Dennis Herzog

Profan


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in schrillem Ton ihrem kaum zwanzig Zentimeter hohen Jack-Russell-Terrier zu:

       "Fass!"

      Ihre vor Zorn entgleisten Gesichtszüge machten die alte Visage zu einer Zombiefratze. Die dritten Zähne, drohten ihr aus dem Mund zu rutschen, sie schob sie mit dem Handrücken zurück.

      Der winzige, weiße Fellknäuel mit braunen Flecken ging tatsächlich auf ihn los! Nur die Tatsache, dass Stewart seine alte zerschrammte Lederhose trug, bewahrte ihn vor schlimmeren Verletzungen. Der Köter kläffte einmal kurz ein raues "Wüff" heraus, was darauf schließen ließ, dass Hund und Herrin wohl beide in betagterem Alter waren, dann biss das Mistvieh tatsächlich zu. Mehr als ein kleines Zwicken am Schienbein war aber nicht zu spüren.

      Die altersschwachen Beißerchen hatten nicht mehr die Kraft durch drei Millimeter Kunstleder zu stoßen.

      Stewart griff mit einem Arm nach der Leine, riss den Hund ruckartig in die Höhe. Der Kleine gab ein entsetzliches Quietschen von sich, dass weniger zu einem Hund, als vielmehr zu einem angestochenen Schwein gepasst hätte. Er hielt den zappelnden Köter, der jetzt anfing nach Luft zu jappsen und mit Vorder- und Hinterläufen wild in leerer Luft ruderte, am ausgestreckten Arm auf Abstand und schrie die Alte an:

       "Rück Deine Scheißkohle raus Oma! Sonst spiel´ ich mit deinem kleinen Liebling Hammerwerfen!"

       "Ich habe kein Geld junger Mann."

      Antwortete sie, jetzt seltsam ruhig und scheinbar völlig unbeeindruckt von seiner Drohung. Die Frau war wirklich taff, wie konnte er nur so ein Pech haben, und an eben diese Person geraten? Der erste Eindruck hatte ihn vollständig getäuscht.

      "Außerdem! Ist das nicht mein kleiner Liebling, sondern der meines Nachbarn. Der ist übrigens Polizist!"

      Beim Reden flogen ihr kleine Spucketröpfchen aus dem Mund.

      Ob das stimmte, oder Oma nur einen Bluff versuchte, konnte Stewart unmöglich erkennen. Sie wirkte völlig gefasst. Dass der Hund, der bereits weniger zappelte, mit dem Tode rang, schien sie jedenfalls keineswegs zu beunruhigen.

       "Du gehst doch nicht ohne Brieftasche raus, Oma!"

      Versuchte er es abermals.

       "Du musst doch nen Ausweis dabei haben oder so was. Was wenn dir was passiert?"

      Er musste unwillkürlich über seine eigenen Worte lachen, das war pure Ironie! Gut möglich, dass er total durchgeknallt wirkte, aber vielleicht war das ja sogar förderlich?

      Der Hund hatte aufgehört sich zu bewegen, sein Körper war erschlafft und sein kleines Hirn wahrscheinlich schon aufgrund des Sauerstoffmangels ausgeknipst worden.

      Die Frau drehte sich vor Stewart einmal um die eigene Achse, hielt ihm dann, beide Handflächen nach oben gerichtet, die Hände hin und sprach:

       "Keine Brieftasche, kein Bargeld, meine Kleidung hat keine Taschen. Komm rüber und durchsuch´ mich, wenn du mir nicht glauben willst, Bürschchen. Aber Achtung, vielleicht beiße ich besser als Timmy!"

      „Bürschchen? Hat sie gerade Bürschchen gesagt?“

      Mit Timmy musste der nunmehr leblose Fellfetzen mit hervorquellenden Augen und heraushängender Zunge gemeint sein, den er weiterhin wie am Galgen stranguliert hatte. Er ließ den Arm sinken. Einige Sekunden verstrichen, während keiner ein Wort sprach. “Ihr Nachbar ist vielleicht wirklich Polizist” Ermahnte ihn seine innere Stimme.

      "Ich ..." Er wollte ihr wieder drohen, sie einschüchtern. Bloß niemals jemandem hiervon erzählen! Wollte er sagen, suchte gerade nach Worten, wie er ihr begreiflich machen konnte, dass das mit dem Hund nicht beabsichtigt, ein Unfall gewesen war, da hörte er hinter sich mehrere Stimmen. Andere Spaziergänger, vielleicht mit größeren, wirklich gefährlichen Kötern, waren auf Kollisionskurs.

