Claus Beese

Der perfekte Angler


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Was sag ich dem Rektor?“

      Mir war, als blicke er mich Hilfe suchend an.

      „Verdorbener Magen? Fieber?“, bot ich ihm an.

      „Fieber? Haha, Aalfieber, heh? Egal, jetzt ist es sowieso zu spät. Du, ich habe im Keller einen funkelnagelneuen Räucherofen stehen. Den hab ich mal irgendwo billig gekriegt. Was meinst du, wollen wir ihn einweihen?“

      Fünf Minuten später radelten mein Sportlehrer, der alte Menschenschinder, und ich fröhlich pfeifend durch den Ort, zum Aale räuchern.

      Lehmkuhlen-Schätze

      Angler brauchen nicht viel. Wasser, ein begehbares Ufer und ein paar Fische. Man glaubt nicht, wie zufrieden und glücklich Petrijünger mit so wenig sind. Es sei denn…. Gut, zugegeben, Jungen im Alter so um die Zehn brauchen Abenteuer. Da kommt ihnen eine alte Ziegeleikuhle ganz recht. Wir ärgerten uns oft, denn an warmen Tagen, wenn uns der Sinn nach Barschen stand, mussten wir unsere schöne Lehmkuhle mit den älteren unserer heimatlichen Jugend teilen. Sie hatten den See als ihren Badeteich erkoren. Es gab dort eine Stelle, an der sich neben dem Teich ein ganz kleiner Tümpel befand. Vom größeren See durch eine nur meterbreite Lehmwand getrennt, fachte sie den Spieltrieb und den Erfindungsreichtum der Jugendlichen an.

      Ein findiger Geist hatte dann die zündende Idee. Eine Schlammrutsche wurde gebaut. Der gesamte Untergrund bestand aus Lehm und Ton, und den konnte man mittels eines Eimers Wasser wunderbar glitschig machen. Der direkt neben dem Tümpel verlaufende Hang war die ideale Startbasis. Man kletterte ein wenig am Hang empor und goss das Wasser in die bereits „erarbeitete“ Rinne, dann glitschte man auf dem Hosenboden diese Rutschbahn hinab in den Tümpel, dass es spritzte. Auf dessen anderer Seite tauchten die „Rutscher“ pottenschwarz wieder auf, um in hohem Bogen über das schmale Ufer in den größeren See zu sausen. Dort konnte man sich die Lehmbrühe wieder abwaschen.

      Wir wussten nicht, ob wir den Krawall, den sie machten, hassen oder lieben sollten. Tatsache war, je mehr Wolken von Lehm das sonst klare Teichwasser trübten, umso stärker bissen die Barsche. Dabei angelten wir bewusst immer an den Rändern der Eintrübungen, die uns richtig große Fische bescherten.

      „Wenn man um den Teich herum geht, kommen da hinten noch weitere Tümpel“, sinnierte Thomas eines Tages. Es war regnerisch, der Boden schlüpfrig und ganz ehrlich, ich hatte überhaupt keine Lust auf einen Stellungswechsel. Andererseits hatten wir diesen Uferbereich abgefischt. Schon seit geraumer Zeit hatten wir keinen Biss mehr gehabt. Norbert begann, seine Ruten einzupacken. Thomas tat es ihm gleich und ich hatte noch weniger Lust, alleine hier herumzusitzen.

      Die Freunde wählten einen beschwerlichen Weg hoch am Hang über den Teichen entlang. Dabei blieben ihre Ruten ständig im Gebüsch hängen. Die Route schien beschwerlich zu sein, und ich verstand nicht, warum sie nicht einfach über den nahezu ebenen Boden am Schlammtümpel entlang gingen. Der war wesentlich leichter zu gehen, da er noch dazu kaum bewachsen war. Ich verließ den Tross, und hangelte mich abwärts bis auf das kleine Ufer-Plateau. Forsch schritt ich aus und kam wesentlich schneller voran, als die Freunde. Ich schaute nach oben. Die Ärmsten, sie quälten sich oben am Hang entlang.

      „Kommt runter, hier ist es einfacher!“, rief ich. Die Jungen blieben stehen, schauten zu mir herab. Ich sah ihre lachenden Gesichter, dann wurde mir schwarz vor Augen.

      Ich hatte, während ich zu ihnen aufschaute, meinen Fuß auf die „Rutschbahn“ gesetzt. Vom Regen aalglatt, fanden darauf meine Schuhsohlen keinen Halt, und es schlug mir die Füße unter dem Hintern weg. Ich sauste in den Schlammtümpel, die schwarze, eklige Brühe schlug über mir zusammen, und es wurde dunkel. Als ich wieder auftauchte, vernahm ich gedämpft das Gelächter meiner Freunde. Der Schlamm in meinen Ohren verhinderte, dass ich auch noch ihre hämischen Kommentare zu hören bekam. Das Wasser war nicht tief, es ging mir bis zur Brust. Notdürftig wischte ich die Lehmbrühe von meinen Augen und schaute mich um. Die Uferhänge der Pfütze waren steil. Viel zu steil für mich. Und sie waren glitschig wie Schmierseife.

