Kirsten Klein

Eine feine Gesellschaft – Marder Misties zweiter Fall


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ist anscheinend vorüber, denn die Reporterin verzichtet auf einen vierten Versuch, bedankt sich stattdessen für das Gespräch. Mistie versteht das nicht. „Warum bedankt sie sich, obwohl er ihr gar nicht richtig geantwortet hat?“, keckert er empört und verwundert zugleich.

      „Bravo Mistie! Wir sind völlig deiner Meinung!“, rufen Sammy und Sophia wie aus einem Munde und applaudieren. Lady stimmt kläffend mit ein. Der Marder kann es kaum fassen, vergisst auf der Stelle Julius Sauberkraut. Seine Menschen haben ihn verstanden. Sie haben ihn tatsächlich verstanden! Da kann ihm dieser olle Justizminister doch gestohlen bleiben!

      Sophia geht er aber immer noch im Kopf herum. „Wie können Brüder nur so verschieden sein...“, siniert sie vor sich hin. „Cornelius redet längst nicht so viel, jedenfalls während der Therapie. Er lässt reden.“

      „Cornelius?“, wundert sich Sammy, mit deutlichem Unbehagen in der Stimme. Sophia küsst ihn, als wolle sie ihn verschlingen. „Du bist ja eifersüchtig!“

      „Na ja“, meint Sammy, „ist ja vielleicht nur so ein Klischee, dass Psychotherapeuten mit ihren Patienten anbandeln. Aber da wird doch über sehr Persönliches gesprochen.“

      Es klingt ein bisschen wie eine Frage. „Genau“, bestätigt Sophia. „Cornelius meint, durch das Du fiele mir das leichter.“ „Erzähl’ mal“, ermuntert Sammy sie. „Wie lief denn eure erste Stunde ab?“

      Augenblicklich verspannt sich Sophia und ein Flackern tritt in ihre Augen. „Ich sollte mir vorstellen, ich säße ganz allein im Whirlpool.“

      „Und?“, fragt Sammy gespannt. „Wie erging es dir dabei?“

      „Ich weiß nicht, wie es mir ergangen wäre, weil ich nicht wagte, mir das vorzustellen. Es... es klappte einfach nicht, ich...“ Sie bricht ab, schüttelt den Kopf und beginnt zu schluchzen. „Allein die Vorstellung,...“

      Sammy schließt sie in seine Arme und wiegt sie tröstend. „Ist ja gut, alles gut, nicht unter Druck setzen. Lass dir Zeit.“

      Allmählich beruhigt sich Sophia wieder, erzählt sogar weiter. „Dann meinte er, wenn es mir leichter fiele, solle ich zunächst jemanden mit reinnehmen.“

      „In den Whirlpool?“ Sophia nickt.

      „Und?“, fragt Sammy nach längerem Zögern. „Wen hast du mit reingenommen?“ Vor seinem inneren Auge taucht ein Bild auf: Sophie mit Cornelius Sauberkraut im Whirlpool...

      Mit einem Lächeln aus noch tränenfeuchten Augen wischt Sophia es weg und streicht ihm über die Nase. „Na, was glaubst du wohl?“

      Sammy seufzt erleichtert und will sie küssen, aber sie schüttelt verschmitzt den Kopf, blickt auf Lady und Mistie.“

      „Oh, ich fass es nicht!“, ruft Sammy, springt auf, nimmt die gespielt widerstrebende Frau auf den Arm und trägt sie aus dem Salon hinaus. Auf der Türschwelle dreht er sich zu den verdutzt dreinschauenden Tieren um und ruft triumphierend: „Meine Sophia!“

      „Wen er freilassen soll“, wissen wir jetzt immer noch nicht“, jammert Lady Stunden später in Misties Ohr, eng an ihn gekuschelt auf dem Bett im gemeinsamen Zimmer liegend. Ansonsten hört man nur das nächtliche Zirpen der Grillen.

      „Das frage ich mich auch“, entgegnet der Marder. „Aber demnach wie du mir das erzählt hast, ist es nicht erstaunlich, dass er darüber schwieg. Das hat schließlich dieser wenig vertrauenerweckende Kerl von ihm verlangt, oder?“

      Lady bejaht. „Genau. Ich fürchte, der, den er freilassen soll, ist ebenso wenig vertrauenerweckend. Apropos erweckend – bitte weck mich, falls du morgen früh vor mir aufwachst.“

      „Warum, was hast du vor?“

      Lady gähnt herzhaft. „Das Übliche, auf Sophia aufpassen. Sie schläft nicht mehr so lange wie früher, geistert manchmal nachts oder in den frühen Morgenstunden durch die Villa und überprüft, ob alle Türen fest verschlossen sind. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“