      „Scheiße!“

      Er war abgehauen. Hatte sich verkrochen. Wochenlang hatte er danach seine Wohnung nicht verlassen. Hatte sich hinter verschlossenen Türen und heruntergelassenen Rollos verschanzt. Jeden Tag hatte er damit gerechnet die Polizei würde plötzlich in seine Wohnung stürmen und ihn verhaften, doch das war nicht geschehen. Erst als seine letzten Reserven an Instand-Kaffee, Keksen und Nudeln aufgebraucht waren, als er bereits zwei Tage nur Leitungswasser getrunken und nichts mehr gegessen hatte, wagte er sich wieder heraus. Niemand war gekommen, nichts war passiert. Die alte Frau hatte er seitdem nicht wieder gesehen.

      Das sind seine letzten Gedanken bevor sein flackernder Blick sich ein letztes Mal auf Giselle heftet, die langsam verblasst und in schwarzen Schatten verschwindet, die sich spiralförmig um sie schließen.

      Giselle sah ihm beim Sterben zu.

      Eigentlich tat sie so etwas in letzter Zeit immer häufiger. War das unprofessionell? War nicht schnell und sauber die Devise?

      Sie wusste dennoch gut damit umzugehen, dass sich ihrer Lust am Töten nach und nach eine gewisse Art Voyeurismus hinzugesellte. Es war aber auch recht ungewöhnlich, dass es sich so verzögerte, sie hatte den Schuss anscheinend nicht so exakt angesetzt wie sie es vorgehabt hatte. Ob sie eine solche Unachtsamkeit unterbewusst hervorrief, um das Leiden ihres Opfers zu verlängern? Sicherlich war sein Kleinhirn zerstört. Er konnte keinen Muskel mehr rühren. Wichtige Arterien waren verletzt, das bewies der rapide Blutverlust.

      Aber er schien eine Weile noch sehen und hören zu können, was vor sich ging. Als er zu Boden gegangen war, hatte sie sich erlaubt die Deckenleuchte einzuschalten. Man würde wegen der heruntergezogenen Rollos von außen ohnehin nichts bemerken. Am Schalldämpfer der Schusswaffe waren zwei gezackte silberne Kratzer im schwarzen Lack zu sehen. Die hatte er wohl mit seinen Schneidezähnen verursacht.

      Giselle achtete auf Stewarts Augen, er sah in ihre Richtung und doch durch sie hindurch. Diese Sache mit dem "Licht-am-Ende-des-Tunnels" fiel ihr ein. Beinahe hätte sie sich umgedreht, um festzustellen ob dort dieses vermeintliche "Göttliche-Scheinen" zu sehen war.

      Sie stellte sich fantasievoll vor, wie nun seine verdorbene Seele den Körper verließ und davon schwebte, einen letzten Blick zurückwerfend auf die Leiche am Boden. Belustigend erschien ihr in Gedanken auch ein Bild davon, wie sein Geist vom Sensenmann eskortiert und aus dem Raum geführt wurde, während seine sterbliche Hülle hier verweilte. Sie konnte recht kreativ sein, wenn es um diese Thematik ging.

      Sein Husten versprühte noch ein letztes Mal leichten Blutregen und sprenkelte sein Gesicht, seinen Oberkörper und den beigen Teppich dort, wo dieser noch nicht von der größeren Lache durchtränkt war.

      Sie blickte kurz rüber auf die andere Seite vom Tisch, wo das seit gestern bereits getrocknete Blut sich beinahe dem Blumenmuster auf der Rückenlehne der alten beigen Couch angepasst hatte. Sein Blick veränderte sich kurz in eine Mischung aus Zweifel und Verärgerung. Sie wüsste nur zu gern ob das rein physische Ursachen hatte, oder ob es dem teilweise zerstörten Gehirn noch gelang gezielte Emotionen hervorzurufen. Konnte der Kerl noch zusammenhängende Gedanken bilden? Das Blut sickerte stetig aus seinem Hinterkopf, bis sein Herz ihm endlich den Dienst versagte.

      Sie selbst war etwas enttäuscht über den gesamten Ablauf. Dadurch, dass der geile Bock viel zu stürmisch vorgegangen war, hatte er ihre schöne Überraschung versaut. Mit so viel Mühe hatte sie sich gestern daran gemacht. Hatte alles vorbereitet. Doch es war ihr nicht mehr gelungen ihn hoch ins Schlafzimmer zu locken, wie sie es ursprünglich vorgehabt hatte.

      Er hatte, im Wohnzimmer angelangt, sofort mit einer Hand an seiner Jeans gefummelt, mit der anderen nach ihrer Schulter gegriffen, versucht sie umzudrehen und zu sich heran zu ziehen. Seine zugegeben stattliche Erektion beulte, auch im fadenscheinigen Halbdunkel des bieder eingerichteten Wohnraumes, seine schwarzen engen Boxershorts überdeutlich aus. Die Hose war ihm bereits bis über die Knie heruntergerutscht und er drängte sie in Richtung Couch.

      Bevor es ihm gelang auch Giselle von irgendwelchen Kleidungsstücken zu befreien,