Karlheinz Franke

Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses


Скачать книгу

an die Brüder und benutzte die Fliegenden Blätter für Mitteilungen.

graphics11

      Erst durch die Heirat mit Johanna Bröcker am 25. Juli 1848 wurde Götzky in Brüssow heimisch, und die Jungen bekamen damit eine Hausmutter. „Mit ihr ist ein guter Geist eingezogen“, schreibt er.

      Das Einkommen des C. F. Götzky bestand aus freier Station (Essen, Trinken, Wohnung) für sich, seine Ehefrau und die leiblichen Kinder, sowie aus einer geldlichen Entschädigung von jährlich 80 Talern zuzüglich 10 Taler für Kaffee, Tee und Zucker. Seine Frau erhielt für ihren Einsatz ein jährliches Entgelt von 20 Talern. Diese Mittel reichten mit zunehmender Kinderzahl schon bald nicht mehr aus. Mehrere Anträge an den Vorstand auf Erhöhung der geldlichen Zuwendungen wurden stets mit der Begründung abgelehnt, dass die Anstalt diese nicht tragen könne. Lediglich individuelle Zuschüsse für besondere Anlässe wurden seitens des Vorstandes auf Antrag gewährt. Götzky wandte sich mehrmals auch an Wichern, der mit Mitteln aus der Brüder-Hilfskasse aushalf.

      Christoph Friedrich Götzky war ein frommer Mann mit einem großen Gottvertrauen. Dies bezeugen seine Briefe. Er erteilte regelmäßig Religionsunterricht und versuchte, seine anvertrauten Jungen zum rechten Glauben zu führen. Er hatte viel Freude an seinen Zöglingen, aber auch manche herbe Enttäuschung hinzunehmen.

      Auch an den eigenen acht Kindern hatten die Eltern ihre Freude. Manches Leid blieb ihnen nicht erspart. Der Tod des siebten Kindes Hermann, der als 18jähriger Seminarist an einem Lungenleiden starb, traf die Eltern besonders schwer. Der älteste Sohn Johannes kam erst nach einem dreijährigen Amerika-Aufenthalt auf Umwegen zu seinem Beruf als Versicherungsagent. Der jüngere Sohn Martin, der Diakon und Lehrer wurde, musste nach dem Tod seines Bruders zunächst eine Gärtnerlehre absolvieren, um viel an der frischen Luft zu sein und nicht nur hinter Büchern zu sitzen. Von seiner Frau berichtet C. F. Götzky nur wenig in den Briefen an Wichern, dabei hatte sie doch die Hauptlast zu tragen und neben acht eigenen Kindern noch bis zu 15 Zöglinge des Rettungshauses zu versorgen.

      Götzky hing sehr am „lieben Rauhen Hause“. Er empfand es als ein Geschenk Gottes, Wichern begegnet zu sein. Er hätte am liebsten alle seine Kinder im Rauhen Haus ausbilden lassen. Zwei seiner sechs Söhne, Adolph und Martin, gingen durch die Ausbildung der Brüderanstalt. Seine jüngere Tochter Johanna heiratete den Rauhäusler Bruder Hermann Uhlig, der im Rothen Hause zu Brüssow zunächst als Gehilfe tätig war, wo beide sich kennen lernten. Zwei weitere Söhne, Johannes und Wilhelm, schlossen sich der Diakonenschaft des Rauhen Hauses als Freibrüder an. Sohn Adolf heiratete eine Diakonentochter, Katharina Elisabeth Schrewe. Ein Schwager des Christoph Friedrich Götzky, Ernst Hippe, wurde ebenfalls Bruder des Rauhen Hauses. Eine besondere Freude war es ihm, an den Brüdertagen im Rauhen Haus teilzunehmen. Nach der Pensionierung am 30. Juni 1890 zog das alte Ehepaar Götzky für ein Jahr von Brüssow nach Hamburg ins Rauhe Haus. 1891 zogen die alten Götzkys zu ihrem Sohn Adolph und Familie in Groß Rosen in Schlesien, wo Christoph Friedrich am 28. März 1894 im Alter von 71 Jahren verstarb.

graphics12

      Das nach Kriegszerstörung rekonstruierte alte Rauhe Haus auf dem Traditionsgelände

graphics13

      Johann Conrad Drojewsky – Stadtmissionar in Bremen

      Ein interessantes von Johannes Wichern unterzeichnetes Zeugnis

      aus dem Jahre 1882 über Johann Conrad Drojewsky – geboren am 6.06.1857 – Eintritt am 11.10.1879 – Einsegnung am 1.08.1882 – verstorben am 18.02.1935

      auf den folgenden Seiten

graphics14 graphics15

      in lesbare Schrift übersetzt:

      Entlassungs=Zeugniß für Johann Conrad Drojewsky

      bisherigen Zögling der Brüderanstalt des Rauhen Hauses

      Johannes Conrad Drojewsky, geboren den 6. Mai 1857 zu Dirschau, Pr. Preussen, ist am 11. Oktober 1879 in die Brüderanstalt des Rauhen Hauses eingetreten.

