Karlheinz Franke

Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses


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199): Von den 170 Brüdern waren im Jahre 1856 im Rauhen Haus 38 tätig, 57 in vergleichbaren Rettungshäusern, 27 als Aufseher in staatlichen Gefängnissen, 13 in öffentlichen Armenhäusern, 14 als Schullehrer, 9 in der Auswandererseelsorge sowie 8 in der Krankenpflege oder in Fabriken (als Sozialarbeiter).

      Wicherns Unterscheidung zwischen Brüdern und Diakonen hat sich nicht durchgesetzt. Zwar nahm das Diakonenamt in der evangelischen Kirche erst im 20.Jahrhundert, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, reale Formen an, doch nannte man schon zu Wicherns Zeiten hie und da die Absolventen der Brüderausbildung "Diakone". Mehr und mehr setzten die Landeskirchen ausgebildete Brüder im kirchlichen Dienst ein, so dass eher schleichend als konzeptionell geplant aus Mitgliedern freier Diakonenanstalten Beauftragte der Kirche wurden. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben nahezu alle Landeskirchen den Dienst von Diakonen und Diakoninnen gesetzlich geregelt. Entsprechend wurde aus der Brüdergenossenschaft des Rauhen Hauses eine Diakonen- und Diakoninnengemeinschaft.

      Ihre Mitglieder sind in das kirchliche Diakonenamt eingesegnet (ordiniert). Gleichwohl lebt der Genossenschaftsgedanke fort. In der Alltagssprache nennt man sie Diakone/Diakoninnen "des Rauhen Hauses". Strenggenommen sind sie das nicht, sondern Diakone der Kirche. Aber nach wie vor verstehen sie sich als eine freie, mit dem Rauhen Haus verbundene und dem diakonischen Auftrag der Kirche verpflichtete Gemeinschaft.

       Schlussbetrachtung

      Als Wichern mit Josef Baumgärtner den ersten Bruder ins Rauhe Haus rief, dachten weder er noch die vielen anderen, die Baumgärtner folgten, an ein "Diakonenamt", wohl aber an einen gemeinschaftlichen Dienst der Liebe. Die Diakonie der Gründergeneration bestand wesentlich aus ihrer zum Glauben und Handeln erwachten Personalität. Wie von selbst führte sie zu einer geistlichen Genossenschaft. Nicht um ein Amt ging es ihnen, noch nicht einmal um einen neuen Beruf, sondern um das im Glauben wurzelnde Lebensexperiment in der Nachfolge Jesu. Ihr Beispiel macht bis heute Schule. Aus den diakonischen Gemeinschaften wurden geistliche Lebens-, Lern- und Arbeitsgemeinschaften. Im Meer volkskirchlicher Unverbindlichkeit bilden sie Inseln des Engagements und eines der Diakonie verpflichteten Lebens.

      Gottesfürchtige Männer wünschte sich Wichern als Brüder des Rauhen Hauses, so ernst als wahr, so klug als weise, in der Schrift bewandert, im Glauben begründet, voll Liebe zum armen Volke, geschickt zu solch einem Umgang, der Menschen fürs Himmelreich gewinnt. Wichern dachte an Menschen, die aus dem Wort Gottes leben, in verbindlicher Gemeinschaft ihren Glauben vertiefen und den diakonischen Auftrag der Kirche erfüllen wollen. Sich auf sein Erbe zu berufen, heißt für die Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses, sich auf ihr glaubensstiftendes Charisma zu besinnen und es in Alltag und Beruf diakonisch zu leben.

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      Diakoninnen und Diakone der Brüder- und Schwesterschaft des Rauhen Hauses heute

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      Christoph Friedrich Götzky, ein Zeitgenosse Johann Hinrich Wicherns

      Christoph Friedrich Götzky – geboren am 6.1104.1822 – Einritt am 24.11.1845 – Einsegnung am 13.10.1847 – verstorben am28.03.1894

      Im Internet: http://rauhes-haus-diakon.npage.de/goetzky-christoph-friedrich.html

      https://sites.google.com/site/rauheshausdiakone/goetzky-christoph-friedrich

      http://rauheshausbruder.klack.org/seite8.html

      Diakon Christoph Bretschneider recherchierte aus dem Briefwechsel zwischen seinem Urgroßvater Christoph Friedrich Götzky und Johann Hinrich Wichern dieses Lebensportrait:

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      Christoph Friedrich Götzky wurde am 6. November 1822 in Braunschweig geboren und römisch-katholisch getauft. Er hatte den Beruf des Buchbinders erlernt. Seine Mutter hatte ihn vom Militärdienst freigekauft. Im Spätsommer 1844 begab er sich von Braunschweig aus auf eine Wanderschaft gen Norden. Sein Ziel war Schweden. Wohl, um seine Reisekasse aufzubessern, nahm er in Horn bei Hamburg eine Arbeit an. Der Buchbindermeister August Sandelmann im Rauhen Hause suchte gerade eine Hilfskraft. Druckerei und Buchbinderei des Rauhen Hauses verzeichneten seit der Herausgabe der „Fliegenden Blätter“, dem Mitteilungsblatt des Rauhen Hauses, einen derartigen Aufschwung, dass im Sommer 1844 mit einem Neubau für die Erweiterung der Buchbinderei begonnen wurde. Das Richtfest am 22. August wird Christoph Friedrich Götzky nicht mitgefeiert haben, wohl aber die Fertigstellung des Neubaus.

