Dennis Herzog

Profan


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aufkommende gereizte Stimmung wieder auf ein erträgliches Level zu normalisieren:

      “Nichts für Ungut, Kommissar, aber ich bin der Meinung, das was sie sagen, ist das was man uns glauben machen will. Ich denke nicht, dass der Mann dort unten dieses Ehepaar getötet hat, und ich denke auch nicht dass es hier einen Selbstmord gab. Der vermeintliche Einbruch ist ganz sicher keiner. Der ist inszeniert, und zwar absichtlich schlecht.Alle drei Menschen wurden von einer oder mehreren anderen Personen getötet.“

      Ein wohlmeinendes Kopfnicken von Hans unterstrich das Gesagte. Er zündete sich eine neue Zigarette, an der letzten Glut der alten, an. Den glimmenden Filter strich er sich am Hosenbein ab, suchte kurz nach einer geeigneten Entsorgungsmöglichkeit und steckte ihn dann mit einem Schulterzucken in die linke hintere Hosentasche.

      „Die Kugel ist beinahe im rechten Winkel durch seine Mundhöhle direkt in die oberen Nackenwirbel gejagt worden. Dort steckt sie noch. Niemand, der sich selbst eine Waffe in den Mund schiebt, hält dabei den Arm so angewinkelt, dass das Geschoss so gerade eindringt. Er hätte dazu den Ellenbogen etwa so weit heben müssen. Da wurde zweifelsohne nachgeholfen.

      Hans unterstrich das Gesagte mit der entsprechenden Geste und hielt sich Daumen und Zeigefinger vor den geöffneten Mund, während er den Arm bis über sein Ohr anhob, was albern und unbequem aussah.

      „Vielmehr wäre also der Schuss in einem steilen Winkel von unten nach oben ausgelöst worden.“

      Wieder demonstrierte er es.

      „Irgend jemand legt hier absichtlich falsche Spuren. Und das offensichtlich für uns. Was im Übrigen auch dafür spricht, ist die Tatsache dass hier keine Patronenhülsen zu finden sind. Die hat ja wohl keineswegs der Geist unseres Unbekannten fort geschafft.“

      Sie waren in den frühen Morgenstunden von Nachbarn alarmiert worden. Diese hatten berichtet sie wären schon am Vortag mit dem getöteten Ehepaar verabredet gewesen.

      „Unser Rommé-Abend stand doch an.“

      Hatte die schluchzende Dame von nebenan berichtet. Sie war, nachdem die Beckers am Abend nicht auf Anrufe reagiert hatten, am frühen Vormittag zu ihnen rüber gegangen und hatte die aufgebrochene Tür bemerkt. Zum Glück war sie überraschender Weise geistesgegenwärtig genug gewesen schnurstracks um zu drehen und die Polizei zu alarmieren, anstatt das Haus zu betreten.

      Der Kommissar führte noch einmal sein gesamtes Röcheln-Husten-Schnauben-Ritual durch. Weder bestätigte er die Version von Frank und Hans, noch hielt er dagegen, was aber auch nicht notwendig erschien. Stattdessen befahl er, ohne sich anmerken zu lassen, dass das Gesagte ihn in irgend einer Weise tangierte:

      “Die Leichen eintüten und autopsieren lassen, den Mann im Wohnzimmer identifizieren. Sein vollständiges Umfeld – Familie, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, die Bäckereifachverkäuferin die ihm morgens seine Brötchen verkauft. Alle befragen!”

      Sieh an, klare Befehle brachte der Kommissar doch glatt mal ohne sein <Schaut-her-ich-bin-erkältet-Ritual> heraus.

      „Vor allem, - haltet mir diesen Pressefritzen vom Hals!“

      Ulrich Borgstaedt war eine, für seinen Berufsstand typisch, aufdringliche Person. Der lokale Schreiberling verfasste gern Berichte für das Kreisblatt, die vor Theatralik und Pathos trieften, anstatt sachlich zu berichten. An und für sich war das in einer kleinen Gemeinde nicht schlecht. So geriet selbst ein <Apfelkuchenverkauf des örtlichen Kindergartens> dank der überzogenen Berichterstattung des einzigen Reporters des Ortes zu einem Ereignis nationaler Bedeutung. Man musste jederzeit damit rechnen, dass der Kerl plötzlich vor der Tür stand, weil er irgendwie Wind davon bekommen hatte, dass hier ein Verbrechen verübt worden war.

