Peter Padberg

Tarris


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Welt versklaven und zerstören. Wenn sie eines Tages Erfolg haben sollten, wird das Leben, wie wir es kennen, abrupt enden.

      Ihr wisst auch, dass es eine Gemeinschaft aus magisch begabten Geschöpfen dieser Welt gibt, die mit aller Macht verhindern möchten, dass es soweit kommt. Was Ihr bis jetzt nicht wusstet, ist, dass Ihr beide – ja Ihr habt richtig gehört, dass Ihr alle beide der Magie gegenüber so aufgeschlossen seid, dass Ihr nach bestandener Ausbildung zu dieser Gemeinschaft gehören könnt!“ Maurah und Fanir sahen sich entgeistert an. Jeder hatte von dem anderen vermutet, dass er ebenfalls einige wenige magische Fähigkeiten innehatte. Jedoch hätte keiner von dem anderen jemals gedacht, dass er ebenfalls so ausgeprägt magisch war, dass er für die Gemeinschaft interessant sein könne. Beide waren überaus glücklich über diese Information. Jeder von Ihnen hatte sich in der letzten Zeit schon häufig Gedanken darüber gemacht, ob ihre Freundschaft durch die eigenen magischen Fähigkeiten beendet werden würde. Sie strahlten über das ganze Gesicht.

      „Ich sehe, es stört Euch nicht wenn Ihr in Zukunft zusammen trainieren und lernen werdet! Das ist ein guter Start. Jedoch müsst Ihr wissen, dass sich Euer Training nicht gleich gestalten wird, da Eure magische Begabung stark unterschiedlich ist! Ihr müsst diese Unterschiede unbedingt verstehen, damit Ihr – falls es notwendig sein sollte – genau wisst, wir Ihr Euch gegenseitig am besten unterstützten könnt! Daher möchte ich dieses erste Zusammensein gerne dazu nutzen, Euch über Euch selbst besser zu informieren. Bitte vergesst nicht, dass Ihr genau wissen müsst, was der andere kann, wozu er fähig ist und vor allem, wozu er nicht fähig ist und somit Hilfe benötigen könnte!

      Maurah ist mir von der Veranlagung her sehr ähnlich. Ich habe dies bereits kurz nach dem Start unserer gemeinsamen Übungen vor fast zwei Jahren gemerkt, als wir eine Wanderung zu den Tälern im Süden von Hornstadt unternommen hatten. Es sind wilde und schöne Täler, in denen wir seltene Pflanzen zu finden hofften. Jedoch muss man in diesen Tälern damit rechnen, auf Karruum zu treffen, da sie sich in den warmen Niederungen sehr wohl fühlen.

      Sie waren bereits drei Stunden von Hornstadt entfernt und der schmale Pfad, dem sie folgten, wand sich vor Ihnen durch einen mittlerweile tiefgrünen Wald. Die Nadelbäume waren auf den Höhen zurückgeblieben und fast ausschließlich durch große Laubbäume ersetzt worden, deren Blätter leise im Wind flüsterten. Es wurde stetig wärmer und die Vielfalt der Pflanzen nahm mit jedem Meter, den sie tiefer in die Täler eindrangen, zu. Karameen hatte Maurah im letzten Winter viele der Pflanzen erklärt, die die magischen Fähigkeiten einer Magierin beeinflussten konnten und hatte Maurah unendlich viele Zeichnungen von diesen Gewächsen anfertigen lassen. Heute war der Tag, an dem Maurah ihr Wissen überprüfen und die Pflanzen in der Natur finden sollte – eine schwierige Übung. „Maurah, ich denke, es ist an der Zeit, dass Du zeigen kannst, was Du gelernt hast! Kannst Du Dich an das für uns so wichtige Hynaskraut erinnern?“ Maurah wusste sofort und ohne nachzudenken, was zu tun war. Hynaskraut hatte, so wie Karameen es beschrieben hatte, einen unverwechselbaren Duft. Der Duft war sehr, sehr süßlich, erinnerte aber gleichzeitig an Minze. Maurah sog die warme Luft durch ihre Nase und konnte augenblicklich erkennen, wie die Pflanze tatsächlich roch. Sie würde diesen Geruch in ihrem Leben nie wieder vergessen und immer wissen, wenn Hynaskraut in der Nähe wäre. Sofort folgte sie dem Duft und fand nach kurzer Zeit die unscheinbare Pflanze. Sie sah genauso aus wie in der Zeichnung, die sie mit Karameens Hilfe vor einigen Wochen angefertigt hatte. Karameen war begeistert. „Das ging aber schnell – prima. Bevor wir nun nach anderen Pflanzen suchen, werden wir ausprobieren, wie sie wirkt. Gib mir das Hynaskraut“. Maurah entfernte die Blätter der Pflanze vorsichtig von dem zierlichen Stamm und reicht sie Karameen. Beide machten es sich im weichen Moos am Rande des Pfades bequem und Karameen benutzte den Mörser, den sie immer dabei hatte, um die Blätter in einen duftenden Brei zu verwandeln. Den Brei teilte sie in zehn winzige Portionen und wickelte acht davon in ein Blatt, das sie nicht zermahlen hatte. Sie reichte Maurah eine der beiden übrigen Portionen. „Mehr als dies, was ich Dir hier gebe, darfst Du niemals auf einmal einnehmen! Selbst diese Dosis wird viele Stunden wirken! Zerkau‘ es langsam und behalte es lange im Mund. Der Geschmack ist ausgezeichnet und die Wirkung ist deutliche besser, wenn Du es lange im Mund behältst. Es wirkt auch wesentlich schneller, wenn es lange mit Deinem Speichel in Kontakt war“.

