Peter Padberg

Tarris


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der Dorfgemeinschaft oder im Rat der Bergstämme innehatte. Angesehener sogar als sein Vater, der Statthalter im Dorf war. Und dies missfiel ihm sehr.

      „Fanir, komm schon, wir müssen über das Duell mit Karor sprechen!“ Fanir trat in das Zelt, in dem Lortir ihn erwartete. Die möglichen Waffen standen in einem eigens für das Turnier gefertigten Gestell, das – dem Anlass entsprechend – mit großer Handwerkskunst gefertigt worden war und entsprechend kunstvoll aussah. Es wies viele Rundungen an den Kanten auf, die ebenmäßig nur mit sehr viel Geschick hergestellt werden konnten. Gekämpft wurde mit einer leichten Rüstung und mit echten Waffen, jedoch ohne Schild. Die Duellanten mussten vor dem Kampf – ohne, dass es der Gegner erfahren würde – wählen, ob sie ein leichtes Zweihandschwert oder ein Einhandschwert zusammen mit einem Fangdolch verwenden wollten. Mit dem Fangdolch konnte die Klinge des Gegners kurzzeitig eingeklemmt werden und diesen behindern. Verwendete der Gegner jedoch ein Zweihandschwert, erforderte das Fixieren der Klinge mit dem Fangdolch viel Geschick und Schnelligkeit. Die Klinge eines Zweihänders traf mit größerer Wucht und Geschwindigkeit auf den Fangdolch und machte so dessen Einsatz schwierig. Auch wenn es sich um echte Waffen handelte, waren sie doch so präpariert worden, dass sie keine schwerwiegenden Verletzungen verursachen konnten: Die Schneiden waren allesamt stumpf. Nichts desto trotz konnte ein platzierter, heftiger Schlag Blutergüsse, Prellungen, Quetschungen oder auch Knochenbrüche verursachen.

      „Welche Waffen möchtest Du heute verwenden? Ich weiß, dass Du schnelle Waffen bevorzugst, aber Du musst damit rechnen, dass Karor auf seine Kraft setzten und ein Zweihandschwert wählen wird. Beim letzten Training, als er Dein Kampfpartner war, hat er Dir eine Rippe gebrochen – vergiss dies nicht bei der Waffenwahl.“ Fanir dachte nach. Er war in dem besagten Training nicht schnell genug mit dem Fangdolch gewesen, weil er mit den Gedanken bei seiner besten Freundin Maurah gewesen war. Sie war kurz zuvor im Training auf unfaire Weise von Karor verprügelt und verletzt worden. Karor hatte ihr mit dem Fuß Sand in die Augen gestreut und ihr dann mit voller Wucht mit dem Zweihandschwert auf den Oberschenkel geschlagen. Daher hatte er nicht aufgepasst – er war einfach zu wütend und zu abgelenkt gewesen. Das würde ihm heute mit Sicherheit nicht noch einmal passieren. „Was denkt Ihr, Meister Lortir? Bin ich schnell genug, um sein zweihändig geführtes Schwert zu klemmen?“ „Ich denke, dass es immer sehr knapp sein wird. Karor hat die Kraft, um einem Zweihänder die nötige Geschwindigkeit zu verleihen. Wenn Du nicht müde und erschöpft bist, sollte es Dir durchaus gelingen. Aber wie wird es ausgehen, wenn der Kampf länger dauert? Vergiss nicht, dass Du keine Magie einsetzen kannst. Dies wird bemerkt werden – und dann hast Du den Kampf verloren!“ „Ich werde Karor mit Einfallsreichtum und Geschicklichkeit und nicht mit Muskeln bekämpfen. Er ist älter, größer und stärker. Daher muss ich Einhandschwert und Fangdolch verwenden. Ansonsten bin ich einfach zu unbeweglich. Im Vergleich Kraft gegen Kraft habe ich gegen ihn noch keine Chance. Seid Ihr mit dieser Strategie einverstanden?“ „Selbstverständlich bin ich einverstanden, Deine Erklärung ist ja schließlich sinnvoll. Und allein der Kämpfer entscheidet, welche Waffen er einsetzt. Ich selbst würde das Zweihandschwert wählen. Aber ich war auch niemals so schnell wie Du - nur trickreicher.“ Immer wieder machte ihn Lortir darauf aufmerksam, die Tricks und Kniffe, die er perfekt beherrschte, auch anzuwenden. Er tat es nicht, weil er dann häufig unbewusst Magie einsetzte, um trickreiche Schlagkombinationen mit unglaublicher Geschwindigkeit durchzuführen. Die Magie kam von ganz alleine dazu, da sie ein Teil von ihm war. Er konnte und wollte jedoch niemandem – selbst Lortir – nicht verraten, wie eng die Magie mit ihm verbunden war. Da nahm er eher einen verlorenen Kampf, selbst wenn er so wichtig wie der heutige war, oder Kritik in Kauf. Dies tat er, obwohl er eigentlich nicht der Meinung war, dass die Magae-Überwacher überhaupt in der Lage waren, solch tiefgehende Strömungen der Magie zu erfassen.

      Seine Magie basierte nicht auf dem Metall, das aus der Sonne auf die Erde geschleudert wurde, sondern nur auf seinen eigenen Fähigkeiten. Er war anders – so wie Maurah, wie er glaubte, aber nicht wusste. Auch magisch modifizierte Waffen unterlagen nicht der weit verbreiteten Magie, sondern bezogen die Kraft, die ihnen vor langer Zeit gewährt worden war, andauernd aus sich selbst.

