Peter Padberg

Tarris


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Karameen beschworen hatte, waren viele kleine Brände am Rand des Weges entstanden. Karameen vollführte einige wenige Gesten und gewann Macht über das Feuer. Es loderte auf und bewegte sich allen Winden zum Trotz von beiden Wegesrändern schnell auf die Karruum zu. Es entstand eine Feuerwand, die, als sie den Weg erreichte, viele der Angreifer auf der Stelle verbrannte und quer durch das Tal eine Barriere aus Feuer erschuf. Die angreifenden Karruum wurden in zwei Teile aufspaltet. Ein Teil vor dem Feuer und ein Teil zwischen der Flammenwand und der Engstelle. Aber immer noch näherten sich fast fünfzig Karruum der Engstelle. Maurah nahm erneut Kontakt auf. In Gedanken verwandelte sie den Weg vor den Karruum in einen tiefen Abgrund, aus dem eine eisige Kälte aufstieg. Sie projizierte diesen Gedanken in die Gehirne der Karruum. Die Angreifer stoppten fast sofort, unsicher, was sie nun tun sollten und wurden durch die eingebildete Kälte bewegungslos. Karameen stürmte aus der Wegenge und setzte Seelenwaage unbarmherzig ein. Die Klinge drang durch die harten Panzer wie ein Messer durch Butter. Der Weg färbte sich erneut in einem dunklen Violett. Es verging nur eine kurze Zeit, bis Karameen die bewegungslosen Karruum bis auf den letzten getötet hatte.

      Bis auf das Knistern des Feuers herrschte nun eine gespenstische Stille. Dann begann die Luft zu rauschen, die durch die Schwingen der neuen Drachen geteilt wurden. Es waren sieben, die sich auf Nahrungssuche begeben hatten, nachdem Maurah Kontakt zu Maranda aufgenommen hatte. Sie stürzten sich direkt hinter der Flammenwand auf die Karruum. „Lass uns nach Hause gehen. Es wird noch eine Weile dauern und wir werden erst nach Einbruch der Dämmerung in Hornstadt ankommen. Es ist an der Zeit.“ Karameen steckte Seelenwaage in die Scheide, wandte sich um und marschierte los.

      „Diese Reise“, Fanir, „zeigt Dir, wie unsere magische Veranlagung die Magie prägt, die Maurah und ich wirken können. Unsere besonderen Fähigkeiten liegen darin, dass wir andere Wesen für uns nutzen, sie beeinflussen und sie manchmal auch steuern können. Außerdem fällt es uns leicht, uns die Elemente dienbar zu machen. Diese beiden Arten der Magie beherrschen wir besonders gut und können besonders starke Zauber wirken. Jeder magisch Begabte hat meist eine Fähigkeit oder auch eine Art von Magie, die bei ihm sehr stark ausgeprägt ist. Die anderen Arten der Magie sind meist nicht stark entwickelt, selbst wenn sie Nichtmagiern äußerst ungewöhnlich erscheinen. Auch gibt es große Unterschiede in der Stärke der magischen Veranlagung. Manche Magier sind überaus mächtig, andere können die Magie nur in geringem Ausmaß anwenden.“

      Karameen blickt Fanir in die Augen. „Um Deine Fähigkeiten zu trainieren und zu stärken, muss ich in einem ersten Schritt feststellen, wo Deine Stärken liegen. Dafür möchte ich nun einen engen Kontakt zu Dir herstellen und mich mit Deinen Gedanken und Deiner Magie verbinden. Es kann sich, da der Kontakt viel tiefer sein wird als bei der Begrüßung, unangenehm anfühlen. Sei Dir aber sicher, dass es notwendig ist! Gestattest Du mir dies?“. Fanir wusste nicht, was er sagen sollte und erteilte die Erlaubnis durch ein Nicken. Karameens Augenkontakt intensivierte sich und Fanir hatte das Gefühl, dass sich ein Faden durch seine Augen in seinen Kopf und weiter in seinen Rücken zog. Er merkte, wie Karameen in seinen Verstand nach Erlebnissen suchte, in denen er mit Magie in Berührung gekommen war oder Magie angewendet hatte. Er konnte fühlen, wie sie auf magische Momente in seinem Leben aufmerksam wurde, die ihm selbst bisher nicht bewusst gewesen waren. Karameen wurde auf den Augenblick aufmerksam, in dem er das erste Mal in seinem Leben Sternenstaub berührte.

      Sein Vater war auf die Jagd gegangen und hatte die schwere Eisenkiste in der Ecke des Wohnraumes versehentlich offen gelassen. Fanir bemerkten einen rötlichen Schimmer, der aus der Kiste zu kommen schien. Vorsichtig ging er auf die Kiste zu und blickt hinein. In ihr befand sich eine Vielzahl verschiedener Waffen. Das rötliche Schimmern kam von einem Schwert, das sich zusammen mit einem Kettenhemd unter vielen anderen Messern, Dolchen und zwei Bolzenschleuderern befand. Fanir streckte seine kleine Hand aus und zog das Schwert mit großer Anstrengung unter den anderen Waffen hervor. Das Schwert war leicht. Nachdem er es von den anderen metallisch schimmernden Waffen befreit hatte, konnte er es ohne Mühe vor sich halten. Es lag wie angegossen in seiner Hand und ließ sich leicht wie eine Feder durch die Luft bewegen. Es war ein gutes Stück länger als er selbst und hätte ihn eigentlich nach vorne ziehen müssen, aber dies war nicht der Fall. Das Heft hatte die gleiche Temperatur wie seine Hand und es schien zu schrumpfen, um noch besser von seinen Fingern umschlossen werden zu können. Seine eigene Wärme floss in das Schwert und kam mit einem Flüstern wieder zu ihm zurück. Es war, als wenn sein Blut von seinem Körper in das Schwert und zurück strömte – als sei das Schwert ein Teil seines Körpers. Das Flüstern sprach ihm Mut zu und er fühlte sich unglaublich stark und erwachsen. Ein Strom von Energie strömte aus seinem Rücken durch den Arm in das Schwert und brachte den roten Stein zum Leuchten. Die Linien, die sich vom Stein durch das Metall zogen, glühten ebenfalls in dem dunklen Rot. Er stand still und war sehr stolz auf sich selbst - mit solch einem großen Schwert in der Hand.