      Beide nahmen ihre Portion in den Mund. Karameen stand wortlos auf und ging langsam weiter. Maurah folgte ihr und konzentrierte sich auf die Pflanze in ihrem Mund, die ein eigenes Leben zu entwickeln schien. Sie prickelte auf ihrer Zunge und der Geschmack verstärkte sich von Minute zu Minute. Das Prickeln wurde kurz darauf wieder schwächer, wanderte dafür aber langsam von ihrer Zunge in ihren Kopf und in ihren Rücken, wo sich eine wohlige Wärme verbreitete. Maurah wurde sich sehr deutlich der vielen Lebewesen bewusst, die sich in der näheren Umgebung befanden. „Die Wirkung des Hynaskrautes sollte nun eingetreten sein. Maurah, siehst Du die Stachelkröte dort vorne? Versuch‘ doch einmal, ihre Gedanken zu verstehen. Und falls dies klappt, versuche, sie zu beeinflussen!“ Maurah konzentrierte sich auf die Stachelkröte, konnte aber keine Gedanken im eigentlichen Sinn wahrnehmen. Was sie jedoch spürte, war der unbändige Drang, Fliegen fressen zu müssen. Dies nahm sie in Bildern wahr, die ihr eine Fliegen fressende Stachelkröte zeigten. Wie sollte sie solch einfache Gedanken beeinflussen? Maurah stellt sich eine dicke, fette Schmeißfliege vor, die sich auf ihren Fuß setzte. Im Bruchteil einer Sekunde und nach nur einem weiten Sprung landete die Stachelkröte auf ihrem Schuh – verblüfft, keine Fliege vorzufinden. Karameen war ebenfalls verblüfft. Niemals zuvor hatte sie einen Magae gesehen, dem es so schnell gelungen war, ein Lebewesen nicht nur zu beeinflussen, sondern zu steuern.

      Ein Schatten fiel auf ihr Gesicht. Karameen blickt nach oben. Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit raste einer der neuen Drachen auf sie zu. Sofort versuchte sie, die Gedanken des Drachen mit Hilfe des Hynaskrautes zu beeinflussen – jedoch ohne jede Wirkung. Bevor Karameen einen Abwehrzauber wirken konnte, landete der Drache vor ihren Füßen, wandte den Kopf und blickte zu Maurah. „Bitte sei nicht erzürnt, Karameen! Ich musste sie einfach rufen“, sagte Maurah leise. „Sie war die einzige, mit der ich wirklich Kontakt aufnehmen konnte. Sie denkt fast wie wir.“ Karameen war sprachlos. „Sie? Warum nennst Du den Drachen sie?“ „Weil sie ein Weibchen ist und Maranda heißt.“

      Maranda näherte sich langsam und äußerst geschmeidig Maurah. Wie ein vorsichtiges Zupfen kündigte sich die Kontaktaufnahme des Drachen in Maurahs Kopf an. „Was bist Du?“ nahm Maurah die Frage in ihrem Kopf wahr. Auch dieses Mal wurden die Worte in Bildern dargestellt. Sie spürte eine ungeahnte Vertrautheit. Der Drache war ihr von Gefühlen und Einstellungen her sehr ähnlich. „Ich bin eine Homuae, eine junge Magae der Homuae. Ich versuche gerade, mit Hilfe von Hynaskraut neue Freunde zu finden, zu denen ich früher keinen Kontakt aufnehmen konnte.“ Maranda stand jetzt direkt vor Maurah. Sie überragte Maurah um ein Vielfaches – auch wenn sie mit ihrem fünf Schritte langen Körper für einen neuen Drachen eher klein und noch lange nicht ausgewachsen war. Ihre Nüstern näherten sich Maurah bis auf eine Handbreit und beschnüffelten Maurah. „Du bist so ähnlich wie ich es bin – auch wenn Dein Äußeres anders ist. Wie kann dies sein?“ „Ich kann es Dir nicht erklären.“ antwortete Maurah. „Ich habe mich noch nie mit einem Drachen unterhalten oder in seine Gedanken geblickt. Aber auch ich spüre, dass wir ähnlich sind. Es ist ein gutes Gefühl.“ Maranda breitete ihre Flügel aus und flog davon. „Ich möchte Dich gerne wiedersehen!“ übermittelte sie in Gedanken und war verschwunden.

      Nachdem Maurah erläutert hatte, welche Art von Gedankenaustausch zwischen dem Drachen und ihr stattgefunden hatte, leuchteten die Augen von Karameen voller Zuversicht. Maurah hatte sich als ein überaus würdiger Anwärter auf eine Mitgliedschaft im Bündnis der Erfahrenen gezeigt. Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Maurah lernte weitere Pflanzen und deren verstärkende Wirkung auf ihre magischen Fähigkeiten kennen. Aber auch Heilkräuter und ihre Anwendung zeigte Karameen ihr. „Viele dieser Pflanzen wirst Du in einiger Zeit nicht mehr benötigen. Sie helfen Dir am Anfang, Deine magischen Fähigkeiten zu verstehen und sie zu verwenden.“ Während Karameen dies sagte folgten Sie dem Pfad um eine enge Biegung. Vor ihnen öffnete sich ein weites Tal, das mit hochstehendem Gras bewachsen war, das sich leicht im Wind bewegte. Die Grenze des Waldes zog sich nun ein wenig die Hänge der umliegende