      „Doch“, stimmt Mistie zu. „Jetzt, wo du es erwähnst. Aber was sollte ihr dabei geschehen?“

      „Na, sie ist dann ja ein bisschen schlaftrunken und könnte zum Beispiel über einen vollen Wassernapf stolpern. Sammy kriegt nichts mit, schläft wie ein Stein.“

      Mistie kuschelt sich noch enger an Lady, legt ihr ein Vorderbein über den Hals. „Wie gut, dass sie dich hat!“

      Die Hündin erwidert seine Liebkosung, leckt ihm über’s Fell. „Uns, mein Lieber – uns!“

      Als Lady gegen fünf Uhr früh erwacht, ist der Platz neben ihr leer. Mistie muss sich sehr leise fortgeschlichen haben, denn trotz ihres leichten Schlafs hat sie davon nichts mitbekommen. Angestrengt lauscht sie durch die offene Tür in Richtung von Sophias und Sammys Schlafzimmer, das auf dem selben Flur liegt, im ersten Stock. Jenes neben dem Salon will Sophia nicht mehr benutzen, weil es zu viele zwiespältige Erinnerungen an Anton weckt.

      Nichts, Lady vernimmt nur ruhige Atemgeräusche, von beiden. Hinter dem Fenster deutet sich der grauende Morgen gerade erst an, doch sie findet keine Ruhe mehr, ist auch ein bisschen enttäuscht, weil seine Mardernatur Mistie offenbar doch wieder hinausgetrieben hat.

      Die Hündin reckt und streckt sich, springt aus dem Bett und trippelt auf den Flur, die Treppen hinunter, durchquert das weitläufige Foyer und schlüpft durch die Marderklappe ins Freie. Wie gut, dass sie so winzig ist!

      Aber was will sie jetzt eigentlich hier draußen, ihren Herumtreiber suchen? Warum eigentlich nicht? Dann sieht sie endlich mal, was er nachts im Wald so alles treibt. Aber was, wenn ihr das missfällt, wenn ihr das ganz und gar missfällt?

      Unschlüssig verharrt Lady bei der Marderklappe, bis ein Krächzen den melodischen Gesang der Singvögel stört.

      Elsie! An die hatte sie gar nicht mehr gedacht. Im Nu ist Lady bei der Voliere und bleibt überrascht stehen. „Ach, hier bist du?“

      „Ich konnte nicht schlafen und hatte plötzlich eine Idee“, erklärt Mistie mit Blick auf die Elster. „Jetzt, wo Captain Nemo wieder in Hamburg ist, wäre es doch prima, wenn jemand für uns Botendienste übernehmen könnte.“

      Elsie hält den Kopf schief und blickt neugierig von einem hochgelegenen Ast auf Lady herab. Die weiß nicht so recht, was sie davon halten soll, mustert den Rabenvogel misstrauisch, den im Mondlicht schimmernden imposanten Schnabel, die blitzenden Augen, das leuchtende Weiß im Gefieder.

      „Krah, krah!“ Elsie plustert es auf, breitet ihre Flügel aus und hüpft auf einen noch etwas höheren Ast, dann wieder zurück und hin und her, hin und her...

      „Sie kann doch noch nicht fliegen“, wendet Lady ein.

      „Noch nicht“, ergänzt Mistie.

      „Aber bald“, krächzt Elsie und flattert wie zum Beweis auf einen tiefergelegenen Ast hinunter. Die Hündin reckt ihren Hals und beschnüffelt sie prüfend durch’s Gitter. „Und du würdest das wirklich für uns tun?“

      „Krah, klar, für euch und für mich. Umsonst ist der Tod.“

      „Das muss sie von irgendeinem Wanderer aufgeschnappt haben“, spekuliert Mistie.

      „Mir egal“, blafft Lady, „von wem sie es aufgeschnappt hat. Tatsache ist, dass sie bezahlt werden will – zusätzlich.“

      „Was heißt hier zusätzlich“, empört sich Elsie.

      „Na ja“, meint Lady. „Unsere Menschen retten dir das Leben, verköstigen dich und bieten dir eine Unterkunft. Und wofür das alles?“

      „Da hat sie Recht“, meint Mistie.

      „Wofür, wofür?“, krächzt Elsie. „Als Wiedergutmachung dafür, dass ihre Artgenossen mich meinen Eltern entführt haben!“

      „Unsere Menschen können nichts für die Fehler der anderen!“, erregt sich Lady, aber Elsie hört ihr nicht zu. „Menschen halten sich ja für