Günter Müller

Roter Dünensturm am Abend


Скачать книгу

dann noch zu Susi und verschwindet wieder. Die Gesichtsröte die erst schon zurück gegangen war ist schlagartig wieder da. Verstohlen blickt sie auf die auf dem Tisch stehende Blume.

      Langsam blickt sie auf und dann zu mir. „Gefällt dir das wenigstens was du da so siehst ?“ kommt dann halb flüsternd und sichtlich nervös von ihr. Bis dahin hatte ich noch nicht viel gesehen außer einer blauen Regenjacke, nun einen schwarzen, langen Regenmantel und unten drunter hatte sie gestern ´ne normale Jeans und ´nen weiten Pullover. Und heute Morgen war wieder blau oben drüber. Die Form unten drunter ließ sich bisher allenfalls erahnen. Ich sehe sie an und antworte direkt „Ja, das sieht rattenscharf aus … steht dir.“ Die Bedienung bringt die Getränke. „Und …, haben sie schon was zum Essen gewählt oder soll ich noch mal wiederkommen.“ „Ganz so schnell waren wir jetzt dann doch noch nicht.“ „Macht nichts, ich komm auch nochmal wieder,“ sagt sie noch und verschwindet wieder. Wir beide vertiefen uns dann in die Speisekarten. Zu meiner Überraschung steht Susi nochmal auf um aus ihrem Mantel eine Brille zu holen, die sie sogleich aufsetzt um sich dann mürrisch wieder hinter der Speisekarte zu verkriechen.

      Ich blättere ebenfalls durch meine Speisekarte. Dann starre ich sie direkt an. Es dauert etwas, bis sie dieses bemerkt und mich fragend ansieht. „Hey, nun lach doch mal,“ grinse ich sie an. „ Mit was muss ich denn jetzt als nächstes rechnen ? Kommt dann ´nen Holzbein als weiteres ?“ grinse ich weiter. „Oder hab ich jetzt ´nen Mann zum Essen eingeladen ?“ „Nein, nein, die Brille brauch ich zum Lesen, sorry, ich lass die auch gleich wieder verschwinden.“ „Blödsinn, das Teil steht dir auch … das hat mit der Brille überhaupt nix zu tun. Erst die Erste Hilfe … dann das merkwürdige Frühstück … das Paket … dann im stockdunkel erschrecken … und nun wechselst du dreimal in der Minute die Gesichtsfarbe. Wahrscheinlich bestellst du jetzt ´ne halbe Portion Pommes, damit wir hier möglichst schnell wieder rauskommen … ist aber nicht … wir bleiben … ich hab Hunger … und es wäre noch angenehmer wenn die nette Person gegenüber dabei ein wenig freundlicher wirken würde.“ Die Bedienung erscheint abermals. „Darf ich einen Wunsch aufnotieren ?“ „Ich hätte gern einen großen Salat und die Scholle mit Bratkartoffeln.“ „Das nehme ich auch, aber statt des großen Salats bitte Tomate Mozzarella.“ bestellt Susi mit dazu. Die Bedienung nimmt die beiden Karten und entschwindet wieder. Draußen kommen ein paar Leute vorbei die kurz darauf die Kneipe betreten.

      Durch den Luftzug, der durch das Öffnen der Tür entsteht, weht ein Hauch an Gummigeruch vermischt mit dem frischen Parfum wie schon vorhin im Auto zu mir herüber. Ich sauge den Duft genüsslich ein, was Susi mit einem Mikroansatz von lächeln quittiert. Durch die weiteren Personen in der Kneipe wird es nun lebhafter. Ohne das es auffällt versuche ich noch mehr von dem betörenden Geruch aufzunehmen. Erst als die Tür ein weiteres Mal geöffnet wird kommt wieder der selbe Geruch rüber den ich erneut einsauge. „Ist was ? Du machst so ein merkwürdiges Gesicht. Stimmt irgendetwas nicht ?“

      „Doch, alles in Ordnung. Hier kommt nur jedes Mal wenn die Tür aufgeht ein schwer einzusortierender Geruch rüber.“ „Wonach riecht das denn ?“ „Ich weiß nicht so recht, irgend so eine verrückte Mischung aus Gummi und ´nem Frühlingsparfum.“ Abermals läuft Susi rot an. „Ist das unangenehm ?“ Als ich antworten will erscheint wieder die Bedienung. „So, zweimal Scholle, der Salat kommt sofort.“ Sie stellt die Teller jeweils vor uns auf den Tisch und holt die beiden Salate. „So, bitteschön, einen guten Appetit.“ und entschwindet wieder zu den anderen Gästen. Ohne weiter auf das Geruchsaufkommen zu reden wünschen wir uns ebenfalls einen guten Appetit und machen uns über das Essen her. Wir reden nicht, aber unsere Blicke treffen sich regelmäßig. Auch ihr Gesichtsausdruck hat sich mittlerweile von mürrisch zu freundlich umgedreht. Zwischendurch bestelle ich noch einen weiteren Tee für mich und auch einen weiteren Wein für Susi. Draußen ist gelegentlich ein merkwürdiger Lichtschein zu sehen. „Ich glaube da draußen ist auf See so was wie Wetterleuchten. Das würd ich mir gerne noch ansehen bevor wir zurück fahren. Oder willst Du dann gleich zurück ?“ „Nein, ich komme mit. Ich hab heute keine weitere Verabredung mehr.“ lächelt sie zurück.

