Christian Brondke

Der Gipfel


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eine Crew zu absolvieren hatte. Und auch bis heute hatte sich nichts daran geändert. Es reichte schon eine kleine Unachtsamkeit und das Raumschiff kam nicht nur vom Kurs ab, sondern es bestand die Gefahr, dass das Schiff in den Tiefen des Weltalls verschwand. Die Treibstoffkapazitäten waren so berechnet, dass nur wenige Kurskorrekturen durchgeführt werden konnten. Phil forderte den dritten Astronauten, Peter Beneke, auf, die letzten Vorbereitungen abzuschließen. Der Deutsche hatte bereits alles, was für das Rendezvous nötig war, vorbereitet, so dass Phil nun die letzten Schritte seiner Arbeit einleiten konnte. »Na gut. Spannung bis zur letzten Sekunde. Wie immer.«, sagte er. »Schön vorsichtig, ISS. Ihr macht das nicht zum ersten Mal, es soll aber auch nicht das letzte Mal sein.«, kam es aus dem Lautsprecher. Als die Nexus an die Außenhülle der Raumstation andockte, gab es das typische Geräusch, dass den Männern sagte, dass das Andockmanöver beendet war und ohne Zwischenfälle abgeschlossen werden konnte. »Capture.«, sagte Peter und signalisierte seinem Kommandanten damit, dass er die Handsteuerung abschalten und das Versorgungsschiff in den Ruhemodus versetzen konnte. Phil informierte die Bodencrew darüber, dass der Vorgang abgeschlossen war. Die Bodenstation gratulierte den drei Astronauten zum erfolgreichen Manöver und informierte sie darüber, dass sie nun eine Stunde Zeit hatten, die Versorgungsgüter aus dem Schiff zu holen und in der Raumstation an den dafür vorgesehenen Plätzen zu verstauen. »Verstanden Houston. Wir machen uns jetzt an die Arbeit. Melden uns wieder, wenn wir fertig sind.« Mit diesem Satz beendete Phil das Gespräch und die drei Astronauten machten sich auf den Weg zur Nexus.

      4. Kapitel

       15 Stunden und 15 Minuten bis zur Ewigkeit

       Ort: National Aeronautics and Space Administration (NASA), Washington, D.C. Zeit: 09:15 Uhr EST – zur selben Zeit

       Zur selben Zeit befand sich Dr. Aaron Hundley in seinem Büro im Hauptgebäude der National Aeronautics and Space Administration, die weltweit nur unter dem Namen NASA bekannt war. Genau wie das gesamte Personal der Behörde, wartete er darauf, dass die drei Astronauten in der ISS ihre Arbeiten beendeten, damit er mit seiner anfangen konnte. Er hatte sich schon seit Monaten auf diesen Tag vorbereitet, denn dieser Tag würde das gesamte Weltraumprogramm revolutionieren. Wenn heute alles so laufen würde, wie es die jahrelange Planung vorgesehen hatte, dann würde das für die Behörde eine Einsparung an Kosten in Millionenhöhe bedeuten. In der letzten Nacht hatte er so gut wie nicht geschlafen, und das spiegelte sich nun in seinem Gesicht wieder. Eigentlich hätte er es an diesem Tag ruhig angehen können, denn seine Arbeit war getan. Das Programm lief während der letzten Wochen in allen Testdurchläufen hervorragend an und es schien, als hätte er alles bedacht. Aber dennoch war er nervös und ging im Gedanken wieder und wieder jeden möglichen Fehler durch. Die Was-wäre-wenn-Szenarios, die er mit seinen Kollegen in den letzten Wochen durchgegangen war, hatten ihn nicht nur den Schlaf, sondern auch sehr häufig den letzten Nerv geraubt. Doch nun war alles abgeschlossen und er wusste, dass er jetzt nicht mehr in die Prozeduren eingreifen konnte. Wenn das Programm noch irgendwo Fehler aufwies, dann mussten Updates geschrieben werden, die, wenn sie fertig waren, zwar schnell eingespielt werden konnten, aber dennoch die Arbeitsleistung an Bord der ISS beeinträchtigen konnten. Aaron Hundley sollte sich zu diesem Zeitpunkt zwar in Houston befinden, wo die Mission direkt überwacht wurde, doch er hatte sich dafür entschieden, das Projekt, dass er zum größten Teil selbst entwickelt hatte, von seinem Büro in Washington aus zu verfolgen. Er konnte in Houston in diesem Moment sowieso nicht eingreifen. Alles, was zu tun war, konnte er von dem zehn Quadratmeter großen Büro aus genauso gut erledigen, als wenn er sich im Mission Control Center befinden würde. Genau dies war der Sinn und Zweck der Arbeit, die er schon so lange betrieben hatte. Als Aaron sich durch einen großen Stapel von Akten wühlte und noch einmal die letzten Handbücher zur Inbetriebnahme des neuen Systems durchging, die er alle selbst geschrieben hatte, wäre er beinahe eingeschlafen. Doch kurz bevor sein Kopf auf den Tisch fiel wurde er durch das laute Klingeln seines Telefons wieder aus dem Land der Träume gerissen. Er nahm nicht den Hörer ab, sondern betätigte die Freisprechtaste. »Hundley.« »Hey Aaron. Die Jungs fangen gerade mit dem Auspacken an. In etwa zwei Stunden dürfte deine große Stunde schlagen. Kommst du?«, fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung, die eindeutig männlich war. »Bin unterwegs.« »Alles klar. Bis gleich.« Aaron's Gesprächspartner wollte gerade auflegen, als er noch um einen Gefallen gebeten wurde. »Mike?« »Ja?« »Kaffee, bitte.« Mike lachte und versprach ihm, dass er sich sofort darum kümmern würde. Er wusste, dass Aaron ein paar schlaflose Nächte hinter sich hatte und sehr lange auf diesen Augenblick gewartet hatte. Dann betätigte Aaron erneut die Freisprechtaste und beendete damit das Gespräch. Aaron blickte auf seinem Schreibtisch auf einen Bilderrahmen, in dem sich nicht wie es normalerweise üblich war ein Foto von einer Freundin oder Frau befand. Er hatte keine Familie und seine letzte Freundin hatte er auf dem College gehabt. Aaron blickte auf den Ausdruck einer Kohlezeichnung, die er im Internet gefunden hatte. Er zeigte die Hauptfiguren aus seinen Lieblingsbüchern, die er schon seit Jahren fast jeden Abend vor dem Schlafengehen las. Es handelte sich um Sherlock Holmes und Dr. Watson. Darunter waren seine beiden Lieblingszitate aus den Geschichten des Meisterdetektivs aufgedruckt:

       »Wenn man das Unmögliche ausschließt, dann muss das, was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es auch klingen mag, die Wahrheit sein.«

       »Wenn ich Sie mit Gewissheit vernichten könnte, dann würde ich mit Freuden dem Tod entgegentreten.«

       Bei dem ersten Zitat handelte es sich um den Leitspruch von Sherlock Holmes, welcher ihn daran erinnerte, dass man immer zum richtigen Ergebnis kommt, selbst wenn man auf viele Hindernisse stößt. Und das man diese Hindernisse einfach aus dem Weg räumen muss, auch wenn es manchmal schwer fällt.

       Das zweite Zitat sagte Sherlock Holmes zu seinem größten Rivalen, Professor Moriarty, als dieser ihn in seiner Wohnung aufsuchte, und ihn aufforderte, ihn in Ruhe zu lassen. Dieser Spruch versinnbildlichte für Aaron, dass man manchmal Dinge tun muss, die man unter normalen Umständen nicht tun würde, auch wenn diese Entscheidungen für einen selbst einen Nachteil bedeuteten.

       Aaron Hundley konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass ihn einer dieser beiden Sprüche noch am selben Tag eine Entscheidung abringen würde, die für ihn den sicheren Tod bedeuten konnte.

       Nachdem er das Bild einen Augenblick lang betrachtet hatte, stand Aaron von seinem Stuhl auf, zog sich sein Jackett an und nahm sein Smartphone vom Schreibtisch. Er prüfte noch einmal, ob er irgendwelche Nachrichten bekommen, oder Anrufe verpasst hatte und steckte es dann in seine Hosentasche. Dann verließ er sein Büro und begab sich in den Konferenzraum, wo er bereits erwartet wurde.

      5. Kapitel

       15 Stunden und 15 Minuten bis zur Ewigkeit

       Ort: in einem Hotelzimmer im Großraum Washington, D.C. Zeit: 09:15 Uhr EST – zur selben Zeit

       Der Terrorist saß in seinem Zimmer in einem schäbigen Hotel. Auch für ihn sollte es ein großer Tag werden. Auf ihn hatte er sich fast zwei Jahre lang vorbereitet. Er hatte einen Auftrag, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hatte. Nervosität war ein Fremdwort für ihn. Er hatte in den vierzig Jahren seines Lebens Sachen gesehen, die ihn derart abhärteten, dass ihm nichts mehr Angst machen konnte. Dieser Job war nichts anderes. Selbst das, was er vor wenigen Tagen für seinen Auftraggeber erledigt hatte, war für ihn nichts Besonderes. Als er den Namen seines Opfers erfuhr, fragte er den Auftraggeber nur nach dem Wo und Wann. Danach betrachtete er die Sache als erledigt. Dieser Mord hätte ihn weltweit berühmt gemacht, wenn die Ermittlungsbehörden herausgefunden hätten, dass er für den Anschlag verantwortlich gewesen ist. Doch das, was er heute tun würde, würde diesen Mord bei Weitem übertreffen und er würde in die Geschichte eingehen. Der Laptop, der sich vor ihm auf dem Tisch befand und dem er seine volle Aufmerksamkeit schenkte, lief schon seit Wochen durch und wurde nur abgeschaltet, wenn er seinen Standort ändern musste. Er wusste, dass er heute nicht alleine arbeiten würde, sondern Unterstützung bekam. Allerdings wusste er nicht, von wem diese Unterstützung kam. Die Frau schlief im selben Zimmer, wie er, doch er wusste nichts von ihr. Nicht einmal ihren Namen. Der Auftraggeber legte größten