      Thomas und Norbert „eilten“ mir zu Hilfe, stellten aber nach kurzer Zeit fest, dass sie mich unmöglich dort wieder herausbekamen. Wer nicht mit viel Schwung hineinrutschte, und auf der anderen Seite über die Barriere sauste, hatte schlechte Karten. Meine beiden Freunde standen lachend am Ufer, während ich mir zu überlegen begann, ob ich sie auch weiterhin als solche betrachten wollte.

      „Los! Verdammt! Holt mich hier raus!“

      Ich war nass, um mich herum war es kalt, und ich fing an zu frieren.

      „Wirf uns erstmal deine Sachen aufs Ufer“, riet Thomas und ich bemühte mich, Ruten, Tasche und den übrigen Schnickschnack an Land zu werfen. Dabei tauchte ich einige Male unfreiwillig unter, was meine Stimmung enorm verbesserte.

      „Jetzt zieh dich aus!“, rief Norbert. Seufzend tat ich auch das und schleuderte ihnen meine Klamotten voller Wut entgegen. Sie sollten ruhig auch ein paar Spritzer der düsteren Brühe abbekommen. Es würde ihre Schadenfreude ein wenig dämpfen. Schließlich stand ich nackt in der Lehmsuppe.

      „Und jetzt?“, fragte ich, denn ich hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

      „Versuche, so viel Schwung wie möglich zu bekommen, damit du über die Lehmmauer in den großen Teich springen kannst.“

      „Seid ihr meschugge?“, schrie ich. „Da ist es nass und tief. Was ist, wenn ich absaufe?“

      „Wir werden mit der Klasse eine Gedenkminute abhalten. Los, mach voran. Nasser als dort, wo du gerade bist, kann es nicht sein. Und, waschen musst du dich sowieso.“

      Ich begann in dem Matschpool herumzuglitschen. Irgendwie fanden meine Füße einen erhöhten Halt, und ich stieß mich mit aller Kraft ab, rollte mich seitwärts über die Uferkante und landete im Wasser des Teiches. Man konnte das, was ich da tat, nicht als „Schwimmen“ bezeichnen, aber immerhin hielt ich mich über Wasser. Ich paddelte zum Ufer, das in nur wenigen Metern Entfernung niedriger war. Dort war es nicht tief, und ich konnte, bis zum Bauchnabel im Wasser, meine Sachen auswaschen, die mir meine „Freunde“ zuwarfen.

      Ich wollte gerade aus dem Teich steigen, als meine Füße gegen etwas Hartes stießen. Ich bückte mich, tastete mit den Händen den Grund ab und bekam eine beinahe nagelneue Fiberglasrute mit Stationärrolle in die Finger. An ihr baumelte ein Barschblinker. Triumphierend hielt ich meine Beute in die Höhe.

      „Ich glaube es nicht!“, stieß Thomas hervor. „Das ist doch jetzt nur ein böser Traum!“

      „Mit die Doofen is Gott!“, staunte Norbert. Ich kletterte mit meiner Beute an Land an Land und schaute meine Klassenkameraden vorwurfsvoll an.

      „Mir ist kalt“, schnatterte ich. In der Tat war ich inzwischen blau angelaufen. Thomas deutete auf ein verfallenes Gebäude. Wir liefen hinüber, und im Nu hatte Norbert ein kleines Feuer entfacht. Ich durfte in die Pullover meiner Freunde schlüpfen. Einen zog ich oben drüber, den anderen wie eine Hose über Beine und Podex. Es sah merkwürdig aus, aber es wärmte. Während ich die neue Rute begutachtete und ein paar Probewürfe machte, bemühten sich Thomas und Norbert, meine nassen Sachen über dem Feuer zu trocknen. Ich stellte die Rute zur Seite, schlachtete ein paar Barsche und steckte sie auf Zweigen an die Flammen. Nach wenigen Minuten begannen sie zu zischen, und verbreiteten einen wunderbaren Duft. Wir stärkten uns gemeinsam an den heißen Fischen.

      „Jetsch hätte isch gern etwasch Schaltsch“, nuschelte Norbert und wischte sich das Fischfett von den Lippen.

      „Nächschtesch Mal!“, versprach Thomas kauend und spuckte ein paar Gräten aus. Satt und zufrieden warteten wir gemeinsam, bis meine Klamotten halbwegs trocken waren. Konnte es schönere Tage geben?

      In klammen, feuchten Kleidern präsentierte ich zuhause stolz meine neue Rute. Dabei vermied ich es, unser Abenteuer in zu bunten Farben auszuschmücken. Es war der Sache nicht förderlich, meine Eltern mehr als unbedingt nötig zu sorgen. Sie schüttelten angesichts meiner Geschichte den Kopf.

      „Junge“, seufzte meine Mutter. „Komm mir nicht eines