      Derselbe hat während seines fünfjährigen Aufenthaltes an dem praktischen und theoretischen Unterreicht der Brüderanstalt Theil genommen und sich im Lesen der apostolischen Briefe, im Katechismus und neuen Testament sehr gute, im alten Testament, in Literaturgeschichte, Pädagogik, Gesang, Geografie, Physik und Naturgeschichte gute, in Grammatik, Aufsatz, Geschichte, Rechnen und Geigen genügende bis befriedigende Kenntnisse und Fertigkeiten erworben. Im letzten Jahre seines Hierseins unterrichtete er die II. Knabenklasse in Naturgeschichte und die III. im Rechnen und zuletzt auch in der biblischen Geschichte. Er war längere Zeit hindurch Assistent in einer unserer Knabenfamilien im Pensionat. Ferner hat er 2 Jahre unsere Tischlerwerkstatt mit Geschick geleitet.

      In den genannten Thätigkeiten hat Br. Drojewsky stets mit großer Treue, Selbstverleugnung und Umsicht gearbeitet, so daß er sich unserer aller Zufriedenheit erworben hat. Er verläßt nun unsere Anstalt, um dem Rufe als Stadtmissionar nach Hamburg (Borgfelde) Folge zu leisten. Der Herr geleite ihn in Gnade mit Segen.

      Zur Beglaubigung füge ich das Siegel des Rauhen Hauses hinzu und bemerke ausdrücklich, daß dies Zeugniß nur so lange Werth und Gültigkeit haben soll, als Br. Drojewsky sich in dem oben genannten Dienst als Stadtmissionar in Hamburg (Borgfelde) als Bruder des Rauhen Hauses befindet, dass aber die Gültigkeit dieses Zeugnisses erloschen sein soll, wenn es nach dem etwaigen Abgange des gedachten Bruders von dort nicht ausdrücklich bestätigt worden ist, sei es durch unmittelbare Unterschrift unter dies Zeugnis oder durch ein mit gleichem Siegel versehenes Schriftstück des Vorstehers der Brüderanstalt des Rauhen Hauses.

      Horn bei Hamburg – Am 1.ten August 1882

      Der Vorsteher derBrüderanstalt des Rauhen Hauses – J. Wichern

graphics16

      Diakon Karl Titze – Hafenmissionar in Valparaiso/Chile

      Karl Titze – geboren am 24.11.1878 – Eintritt am 27.09.1906 – Einsegnung am 20.04.1912 – verstorben am 9.08.1929

      Gugo Freese, Valparaiso, berichtet:

      Wer hat ihn nicht gebannt, den Hafenmissionar von Valpsraiso. Alle, aber auch alle Deutschen in Valparaiso, wenn nicht in ganz Chile, kannten diesen edlen Menschen, der am 9. August 1929 morgens 7 Uhr nach langem, schwerem Herzleiden in seinem Hause im Deutschen Seemannsheim sanft entschlafen ist.

      Herr Titze stammte aus Damsdorf in Schlesien, geboren am 24. November 1878, hatte er also eben "Fünfzig" überschritten, als er viel zu jung noch aus dem Leben gerissen wurde. Ihm war zueigen der echte biedere, schlesische Volkscharakter, verbunden mit einem ganz besonders offenherzigen Wesen und mit einer gewissen Frömmigkeit, welche Eigenschaften ihn allgemein sehr beliebt machten.

      Der Verstorbene erhielt seine vorzügliche Ausbildung im „Rauhen Hause“ zu Hamburg, woselbst er sechs Jahre tätig war und kam dann in Jahre 1912 als Leiter des Deutschen Seemannsheims nach Valparaiso. Dank seiner Überaus tatkräftigen Leitung gelang es ihm nach und nach, zusammen mit seiner braven Frau, die allen Seeleuten durch ihre gute Küche rühmlichst bekannt tat, das Seemannsheim welches bei seiner Übernahme nicht sehr groß war, zu einem erstklassigen Hause umzugestalten.

      Gedeihen welches erst vor er erst vor ungefähr1 ½ Jahren durch Verlegung in die Nähe des Hafens neben der Bella-Vista-Station vergrößert und verbessert wurde, ist zum großen Teil sein Werk. Es bot nicht allein den Seeleuten, sondern auch vielen anderen neu zugereisten Deutschen eine billige und dem guten Zweck dienende Unterkunft, der Deutschen Kolonie