      Lortir reichte ihm die Rüstung. Sie war alt, aber in einem tadellosen Zustand. Darüber hinaus war sie kostbar. Die Rüstung stammte der Legende nach aus der Zeit, als das alte Wissen um die Schmiedekunst noch nicht verloren war, jedoch das neue Wissen um die Magie und die dauerhafte magische Verstärkung von Rüstungen bereits in die Schmiedekunst Einzug gehalten hatte. Allerdings war die Rüstung immer noch deutlich zu groß für Fanir. Sie wurde für einen ausgewachsen Krieger gefertigt. Fanir sah ein wenig verloren in ihr aus. Behindert in seinen Bewegungen wurde er jedoch nicht, da sich die Rüstung wie ein lebendiges Wesen seinem Körper anzupassen versuchte. Die ganze Rüstung – jeder einzelne Ring des Kettenhemdes – war mit schwarzer Farbe bemalt, um zu verbergen, dass sie aus Metallen des vorhergehenden Zeitalters bestand. Er durfte die Rüstung im Turnier nur verwenden, weil sie leichter als Leder war. Das Gewicht war der Maßstab, wann eine Rüstung als leichte, für das Turnier zugelassene Rüstung zählte. Auf seiner Brust prangte das alte Wappen seiner Familie. Im Zentrum des Wappens war Sol als goldener Stern abgebildet. Von Sol gingen feine goldene Strahlen in Richtung eines ebenfalls goldenen Schwertes auf der einen Seite und in Richtung eines silbern strahlenden, stilisierten Homuae als Zeichen für Magie auf der anderen Seite. Fanir nahm das Schwert entgegen. Es war eine Nachbildung des Schwertes, das er von seinem Vater geerbt hatte und das seit langer Zeit in seiner Familie von Vater zu Sohn weitergegeben wurde. Niemand wusste, dass es in seinem Besitz war und er hatte es nach der Herstellung der Kopien niemals wieder aus seinem Versteck hervorgeholt. Die Kopie, die er nun nahm, war in Hinblick auf Gewicht und Ausgewogenheit mit seinem eigenen Schwert identisch. Auch wenn Fanir noch nicht seine Ausbildung als Schwertkämpfer abgeschlossen hatte, nahm er bereits sehr genau Gewicht, Balance und Eigenschaften eines jeden Schwertes wahr. Daher war es ihm sehr wichtig, dass die Schwertkopien seinem Schwert in dieser Hinsicht entsprachen. Zuletzt nahm er den Fangdolch. Dann war es an der Zeit, sich zum Kampfplatz zu begeben. Lortir begleitete ihn.

      Der Kampfplatz lag im Zentrum der vielen Stände des Erntefestes. Gerüche strömten von den Gewürzständen der Händler und den Ständen der Köche in die Arena. Die Stimmung war hervorragend und überall wurde über die vergangenen Kämpfe geredet. Getränke wurden gereicht und Wetten wurden abgeschlossen, wer im heutigen Kampf wohl erfolgreich sein würde. Die kleine Arena wurde von hohen, aus Holz gebauten Tribünen umrahmt. Fast fünftausend Zuschauer fanden auf den Tribünen Platz und konnten so die Kämpfe gut beobachten.

      Der Kampfplatz selbst bestand aus einer dünnen Sandschicht, die kreisrund mit einem Durchmesser von zwanzig Schritt zwischen den Tribünen angeschüttet war. Da die Teilnehmer des Wettkampfs aus allen Stämmen der Bergvölker ausgewählt worden waren, waren sehr viele Gäste und Zuschauer in der kleinen Stadt. Die Regeln für den Kampf waren sehr einfach: Alles war erlaubt. Gewonnen hatte derjenige, der seinen Gegner zuerst dreimal in die Knie gezwungen oder ihn über die Begrenzungslinie der Arena getrieben hatte. Aufgeben war ebenfalls möglich. Um aufzugeben, musste die eigene Waffe über die Begrenzungslinie der Arena geworfen werden. Selbstverständlich durfte ein am Boden liegender Kämpfer nicht mehr attackiert werden. Geschah dies, wurde der Angreifer mit hohen Strafen belegt und zum Verlierer erklärt. Der Kampf wurde von drei Schiedsrichtern und dem Magae überwacht. Sollte ein Kämpfer verletzt sein und sich nicht mehr erheben können, würden sie den Kampf zugunsten des Gegners abbrechen.

      „Kämpfe weise und mit Glück“, wünschte Lortir, als Fanir in die Arena ging. Karor hingegen hatte die Arena noch nicht betreten, so dass Fanir Gelegenheit hatte, einen Blick auf die Tribünen zu werfen. Die Zuschauer wirkten überaus interessiert und ein lauter Jubel brandete auf, als er den Kampfplatz betrat. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ihm noch einmal bewusst wurde, wie weit er im Turnier bereits gekommen war und dass viele der Homuae auf den Tribünen ihm zujubelten. „Ich darf nicht verlieren!“, dachte er. „Karor hat es einfach nicht verdient, zu gewinnen. Er kämpft unfair.“ Aus der Gänsehaut auf seinem Rücken wurde eine wohlige Wärme, die durch seinen Körper strömte. Ein erstes Zeichen der Magie, die sich seinen Körperkräften hinzugesellte. Sofort versuchte er, die Kräfte zu unterdrücken und blickt zum Magae, der ihm im Moment seine ganze Aufmerksamkeit widmete. Er vermittelte nicht den Eindruck, als wenn er die