Peter Padberg

Tarris


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Kombinationen gegen einen nicht vorhandenen Widersacher. Der Magae zuckte mit keiner Wimper und sein Gesichtsausdruck blieb aufmerksam – aber unverändert.

      Karor trat aus seinem Zelt. Er blickte siegesgewiss zum Kampfkreis. Als seine Augen in dem runden Gesicht, das unter einem kahl rasierten Schädel lag, sich auf Fanir richteten, verzogen sich seine Mundwinkel herablassend nach unten. Er wandte sich zum Publikum, hob die Arme in Richtung Himmel – in seiner Linken der außergewöhnlich lange Zweihänder – und rief laut: „Ist es wirklich nötig, dieses Kind zu verprügeln? Was denkt Ihr?“. Von den Tribünen war vereinzelt, dafür aber umso lauter Gelächter zu hören. Auch Karor hatte Freunde und Anhänger im Publikum, die ihn unterstützten. Er näherte sich langsam und grinsend dem Kreis und übertrat die Linie. „Welchen Knochen soll ich Dir heute brechen?“, wandte er sich an Fanir, nahm dabei seinen Zweihänder in beide Hände und führte das Schwert in eine Angriffshaltung über die rechte Schulter. „Einen Moment – erst eine standesgemäße Begrüßung, bitte!“ rief einer der Kampfrichter. Karor baute sich daraufhin vor Fanir auf und stütze beide Arme auf den mächtigen Zweihänder, den er vor sich in den Sand bohrte. „Willkommen Karor – ich wünsche Dir einen guten Kampf ohne Verletzungen“, begrüßte ihn Fanir mit einer Verbeugung. „Selbstverständlich werde ich keine Verletzungen erleiden. Wie auch? Dafür fehlt Dir einfach die nötige Stärke, Kind. Jedoch solltest DU damit rechnen, verletzt zu werden. Ich werde keine Rücksicht auf Dein Alter nehmen – und nun lass uns endlich beginnen!“. Einer der Kampfrichter stellte sich – mit einem missbilligenden Stirnrunzeln seitlich neben Karor und Fanir und hob eine Hand in die Höhe. Bevor er die Hand als Zeichen für die Kampferöffnung senken konnte, trat Karor gegen Fanirs rechtes Knie.

      Der Kampf hatte begonnen. Fanir sah den Tritt kommen. Er hatte mit unfairem Kampfverhalten gerechnet. Jedoch überstieg diese Aktion seine Ahnungen deutlich und Wut – und Wärme – breitete sich in ihm aus. Unbewusst zog er seine Beine in fast unglaublicher Geschwindigkeit vor seine Brust, so dass der Tritt unter ihm nur Luft traf. Er sah den Tritt wie in langsam ablaufender Zeit unter sich hindurch gleiten. Als Karors Bein gestreckt war, streckte Fanir seine eigenen Beine schnell in Richtung Boden und trat so seinerseits gegen Karors Oberschenkel, nutze diesen als Sprungbrett, um sich rückwärts in der Luft zu drehen und so Abstand zwischen sich und Karor zu bringen. In diesem Moment wurde ihm bereits bewusst, dass er ohne Absicht auf seine magischen Kräfte zugegriffen hatte. Auch wenn es niemand im Publikum bemerkt hatte, war aus seiner Erfahrung eine solch schnelle Bewegung, wie er sie soeben vollführt hatte, eigentlich nicht möglich. Sofort blickte er zum Magae, der aber durch nichts erkennen ließ, dass er den Einsatz magischer Kräfte bemerkt hätte. Fanir war verwundert. Seine Magie war stark gewesen und der Magae hätte etwas merken müssen! In diesem Moment traf ihn der Zweihänder seitlich gegen die Brust. Er hatte sich zu sehr auf den Magae konzentriert. Der Schlag war außerordentlich hart und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Gleichzeitig breitet sich ein starker Schmerz in seiner Brust aus, der seinen Ursprung in den oberen linken Rippen hatte – mindestens eine war gebrochen. Auf Karors Gesicht breitete sich ein brutales Grinsen aus. Er setzte sofort einen zweiten Schlag an, wobei er den Schwung des ersten nutzte, um sein Schwert zu beschleunigen. Fanir ließ sich fallen, rollte über die Schulter an Karor vorbei und kam hinter ihm schnell wieder auf die Beine. Seine Rippen schmerzten stark und er war bereits leicht benommen. Karor drehte sich auf der Stelle und schlug Fanir seinen gerüsteten Ellbogen gegen den Kopf. Fanir wurde es schwarz vor Augen und er fiel auf den Boden der Arena. Karor stellte sich breitbeinig vor Fanir auf, nahm in aller Ruhe seinen Zweihänder über den Kopf und schlug mit aller Kraft zu.

      Der Kampfrichter konnte gerade rechtzeitig den Schlag ablenken, so dass er knapp neben Fanirs Kopf in den Staub der Arena ging. Die beiden anderen Kampfrichter drängten Karor zu Seite, um den Kampf im Rahmen der Regeln ablaufen zu lassen. „Du weißt, dass gefallene Kämpfer nicht angegriffen werden dürfen!“, ermahnte einer der beiden Karor. Gleichzeitig gab er das Zeichen für die erste Punktwertung zu Gunsten von Karor.

      Fanir fühlte sich schwach und chancenlos, als er sich langsam und beschwerlich wieder aufrichtete. „Reiß Dich zusammen! – Du darfst nicht verlieren!“, sprach er langsam zu sich selbst. Plötzlich spürte er, wie die magische Kraft in seinen Brustkorb strömte und ihm die Schmerzen nahm. Gleichzeitig fühlte er sich kräftiger und sein Blick wurde klarer. Die Kampfrichter gaben das Gefecht wieder frei.

