeit steht der Landeplatz unter Flutlicht vom THW. Die Anzahl der Zelte hat sich derweil auf zehn erhöht. Auch die Anzahl der Zuschauer hat sich deutlich erhöht. Ich beschieße auf dem Deich Richtung Ort weiterzugehen um dann unten auf der Hauptstraße wieder zum Haus zurück zu laufen. Weiter draußen auf See meine ich so was wie einen Seenotrettungskreuzer durch den Regen erkennen zu können. In Höhe des Hallenbades verlasse ich den Deich und nun wieder windgeschützt gehe ich auf der Hauptstraße zurück. Hier reiht sich mittlerweile parkend ein Behördenfahrzeug an das nächste. Keine Ahnung wie die das hier wieder sortieren wollen. Die Straße ist zu schmal für zwei LKW nebeneinander.

      Meine neuen Regenklamotten haben den Testlauf aber erstmal bestanden. Die Verkäuferin hatte auch Recht behalten. Völlig trocken erreiche ich das Ferienhaus. Unter dem Vordach des Eingangs liegt ein Päckchen. Keine Ahnung wer mir da was schickt. Und Post am Sonntag ? …hmmm ??? Es steht aber mein Name drauf und so nehme ich das Päckchen mit rein. Ich ziehe die nassen Regenklamotten aus und hänge diese an die Garderobe. Dann nehme ich das Päckchen, gehe damit in die Küche. Es ist noch Kaffee da, den ich in einen Becher gieße. Dann öffne ich das Päckchen. Zum Vorschein kommt ein schwarzer Mantel aus Gummi. …hmmm..?? Noch mehr Fragezeichen. Und was soll das jetzt ? Unten im Päckchen liegt noch ein Zettel. Hallo Uwe, ich würd‘ mich trotzt allem nochmal mit Dir treffen wollen. Wenn Ja, weißt Du, denke ich hiermit dann auch wo. Und wenn nicht – dann pack alles wieder zusammen und stell das wieder vor die Tür. Susi

      …???... ratlos, sprachlos, wortlos, Luftblasen im Gehirn … nein. So nicht. Wiedersehen prinzipiell durchaus ja, aber nicht auf die Art und Weise. Und bei dem Betrieb da oben auf dem Deich schon gar nicht. Ich packe alles wieder ein. Wenn schon, dann machen wir das jetzt nach meinen Vorstellungen. Ich füge eine Nachricht mit dazu. Treffen möglich, aber nicht da oben. Ich gehe jetzt ins Dampfbad und lass mir da erstmal das Gehirn durchweichen. Wenn nachher hier wieder Licht ist bin ich da und Du kannst hier vorbeikommen. Brötchen sind übrigens auch noch da. Gruß Uwe. Ab damit ins Paket. Paket schließen und wieder ab damit vor die Tür. Aus dem Bad hole ich zwei große Handtücher und eine Badehose. Keine Ahnung ob das Dampfbad hier mit oder ohne ist. Also vorsichtshalber erstmal mit einpacken und etwas Geld für Eintritt und vielleicht noch ´nen Kaffee oder so für zwischendurch. Ich ziehe die noch tropfenden Regenklamotten wieder an, packe Handtücher und Badehose in eine Einkaufstasche aus Plastik damit die wenigstens einigermaßen trocken bis ins Bad hinkommen, schalte das Licht aus und begebe mich abermals über die zugeparkte Hauptstraße Richtung Hallenbad. Dampfbad ist im Saunabereich höre ich dann an der Kasse. „Macht 16,50 incl. Badbenutzung, 2 € Leihgebühr zusätzlich für einen Bademantel, Zeit unbegrenzt.“ Nicht grad preiswert, aber ich entscheide mich dann doch incl. Bademantel. „Wenn sie möchten können Sie die nassen Regensachen hier auf den Ständer hängen, das kostet auch nichts extra. Dann bleibt der Rest im Umkleideschrank trocken.“ Ich nutze auch diesen Service und mit der Garderobenmarke begebe ich mich dann in die Umkleide.

      Trotz oder gerade wegen des Wetters ist nicht ganz viel los im Bad. Die stehen wahrscheinlich aller auf dem Deich und beobachten die Vorgänge rund um den Havaristen … und die, die noch hier sind haben es wahrscheinlich noch nicht mitbekommen … und haben so ´nen Alter erreicht in dem es ohne Treppenlift kaum möglich ist die Deichkrone zu erreichen. Aber egal. Allemal besser als Überfüllung. Bademantel über … den Verband noch schnell entfernen. Das muss jetzt ohne gehen … Schrank zu und auf Richtung Dampfkiste. Ohne Bademantel seh‘ ich katastrophal aus. Die Beine zerschrammt, die Hand sowieso, die rechte Seite vom Oberarm über die Schulter nun mittlerweile blau durchgefärbt … oh man … aber es sind ja nicht sehr viele Leute da denen das vielleicht auffällt. Bademantel aus, duschen, dann noch etwas Salz und ab in die Dampfkiste. Schön … niemand da. Und schicke Sitznischen aus buntem Mosaik. Dazu Musik und buntes sehr stark abgedämpftes Licht. Schummeriges halbdunkel … und auch wirklich Dampf und nicht bloß warm. Setzen, Beine ausstrecken, entspannen, Gehirn aus … oder zumindest nicht ganz. Dösender Weise geht mir der Tag durch den Schädel. Irgendwann muss ich dann in diesem Zustand eingenickt sein. Ein komischer Traum bahnt sich dann seinen Weg durch das Unterbewusstsein. Kein klares Bild. Eine keifende Frauenstimme. So eine Sauerei. Sie Ferkel. Das ist ja eklig.

      Irgendwas rüttelt an mir. Allmählich werde ich wach. Ich blinzele durch das halbdunkel und registriere etwas weißes großes direkt vor mir. „Hallo … Sie … ist alles in Ordnung ? … geht’s ihnen nicht gut ? … was ist hier passiert ?“ höre ich benommen aus Richtung weiß. Ich reibe mir die Augen und das Weiße wird deutlicher. Vor mir steht eine große kräftige Frau mit riesiger Oberweite in einem weißen Kittel. „Hallo, ich bin die Bademeisterin hier und komme weil sich die Dame dort lautstark beschwert hat. Kann mir hier bitte nun