      Nachdem wir fertig gegessen haben zahle ich die Rechnung und stehe auf. Ich greife ihren Mantel und stelle fest dass dieser sehr schwer ist. Susi ist auch aufgestanden und ich helfe ihr in den Mantel den sie sofort bis oben hin verschließt. Auch ich ziehe meinen Mantel dann über. Wir verabschieden uns und verlassen die Kneipe. Es regnet nicht mehr. Wir gehen über den Parkplatz zurück weiter Richtung Deich den wir dann besteigen. Oben angekommen weht es immer noch recht kräftig. Dadurch, dass es momentan nicht mehr regnet kann man auch relativ weit auf See hinausblicken und nachdem sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann man in der Ferne sogar die Beleuchtung einzelner Schiffe erkennen. Zwischendurch ist in einiger Entfernung am Himmel immer wieder ein Aufleuchten zwischen oder in den Wolken zu erkennen. Wortlos stehen wir beide auf dem Deich und blicken in die Ferne. Wir gehen ein Stück weiter bis zur nächsten Bank, die auf dem Deich steht und setzen uns dort. Ich krame aus der Tasche eine Zigarette hervor die ich entzünde und deren Rauch ich tief inhaliere.

      „Hättest du auch eine für mich ? Ich hab meine vorhin vergessen mitzunehmen.“ „Na klar.“ Ich krame eine weitere Zigarette hervor, die ich ihr reiche. Ich gebe ihr Feuer und im Lichtschein des Feuerzeugs treffen sich erneut unsere Blicke. Auch Susi zieht genüsslich an ihrer Zigarette. Sie rückt ganz an mich heran und lehnt sich unvermittelt seitlich, schon fast kuschelnd an mich. Ich überlege kurz, verwerfe aber alle Gedanken und lege einfach meinen rechten Arm über ihre Schulter. Daraufhin rückt sie so weit es geht an mich heran und lässt ihren Kopf auf meine Schulter absinken. Mit ihrer linken Hand ergreift sie nun meine rechte Hand und hält diese fest. „Bitte nicht loslassen. Das ist schön so.“ flüstert sie mir zu. Noch während wir rauchender Weise so engumschlungen dasitzen und das Wetterleuchten betrachten fängt es wieder an zu regnen. Sie lässt kurz meine Hand los um sich ihre Kapuze aufzusetzen um dann sofort wieder dieselbe Haltung wie zuvor einzunehmen. Auch ich setze meine Kapuze auf und so eng aneinandergedrückt lassen wir den Regen auf uns niederprasseln.

      Der Regen wird wieder stärker und auch der Wind wird wieder böiger. Trotz des schlechten Wetters empfinde ich die Situation als sehr angenehm. Wasserdicht verpackt und eine hübsche, wenn auch völlig verrückte Frau im Arm, die gleichmäßig atmend nun völlige Ruhe und Entspannung ausstrahlt. Verrückte Welt, denke ich gedankenversunken als es um uns herum hell wird und kurz darauf krachend scheppert. Augenblicklich schreckt Susi heftig zusammen und kauert sich noch näher an mich heran. Wieder hell … wieder Donner. Ein Gewitter nähert sich. Wieder fährt sie schreckhaft zusammen. „Laß uns bitte fahren … das wird ein Gewitter.“ Sie zittert dabei ängstlich am ganzen Körper. Wir stehen von der Bank auf und dicht an mich gekauert machen wir uns auf den Weg zurück zum Auto.

      Bei jedem aufblitzen am Himmel schreckt sie zusammen und vergräbt sich noch mehr, so dass wir kaum noch laufen können ohne über uns selbst zu stolpern. Unsere nassen Mäntel erzeugen durch die Enge zueinander und die Bewegungen des Laufens laufend leicht quietschende Geräusche. Am Auto angekommen habe ich dieses kaum aufgeschlossen und Susi sitzt schon drin. Auch ich steige ein. Ängstlich zusammengekauert sitzt sie nun neben mir. Selbst die Kapuze hat sie noch nicht einmal abgenommen und rührt sich auch sonst nicht ein bisschen. Wiederum beschlagen die Scheiben und ich lasse daher Motor und Heizung laufen bevor wir losfahren. Wieder macht sich auch der Geruch von verdampfender Feuchtigkeit, warm werdendem PVC und Gummi und ihrem aufreizend frischem Parfum im Auto breit. Dann war der Duft vorhin in der Kneipe auch von ihr, denke ich. „Ist das eigentlich der Mantel den du mir da im Paket vor die Tür gelegt hast ?“ Keine Reaktion. „Der ist ja höllisch schwer, dachte schon meiner sei schwer, aber das Teil … ist der aus Vollgummi ?“ Die Scheiben sind einigermaßen frei und ich fahre los. „Ja, das ist das Teil aus dem Paket. Und auch ja, der ist aus dickem Gummi. Ich konnte ja nicht wissen, dass Du auch was wasserdichtes hast. Dann hätte ich den da nicht hingelegt.“ „Die Teile sind auch mehr oder weniger neu. Die hab ich auch erst heute erstanden.

      Und ich glaube ich hätte in deinen Mantel auch nicht so wirklich hinein gepasst.“ „Das können wir ja mal ausprobieren. Wo bekommt man denn hier überhaupt solche Klamotten ? Ich hab hier bisher nur Modeläden gesehen die so was nicht