      Der Moskito näherte sich dem sich nicht bewegenden Fanir und freute sich auf seine Mahlzeit. Er flog in vielen Kurven und Bögen auf Fanir zu. Am Rande seiner Aufmerksamkeit hörte Fanir das Geräusch, das auf ein unangenehmes Jucken in nächster Zeit hindeutete. Unbewusst schlug er nach dem Moskito. Er hatte vergessen, dass er ein Schwert in der Hand hielt. Sternenstaub schoss wie ein rötlich schimmernder Blitz auf den Moskito zu. Die Bewegung war so schnell, dass Arm und Schwert kaum noch zu erkennen waren. Der Moskito wurde in der Luft geteilt und ein winziger Bluttropfen, der Rest der letzten Mahlzeit des Moskitos, rann langsam an der Klinge hinunter.

      Er spürte, wie Karameen der Atem stockte. Er hörte sie in seinen Gedanken: „Du hast eine außergewöhnlich starke Verbindung zu diesem Artefakt. Wie oft hast Du es schon benutzt?“ Fanir dachte nach. Er hatte tatsächlich eine enge Verbindung zu Sternenstaub. Allerdings hatte er es seit diesem ersten Kennenlernen in den ganzen darauf folgenden Jahren - bis auf die Zeit, in der er die Kopien des Schwertes anfertigen ließ - nur wenige Male berührt. Benutzt hatte er es kein einziges Mal. Jedoch fühlte er ständig, dass das Schwert sich in seiner Nähe befand. Es bestand eine äußerst enge Verbindung. „Benutzt habe ich es noch nie. Ich habe es immer versteckt aufbewahrt und mir Kopien von ihm fertigen lassen, die ich im Training gebrauchte. Jedoch ist es mir immer irgendwie nahe, als bestehe ein Band zwischen uns, dass nicht reißen kann.“ Die Antwort erfolgte wiederum in seinen Gedanken: „Wie auch Gandaros Dir sicherlich erklärt hat, ist es gut und richtig, das Schwert versteckt zu halten und niemandem zu sagen, dass es sich in Deinem Besitz befindet. Insbesondere den Namen solltest Du niemals erwähnen, wenn Du nicht absolut sicher bist, dass Du mit Vertrauten sprichst. Nichts desto trotz wird es ein wichtiger Teil Deiner Ausbildung sein, zu verstehen, wie Du mit Sternenstaub Deine magischen Fähigkeiten nutzen kannst. Lass uns jetzt beginnen: Stell Dir vor, dass das Schwert zu Dir kommt. Hier auf den Tisch, der vor Dir steht. Stell Dir vor, wie es aussieht. Denke an das Gefühl, das Du hast, wenn Du es in der Hand hältst. Rufe es! Fanir konzentrierte sich und wünschte sich das Schwert auf den Tisch. Jedoch blieb der Tisch, abgesehen vom Tee, so leer wie er vorher war. „Wünsche nicht, rufe!“, kam der Gedanke von Karameen. Fanir sprach nun zu Sternenstaub wie er auch zu Maurah gesprochen hätte. „Ich brauch Dich hier! Komm zu mir!“ Auf dem Tisch zeigt sich ein dunkelrotes Flimmern. Kurz darauf lag das Schwert auf dem Küchentisch. „Nimm‘ es in die Hand. Ich möchte gerne wissen, wie Du Deine magischen Fähigkeiten einsetzt, wenn Ihr in Verbindung seid.“ Karameen konnte spüren, wie eng die Verbindung war. Sie spürte, wie ein mächtiger Strom magischer Energie von Fanir in das Schwert wanderte, gleichzeitig aber auch die Magie in Fanir durch das Schwert um ein Vielfaches verstärkt wurde. Beide Teile der Verbindung zwischen Magae und Schwert profitierten von ihr und verstärkten sich gegenseitig in unglaublicher Weise.

      Karameen hatte genug gesehen und zog sich vorsichtig aus dem Bewusstsein von Fanir zurück. Sie war überaus zufrieden, da sich ihr für die Zukunft ein mächtiger Mitstreiter offenbart hatte. Die Aufgabe, die nun vor ihr lag, faszinierte sie. Sie würde Fanir im Laufe der nächsten Jahre zu einem mächtigen Magae ausbilden. Seine besondere Stärke lag mit Sicherheit darin, enge Verbindungen mit anderen magischen Kräften einzugehen. Es würde sich herausstellen, ob dies auch mit Homuae oder anderen magischen Geschöpfen möglich war. Jedoch waren die magischen Möglichkeiten, in die sie Einblick bekommen hatte, auch in vielen anderen Bereichen deutlich größer als sie es sich vorher erhofft hatte. In vielen Ausbildungsabschnitten würde sie