Christian Brondke

Der Gipfel


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sich außerhalb ihrer Hülle befand, würde ihr Blut innerhalb kürzester Zeit anfangen zu kochen.

       Doch wenn sie aus dem Fenster blickten, wurden sie jedes Mal für diese Gefahr entschädigt. Der Ausblick, den sie genießen konnten, wenn sie nach draußen sahen, war beispiellos und unbezahlbar. Und das Beste war, dass die Sonne hier bis zu sechzehn Mal am Tag auf- und wieder unterging. Das Leben an Bord der internationalen Raumstation war atemberaubend. Nur wenige Menschen konnten diesen Blick bisher genießen und so wie es den Anschein hatte, würde es noch eine sehr lange Zeit dauern, bis wieder jemand hier oben sein würde.

       Die drei Astronauten wurden von einem Großteil der Bevölkerung, die sich zu diesem Zeitpunkt mehrere hundert Meilen unter ihnen befand, bewundert. Doch nichts desto trotz war das Leben an Bord der Station alles andere als ein Vergnügen. Die Arbeit in der Schwerelosigkeit war mühsam und dauerte seine Zeit. Doch sie wurden immer wieder von Neuem für ihre Anstrengungen entschädigt, wenn sie sich die Erde aus dieser Entfernung ansahen. Die Erde war so groß und sah gleichzeitig so zerbrechlich aus.

       Sie wussten aber auch, dass dieser Tag der letzte war, an dem Sie diese Aussicht genießen konnten. In ein paar Stunden sollten sie die Station verlassen und zur Erde zurückkehren. Doch bis dahin gab es noch ein Menge an Arbeit, die erledigt werden musste. Und wenn diese Arbeiten erledigt waren, würden sie die Station verlassen und niemand würde hier in nächster Zeit die Nachfolge antreten.

       »Ich werde das hier vermissen.«, sagte Peter Beneke, als er aus dem Fenster blickte.

       »Das geht uns allen so.«, antwortete ihm Phil Morgan, der das Kommando auf der Station hatte.

       »Vergesst nicht, dass wir in Russland das Programm nicht einstellen. Vielleicht schaffen es ja auch die Chinesen irgendwann, euch zu überreden, dass ihr eine gemeinsame Mission startet. Dann könntest du vielleicht schon bald wieder hier sein.«, sagte Anton Makarov.

       »Ich glaube nicht, dass es dazu jemals kommen wird, Anton.«, sagte Phil.

       »Warum heißt diese Station dann international, wenn immer nur die selben Nationen hier oben sind?« »Ich bin kein Politiker. Ich habe davon keine Ahnung. Diese Entscheidungen werden da unten getroffen, Anton.« Keiner dieser drei Männer hätte beim Aufstehen an diesem Tag daran geglaubt, dass die nächsten Stunden die längsten werden könnten, die sie je erlebt hatten. Und niemand auf der Erde hätte es zu diesem Zeitpunkt für möglich gehalten, dass diese drei Astronauten das Schicksal der gesamten Menschheit in ihren Händen halten würden. Doch der Preis, der dafür einfordert werden sollte, würde für niemanden leicht aufzubringen sein.

      2. Kapitel

       15 Stunden und 30 Minuten bis zur Ewigkeit

       Ort: im Garten des Weißen Hauses, Washington D.C. Zeit: 09:00 Uhr EST

       Von der Pennsylvania Avenue waren es knapp sechzig Meilen bis zum Konferenzort. John Todd musste diese Strecke schnell hinter sich bringen, denn er wurde bereits erwartet. Der Helikopter stand bereits im Garten bereit und er brauchte nur noch einzusteigen.

       Er flog nicht gerne, denn irgendwie vertraute er diesen motorisierten Vögeln nicht über den Weg. Statistisch gesehen ist fliegen zwar immer noch weitaus ungefährlicher als Autofahren, doch das war ihm egal. Was sagten Statistiken schon über die Realität aus?

       Aber John hatte keine Wahl. Er befand sich in einer Position, in der es zum täglichen Geschäft gehörte, dass man reisen musste und das ging nun einmal am schnellsten mit einem Flugzeug oder einem Helikopter. Auch wenn er diese Position, die er gerade einmal dreizehn Tage inne hatte, sich heimlich schon immer gewünscht hatte, so war die Art und Weise wie er sie bekommen hatte, nicht gerade der normale Werdegang. Er wurde nicht gewählt, er wurde in diesen Job hineingeschoben und das behagte ihm nicht.

       Als er aus dem Gebäude in den Garten ging sah er einen Mann, der immer an der selben Stelle stand, wenn der Helikopter bereit war, abzuheben. Als der Marine, der wie immer in Galauniform bereit stand, den Fluggast sah, stand er stramm. Er salutierte nicht, den John Todd war nur vorübergehend in dem Amt und war auch nicht vereidigt. Er war ein Stellvertreter und machte diesen Job nur solange, bis der Präsident wieder einsatzfähig war. Allerdings wusste an diesem Tag niemand, wann das wieder der Fall sein würde. Was passiert war, war in der Geschichte dieses Landes noch nie passiert und einige der Personen, die für die Sicherheit des Präsidenten verantwortlich waren, hatten dafür bereits die Konsequenzen gezogen. Sowohl freiwillig, als auch unfreiwillig.