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      Von Wicherns Arbeit mit den Kindern war Götzky bald so angetan, dass er beschloss, Gehilfe in der eigentlichen Arbeit des Rauhen Hauses bei Wichern zu werden. Nach gut einjähriger Tätigkeit in der Buchbinderei wurde er, inzwischen zum evangelischen Glauben konvertiert, am 24. November 1845 als Bruder in das Gehilfeninstitut aufgenommen.

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      Er war im Haus „Bienenkorb“ in der Jungenbetreuung tätig.

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      Während seiner Reise durch den Norden Deutschlands handelte Johann Hinrich Wichern in Brüssow mit dem zuständigen Komitee aus, ein zu gründendes „Rettungshaus“ mit einem Bruder aus dem Rauhen Hause zu besetzen.

      Am 23. Oktober 1847 trat C. F. Götzky die 14tägige Reise nach Brüssow in der Uckermark, westlich von Stettin, an. Sie führte zu Fuß, mit Pferdeomnibussen und mit der Eisenbahn über Bremen, Celle, Braunschweig, wo er seine Angehörigen besuchte, weiter über Berlin nach Brüssow. Dort fand er ein leeres Haus vor. Nur ein Bett war vorhanden. In dem Superintendenten Hohlfeld und seiner Frau fand er Menschen, die ihm in der ersten Zeit mit Rat und Tat zur Seite standen.

      Es mag nicht einfach gewesen sein, aus der Geborgenheit in Wicherns Wirkungskreis im Rauhen Haus in die ferne Kleinstadt Brüssow mit ihren etwa 1.800 Einwohnern, versetzt zu werden. Am 1. Dezember 1847 wurde das Rothe Haus eingeweiht. Begründer war der Oberamtmann Osterroth. Seinen Namen sollte das Haus tragen. Da die Bezeichnung „Haus Osterroth“ jedoch zu lang erschien, so nannte man die neue Anstalt „Rothes Haus“. Die ersten Jungen wurden aufgenommen. Bei der Einweihungsfeier hatte C. F. Götzky als Tischdame die Frau des Oberamtmannes Osterroth neben sich zu sitzen, die sich nur fürs Theater interessierte. „Sehr drückend war es für mich, 2 ½ Stunden am Tische zu sitzen“, schrieb er an Wichern. Was war ein Rettungshaus ohne Hausmutter? Die angeworbene Haushälterin machte ihm Sorge. Sie war in der Wirtschaft unordentlich und zu den Jungen lieblos. Noch eine Sorge quälte ihn. Während der letzten Zeit seiner Ausbildung im Rauhen Hause hatte er eine junge Frau kennen gelernt, Wilhelmine Jessen, die ihm wohl zusagte. Dann aber kamen ihm Bedenken. Er zog ein gegebenes Versprechen zurück. Das verursachte Seelenqualen und trübe Stunden. Wichern schaltete sich ein und vermittelte.

      Aber schon bald fand Götzky in Johanna Bröcker aus Brüssow die Lebensgefährtin und Hausmutter, die ihm bis zu seinem Tode 1894 treu zur Seite stand.

      In Wichern hatte C. F. Götzky einen väterlichen Freund gefunden, dem er sich vorbehaltlos anvertraute. Von 1847 bis 1873 stand er mit Johann Hinrich Wichern, später mit dessen Nachfolger, dem Sohn Johannes Wichern, in regem Briefwechsel. Die Briefe an Wichern waren zunächst Tätigkeitsberichte über seine Arbeit im Rettungshaus.

      Wichern hatte die Brüder verpflichtet, in regelmäßigen Abständen zu berichten. Darüber hinaus enthalten diese Briefe Mitteilungen über das Familienleben und über besondere Ereignisse in Brüssow. Christoph Friedrich litt in den ersten Wochen und Monaten sehr darunter, kaum Nachrichten aus dem Rauhen Hause zu erhalten. Weder von Wichern noch von seinen Mitbrüdern traf Post ein. Nun fehlten ihm Wicherns Rat und Zuspruch. Wichern war jedoch im Jahr 1848 mit bedeutenden Aufgaben, besonders mit dem Kirchentag in Wittenberg, so ausgelastet,