Magda gab nach. „Ja, ich weiß, ich habe dir ja auch eine Bombenvorlage geliefert!“ Anne nickte lächelnd.
Ben räusperte sich. „Wolfi, ich möchte dich kurz über unseren aktuellen Fall informieren. Also ganz knackig – wir sind zu einer Leiche in Mosbach gerufen worden.“ Verwirrt warf Wolfi ein: „Wieso in Mosbach, welches Mosbach überhaupt?“ „Das bei Wenigumstadt natürlich, sozusagen Randhessen, so wie Magdas Mömlingen, Randbayern ist.“ mischte sich Anne ungeduldig ein. „Aha und wieso?“ Magda erklärte ihm kurz den Zusammenhang mit der Freundin ihrer Mutter. Zögernd nickte Wolfi mit skeptischem Gesicht. Immer dieses unbürokratische Handeln seiner Chefin. Eines Tages würde sie ganz schön auf den Hintern fallen damit, befürchtete er.
„Sei es wie will, es ist ein sonderbarer Mordschauplatz.“
Er deutete auf das große Bild, auf der die Leiche besonders gut zu erkennen war, mit der Strumpfhose um den Hals und den Wunden an den beiden Handgelenken. ´Drumherum sah man die Maiskolbenköpfe und zwischen den Beinen die zwei wie Puppen hergerichteten Maispuppen. Wolfi stand automatisch auf und lief wie am Faden gezogen an die Tafel. „Das ist ja fast wie ein Tribunal!“ Er deutete auf die beiden Maispuppen zwischen den Beinen der Toten. „Nur die beiden wollen nicht so recht dazu passen!“
„Oder gerade erst recht,“ meinte Freddy trocken. „Seht ihr, Wolfi denkt genau wie ich,“ meinte Magda befriedigt. „Jetzt wartet mal ab, wir sind ja noch ganz am Anfang,“ besänftigte Ben die Gemüter und alle verstummten nachdenklich. Die schrecklichen Bilder zwangen zum Hinsehen.
Leise sagte Magda: „Haben wir eigentlich schon die Vermisstenfälle der letzten Woche durchgesehen?“ Eddie nickte eifrig. „Ich habe nachgeschaut. Es werden eine alte Frau aus dem Seniorenheim Sonnenschein aus Bad König vermisst, ein 56jähriger Mann aus Birkert und zwei junge Frauen, beide 32jährig, aus Böllstein.“
„Das sind aber viele in einer Woche,“ entfuhr es Magda betroffen. Anne nickte aufgeregt. „Wirklich alle in einer Woche?“ „Jou,“ nickte Eddie. „Die alte Dame war plötzlich aus ihrem Zimmer verschwunden, das nach hinten hinaus, in den Garten ging. Möglicherweise über die Terrasse zum Spaziergang aufgebrochen. Das war am 21. Oktober. Einen Tag später wurde der 56jährige Mann als vermisst gemeldet. Er kann allerdings schon länger abgängig gewesen sein, denn er lebt alleine.“ „Und die jungen Frauen?“ wollte Anne mit banger Miene wissen. „Die sind zuletzt verschwunden.“ Eddie sah sie fest an. „Sie waren zusammen unterwegs, auf der Böllsteiner Höhe, Richtung Kirchbrombach. Irgendwo dazwischen sind sie verloren gegangen.“ „Haben wir auch eine Beschreibung der beiden Damen?“ Magda sah ihn auffordernd an. „Eine war dunkelhaarig und zierlich, die andere soll blond, 165cm groß und etwas pummelig gewesen sein.“ „Wie unsere Leiche,“ rutschte es Anne heraus. Magda nickte betroffen. „Sieht ganz so aus. Aber dann könnte es sein, dass die andere junge Frau auch in Lebensgefahr schwebt.“ „Wenn sie überhaupt noch lebt, unkte Freddy düster.“ „So lange wir nichts Gegenteiliges wissen, ist sie noch am Leben,“ fuhr Magda hoch. „Wolfi, sei so gut, überprüfe das noch einmal genau und versuche, Verbindungen zu früheren Fällen zu finden, oder einen gemeinsamen Nenner!“ „Okay,“ antwortete Wolfi. Dann löste sich die Runde auf.
F Ü N F
Diesen Abend würde Magda wieder tanzen gehen. „Endlich,“ dachte sie müde und band Fränzchen an die Leine. Sie hatte ihren Herbert schon mindestens 2 Wochen nicht gesehen. In letzter Zeit hatten beide viel Stress gehabt und sogar das Tanzen ausfallen lassen müssen. Dabei war das enorm wichtig für ihre körperliche und auch geistige Fitness.
Die verschiedenen Takte und Schritte forderten dem Gehirn einiges ab. Außerdem musste sie zugeben, fehlte ihr der SEK-Mann, der ihr Herz im Sturm erobert hatte, inzwischen sehr und so langsam litt ihr emotionales Wohlbefinden darunter. Sie gab sich einen Ruck.