      Mit einem wilden Schrei und über dem Kopf erhobenen Zweihänder rannte Karor auf Fanir zu. Der Schlag kam hart von oben nach unten und zielte auf Fanirs Kopf. Fanir versucht erst gar nicht, den mit brutaler Gewalt geschlagenen Zweihänder abzuwehren, sondern wich mit einer schnellen Bewegung nach rechts aus, so dass der strahlende Sol in seinem Rücken stand. Staubschwaden stiegen aus dem Sand der Arena auf. Durch den Schwung des ins Leere treffenden Schlages katapultierte sich Karor ungewollt nach vorne. Sofort rannte Fanir die wenigen Schritte hinter ihm her und sprang aus voller Beschleunigung, sich um die eigene Achse drehend und dann seine beiden Beine gestreckt nach vorne gerichtet, gegen Karors Rücken. Da sich Karor ebenfalls bewegte, war der Tritt nicht schmerzhaft. Er reichte jedoch vollkommen aus, um Karo über die Begrenzung des Kampfkreises zu drücken. Sofort brandete tosender Applaus und Geschrei in der Arena auf. Die Zuschauer jubelten Fanir zu, der nicht mit Gewalt, sondern einem geschickten Manöver seinen ersten Punkt ergattert hatte.

      Karor erhob sich aus dem Dreck und starrte Fanir an – sein Blick starrte vor Wut und Kälte, als er in den Kreis zurückkehrte. Fanir war sich bewusst, dass er Karor ein zweites Mal nicht so einfach hereinlegen würde. Er ging in Verteidigungsstellung und wartete auf Karor. Dieser näherte sich dieses Mal deutlich langsamer und überlegter. Den Zweihänder hielt er schräg vor seinem Körper. Sein Schlag kam plötzlich, jedoch nicht so wuchtvoll wie beim ersten Angriff. Fanir parierte mit dem Klemmdolch. Sofort konterte er mit einem geschickten Kreisschlag. Karor riss den Zweihänder aus dem Klemmdolch und wehrte Fanirs Seitenhieb ab. Schlag folgte auf Schlag und keiner der beiden konnte einen entscheidenden Vorteil erringen. Jedoch trieben die wuchtigen Schläge des Zweihänders Fanir immer weiter auf den Rand des Kreises zu. Würde dies so weitergehen, würde Fanir in wenigen Augenblicken der Kreis verlassen und den Punkt verlieren. Er überlegte fieberhaft, was zu tun sei. Kurzentschlossen rannte er plötzlich, sein Schwert in Abwehrhaltung, aber schlagbereit, auf Karor zu. Dieser sprang einen Schritt zurück, um nicht den Vorteil seines längeren Schwertes aufzugeben, verlor dadurch aber seinen sicheren Stand. Im letzten Moment, bevor Fanir seinen Schlag führen konnte, nutzte Karor – wie schon so oft zuvor in seinen Kämpfen – den Sand der Arena als Verbündeten und schleuderte ihn mit seinem Fuß in Fanirs Augen. „Ich kann nichts mehr sehen“, schrie Fanir verzweifelt. Er hätte mit einer solch gemeinen Attacke rechnen müssen! Um aus der Reichweite von Karors Schwert zu kommen, machte er, ohne etwas zu sehen, einen weiten Satz und rollte sich über die Schulter ab. Sofort stand er wieder auf den Beinen, konnte aber immer noch nichts sehen. Unendliche Wut breitete sich in ihm aus. Zum einen über sich selbst, weil er hätte wissen müssen, wie Karor kämpfte, zum anderen weil er unfaires Kämpfen hasste. Mit der Wut kam die Wärme, die er dieses Mal nicht unterdrückte. Sie stieg in seinen Kopf und er konnte plötzlich seine Umgebung in bunten, wallenden Nebelschwaden wahrnehmen. Dies hatte er schon einige Male in dunkler Nacht ausprobiert; jedoch hatte er seine Umgebung noch nie so detailliert wahrnehmen können wie heute in der Arena. Karor nahm er – ohne sehen zu können, da seine Augen schmerzten und tränten – als schwarzen, sich überaus langsam bewegenden Schatten inmitten der bunten Nebel war. Wie in einem langsamen Tanz führte der schwarze Schatten das lange Schwert mit beiden Händen über seine linke Schulter, um einen kraftvollen Schlag vorzubereiten. Nach kurzem Zögern bewegte sich Karors Schwert von über der Schulter nach schräg unten gegen Fanirs Hüfte, um ihm keine Möglichkeit zu geben, unter dem Schlag hinweg zu tauchen. Dies war jedoch für Fanir auch nicht nötig. Er schloss die Augen ganz und wartete bis zum letzten Moment. Kurz bevor der Zweihänder ihn erreichen konnte, sprang Fanir wie von einer Feder in die Luft geschleudert, sich schnell um die eigene Achse drehend, in die Luft. In der Drehung traf er Karor mit voller Wucht mit seinem Schwert gegen dessen Kopf, seitlich am Helm und kurz über dem Ohr. Der Helm hatte eine tiefe Delle und Karor brach auf der Stelle zusammen und rührte sich nicht mehr. Diesmal gab es keinen Jubel. Das Publikum war stumm vor Entsetzen, da Fanir seinen Treffer mit unglaublicher Wucht und Geschwindigkeit vollzogen