       Und heute musste John Todd eines der wichtigsten Treffen des Jahres leiten. Ein Treffen, das anders verlaufen sollte, als es ursprünglich geplant war.

       Sobald der Helikopter abhob, setzen sich zwei weitere Hubschrauber in Bewegung, die den ersten Helikopter, der die Bezeichnung Marine One trug, begleiteten. Diese Prozedur war Standard. Alle drei Maschinen waren baugleich und niemand konnte auf den ersten Blick einen Unterschied erkennen. Damit sollte verhindert werden, dass zu erkennen war, in welchem der Helikopter der Präsident saß. Es war eine Sicherheitsmaßnahme, die es Attentätern unmöglich machen sollte, die Maschine des Präsidenten abzuschießen. John Todd fragte den Piloten, wie lange der Flug dauern würde und bekam als Antwort, dass es nur etwa zwanzig Minuten sein würden. Das beruhigte ihn nicht besonders, doch er war zuversichtlich, dass er auch diesen Flug überstehen würde. Washington sah von oben noch schöner aus, als vom Boden. John schaute zwar aus dem Fenster, doch er genoss den Flug aufgrund seiner Angst nicht. Er schaute nur hinaus, um darüber nachzudenken, wie lange es dauern würde, bis er bei einem Absturz auf der Erde aufprallen und sterben würde. »Zwanzig Minuten, John. Das ist zu schaffen.«, dachte er sich und versuchte sich zu beruhigen.

      3. Kapitel

       15 Stunden und 15 Minuten bis zur Ewigkeit

       Ort: Mehrere hundert Kilometer über der Erdoberfläche Zeit: 09:15 Uhr EST

       Das Schiff mit dem Namen Nexus näherte sich langsam aber sicher der Raumstation. Als es in Sichtweite kam, hatten die drei Astronauten ihre Positionen im Kontrollmodul bereits eingenommen, um die Steuerung der Nexus zu übernehmen. »Houston, ich übernehme jetzt die Kontrolle des Versorgungsschiffes. Halten Sie sich bereit, die Automatik abzuschalten.«, sagte Kommandant Phil Morgan. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Verstanden, ISS. Ist das Schiff auf planmäßigem Kurs?« »Roger, Houston. Sieht alles sehr gut aus.«, antwortete Phil. »Sehr gut, ISS. Die Automatik wird in zehn Sekunden abgeschaltet.« Die Stimme, die aus dem Lautsprecher über dem Kopf von Phil Morgan kam, zählte die Sekunden runter und als sie bei Null angekommen war, schaltete er die Steuerung ein und übernahm die Kontrolle über das Versorgungsschiff. »Houston, habe Kontrolle übernommen. Läuft alles planmäßig.« »Okay, Phil. Aber denken Sie dran. Schön langsam. Das ist kein Spielzeugauto, sondern ein Raumschiff.« »Wir müssen es ja nicht bezahlen, wenn es eine Delle abbekommt, oder?«, scherzte Peter Beneke in Richtung seines Kommandanten. »Ich würde dafür nicht meine Hand ins Feuer legen, Peter. Aber es muss ja nicht sein.« »Dann fahr das Ding aber nicht so, wie deinen Mercedes. Dann überlebt das Schiff die Reise vielleicht.« Phil blickte Peter mit einem Grinsen an, antwortete jedoch nicht. Er wusste, wie er mit seinem Auto umging und wenn er das Raumschiff, das mehrere Millionen Dollar gekostet hatte, auch so behandeln würde, dann müsste er sich wahrscheinlich bald einen neuen Job suchen. »Verstanden Houston. Ihr kennt mich doch.«, reagierte Phil auf die Anweisung mit dem selben kindischen Grinsen im Gesicht. Die Antwort auf seine Bemerkung blieb aus. Phil war nun hochkonzentriert und ließ das Schiff nicht mehr aus den Augen. »Anton? Sind die Instrumentendaten okay?«, wollte er von dem russischen Mitglied der Besatzung wissen. »Ja, alles so wie es sein soll, Kommandant.«, antwortete Anton in perfektem Englisch, aber mit einem eindeutig russischen Akzent. Er blickte erneut auf seine Instrumentenanzeigen, um sich noch einmal davon zu überzeugen, dass alles nach Plan lief. Phil hielt die Bodencrew über jeden seiner Schritte auf dem Laufenden und ließ das Schiff nun einen Vorwärtslooping machen. Es waren noch etwa zweihundert Meter, bis das Schiff an die Raumstation andocken sollte. »Houston, die Nexus steht jetzt auf dem Kopf. Es sind noch etwas über einhundert Meter, die sie zurücklegen muss. Wir leiten