„Hilft ja nichts, Franz, wir müssen raus, egal ob es junge Hunde, oder sonst was regnet. Missmutig öffnete sie die Tür und betrachtete die gleichmäßigen Wasser-Strippen. Fränzchen sah ebenso begeistert hinaus, wie sein Frauchen. „Dann fahren wir eben in den Wald,“ bestimmte Magda und hob den Hund ins Auto. In zwei Minuten waren sie an der Eichwaldhütte und Magda stellte das Auto unter den großen Nussbaum, neben dem eine selbstgebaute Pferdekutsche für Kinder stand, von einem Mömlinger Künstler liebevoll angefertigt. Wie jedes Mal bewunderte Magda die aus Baumstämmen sorgfältig, mit Liebe zum Detail, geschnitzten Pferde und den tollen Anhänger, während Fränzchen am Baum seine Markierung setzte, für spätere Hundespaziergänger. Schließlich musste er ja kundtun, dass er da gewesen war. Dann gingen sie geradewegs, hinter der Eichwaldhütte am Toiletten- und Holzschuppen vorbei, hoch zum Wald. Da war es immer schnell matschig, wenn es regnete, aber dafür von oben nicht so nass, weil die Bäume relativ nah beieinanderstanden und die Baumkronen ein natürliches Blätterdach bildeten. Sie gingen zügig bis zum Ende des Weges, an der Eisenerzgrube Berta vorbei und wieder zurück. Der Geo-Pfad Feuer und Wasser war einer ihrer Lieblingswege. Er war gut zu laufen, meist sehr ruhig und ab und zu gingen sie den kleinen Schlenker zur Berta und sahen zum früheren Eingang hinunter, oder Magda las zum ungefähr fünfzigsten Mal das Schild, das die Gemeinde über die Geschichte der Eisenerzgrube dort aufgestellt hatte.
Zurück am Auto angekommen, ließ Magda den Blick über ihr schönes Mömlingen gleiten und als ihr der riesige Holzliegestuhl ins Auge fiel, dachte sie sehnsüchtig an so manche kurze Auszeit, die sie darin genossen hatte, während Fränzchen noch ein wenig herumschnüffelte. Es half nichts, sie musste sich beeilen, wenn sie fertig sein wollte, bis ihr Herbert eintraf, um sie zum Tanzen abzuholen. „Komm Franz, wir müssen los!“ Sie wuchtete den immer schwerer werdenden Hund ins Auto und nahm sich vor, ein ernstes Wörtchen mit ihrer Mutter und den Kollegen zu sprechen, die sie allesamt im Verdacht hatte, den Hund heimlich mit Leckerlis zu mästen.
Er freute sich zu verdächtig, wenn sie die Kollegen trafen, oder wenn er bei ihrer Mutter bleiben durfte.
Sie seufzte und sah ihm in die samtig schwarzen Augen. Wie eine Robbe konnte er dreinschauen. Wer konnte diesen Augen widerstehen? „Na, ja, wenn wir nicht aufpassen bekommst du auch noch die passende Figur dafür.“
Vorsichtig fuhr sie den Weg hinunter ins Dorf - den Wegrand aufmerksam im Auge behaltend. Ab und zu lief hier ein Reh, oder Hase über den Weg, aber heute zum Glück nicht.
Zuhause sprang sie unter die Dusche, nachdem sie den Hund gefüttert hatte und als Herbert um 18.30 klingelte, war sie bereits fertig angezogen und für ihre Verhältnisse sogar gestylt, wenn man das so nennen wollte. Immerhin hatte sie, anstatt der obligatorischen Jeans, einen langen Rock und ein figurbetontes T-Shirt an. „Endlich,“ seufzte sie zufrieden und schmiegte sich in seine Arme, die er einladend für sie ausgebreitet hatte und in die sie perfekt hineinpasste. Er war groß und stark und nicht zu dünn. Bei ihm fühlte sie sich sicher und geborgen. Verstohlen fasste sie an seine Armmuskeln und seufzte froh. „Da hast du wahr,“ sagte er leise an ihrem Ohr. „Ich hab dich so sehr vermisst, mein kleiner Hippie.“ „Klein, aber oho!“ Magda hob den Kopf und sah ihn lächelnd an. Endlich hatte sie den Mann gefunden, der sie so liebte, wie sie war. Mit ihrer leichten Pummeligkeit, der langsam grau werdenden, halblangen wilden Mähne und ihrem alternativ-praktischen Kleidungsstil. Zärtlich küssten sie sich. Sie war mit ihren 165 cm nur einfach zu klein für ihr Gewicht, dachte sie grinsend und schmiegte sich glücklich an ihn.
Dann ermahnte Magda noch einmal den Hund, brav zu sein, steckte ihm ein Leckerli zu und sie verließen das Haus. „Ich dachte, du wolltest ihm nichts mehr zu naschen geben!“ Fragend sah er sie an. „Ach, ich schaffe es einfach nicht, wegzugehen, ohne ihm zur Entschädigung, etwas zum Naschen zu geben.“ „Das weiß er auch,“ grinste Herbert amüsiert. „Du bist zu weich, dabei weißt du doch, dass es nicht gut für ihn ist.“ Magda sah beschämt zu Boden. „Ich weiß, ich bin ein schwaches Weib und gebe zu viel nach.“ „Bei mir darfst du das gern,“ lachte Herbert sie an und legte den Arm um sie. Am Auto hielt er ihr die Tür auf und sah sie von der Seite, gespielt ängstlich an. „Hast du geübt?“ „Wann denn,“ rief Magda ärgerlich. „Ich finde einfach keine Zeit dafür.“ „Zeit muss man sich nehmen,