      "Keine Angst Herr Kommissar."

      Ergriff Grewe das Wort.

       "Wieso ?"

       "So wie ich gehört habe, hat man ihm einen jungen Feger zur Seite gestellt. Die soll ihn ziemlich auf Trapp halten."

       "Na klasse, jetzt haben wir auch noch zwei von denen hier rum schnüffeln. Als hätten wir nicht schon genug Probleme!"

      „Und Hans?“

      „Hm?“

      „Machen sie die Zigarette aus! Das ist ein Tatort, keine Kneipe.“

      So ganz spurlos ging also das Verhalten des Ballistikers ihm gegenüber doch nicht an Schiermeyer vorbei, er war angesäuert. Anstatt aber der Aufforderung folge zu leisten stapfte Hans einfach an ihm vorbei nach draußen, um dort seine Nikotinsucht zu befriedigen.

      Zur selben Zeit in den Büros der Lokalen Presse, hatte Ulrich Borgstaedt alle Hände voll zu tun. Aber nicht mit, wie vom Kommissar befürchtet, seinem aktuellen Fall, sondern wie Grewe schon erwähnte, mit der jungen Reporterin die ihm von der Zentrale aufs Auge gedrückt worden war. Mit den Worten seines Vorgesetzten:

       "Sie ist eine hervorragende Reporterin, man muss ihr nur ab und an ihre Grenzen aufzeigen."

      So schlug er sich jetzt schon seit einer Woche mit dieser jungen Reporterin, ihr Name war Josefine Möller, rum. Doch egal was er ihr sagte, Joe machte dennoch was sie wollte. Auch wenn das etwas übertrieben klingen mochte, war er davon überzeugt, dass sie ihn noch in den Wahnsinn und ein frühes Grab treiben würde.

      Joe war von all dem unbeeindruckt. Schließlich war sie hierher strafversetzt worden. Und das weil sie ihrer Meinung nach nur ihren Job gemacht hatte. Dass das ihre Vorgesetzten anders sahen und sie deswegen erst einmal aus den Verkehr gezogen hatten, fand sie gelinde gesagt weniger berauschend.

      Der Einzige positive Aspekt an der ganzen Sache war, dass sie sich hatte aussuchen können in welches verschlafene Nest sie versetzt worden war.

      Das wusste auch Ulrich, der allerdings nicht verstand wieso dieses junge Ding ausgerechnet hierher wollte.

      Selbst als er sie direkt darauf ansprach erhielt er als Antwort bloß ein nichtssagendes Schulterzucken.

      Was ihn aber noch mehr ärgerte, war, dass sie zwar seit einer Woche hier war, aber noch nicht einen brauchbaren Artikel abgeliefert hatte. Es reichte ihm jetzt.

       "Was hast du bis jetzt in deiner ersten Woche hier getan?"

      "Gearbeitet"

      Ihre Antwort fiel für seinen Geschmack definitiv zu knapp aus.

       "Und wo sind dann die Berichte und die passenden Bilder dazu?"

      "Gut Ding will Weile haben.”

      Erwiderte sie altklug.

      Ihr Handy summte. Sie nahm es hoch und las die Nachricht, wobei sie Ulrich bewusst ignorierte, der vor Wut schon schnaubte. Anschließend stand sie einfach auf, schnappte sich Jacke und Kamera und ging in Richtung Ausgang.

       "Wo willst du hin?"

       "Ich habe eine Nachricht von einem Informanten erhalten, wonach man drei Tote in einem Haus gefunden, hat. Offensichtlich sind sie ermordet worden."

      Kaum hatte sie den Satz beendet, fiel auch schon die Tür hinter ihr ins Schloss. Sie ließ den armen Borgstaedt völlig verdutzt stehen.

      “Was für ein Informant?”

      Wie konnte der kleine Taugenichts in diesem Kaff binnen einer Woche so was wie einen Informanten auftreiben? Dann erst begriff er den ganzen Inhalt ihrer Worte.

      „Drei Tote?“

      6- Fünf -

      Frank Riepe hätte seinen rechten Arm, naja die Hand.