Christian Brondke

Der Gipfel


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und nach Fehlern in der Programmierung gesucht.«

      »Haben Sie welche gefunden?«

      »Nein Sir.«

       Charles Kepler lächelte ihn an und versuchte, ihn zu beruhigen.

      »Dann ist doch alles in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen. Es geht hier nur um ein paar Milliarden Dollar im Jahr. Es ist ja nicht so, dass Ihr Leben vom Erfolg dieser Mission abhängen würde.«

       Mike Brown lachte laut auf.

      »Aaron. Bleib locker. Die Tests sind alle reibungslos über die Bühne gelaufen, also warum sollte jetzt hier etwas schiefgehen? Das klappt schon. Wir haben schließlich alles bedacht.«

      »Das mag sein.«, erwiderte Aaron. »Aber Realbedingungen sind immer etwas anderes, als Tests. Das weißt du genauso gut, wie ich. Außerdem kann man nie alles bedenken. Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es meistens auch schief. Das besagt Murphy's Gesetz.«

      »Wer ist dieser Murphy eigentlich? Das Gesetz ist ja bekannt, aber der Mann?«, fragte Mike Brown.

      »Murphy war Captain bei der Air Force. Er nahm 1949 an einem Raketenschlitten-Testprogramm teil. Dabei wurden ihm mehrere Sensoren am Körper befestigt, die messen sollten, wie viel Beschleunigung der menschliche Körper aushält. Dabei wurden sämtliche Sensoren falsch angebracht und das Experiment, das übrigens sehr kostspielig war, wurde zu einem kompletten Fehlschlag. Captain Murphy sagte damals, dass, wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, es jemand genau so machen wird.«

      »Leuchtet ein.«, antwortete Mike mit einem Lächeln.

      »Sie erwarten also einen Fehlschlag, Aaron? Das sind keine guten Voraussetzungen.«, erwiderte Charles Kepler.

      »Ich erwarte überhaupt nichts Sir. Das ist eine meiner Grundprinzipien. Erwarte nichts, dann kannst du auch nicht enttäuscht werden. Wie weit sind die Jungs da oben?«

      »Die Nexus hat gerade ohne Probleme angedockt. Der erste kleinere Test ist also bereits abgeschlossen. Das System hat einwandfrei funktioniert. Wir konnten alles von hier aus steuern und Phil Morgan konnte die Kontrolle übernehmen.«, antwortet Charles Kepler.

      »Gut. Dann wollen wir mal hoffen, dass wir die Kontrolle über die Station genauso reibungslos übernehmen können.«

       Aaron dachte darüber nach, wie viel Arbeit in diesem Programm steckte und wer alles Anteil daran hatte. Er hatte das Programm zwar geschrieben und trug damit die Verantwortung für das Gelingen der Mission, doch wie auch in jeder anderen Firma, gab es immer eine Menge von Menschen, die ihren Teil zum Gelingen beitrugen und einer davon war Jeffrey Newman.

       Aaron dachte in den letzten Tagen sehr viel an ihn. Er erinnerte sich daran, wie sie sich kennengelernt hatten. Sie studierten zusammen an der selben Universität und machten ihren Abschluss gleichzeitig. Aaron hatte Physik und Informatik studiert und Jeffrey konzentrierte sich mehr auf technische Belange. Er war ein Konstrukteur und konnte von einer Fernbedienung bis zu einem komplexen Computersystem alles bauen und reparieren.

       Nach ihrem Studium bewarb sich Aaron sofort bei der NASA und wurde umgehend eingestellt. Jeffrey dagegen, wollte sich zunächst auf die Privatwirtschaft konzentrieren. Die beiden verloren sich niemals aus den Augen und irgendwann überredete Aaron ihn, sich auf eine freie Stelle in der Technikabteilung der NASA zu bewerben. Jeffrey war zunächst nicht begeistert von der Idee, doch die Überredungskunst von Aaron reichte aus, um ihn zu überzeugen.

       Aaron half etwas nach und schließlich bekam Jeffrey den Job. Sie arbeiten in den letzten zwei Jahren fast täglich zusammen, um das System, mit dem die internationale Raumstation komplett von Washington und Houston aus betrieben werden sollte, zum Laufen zu bringen.

       Das Ziel dieser Mission war es, dass die bemannten Missionen zur ISS von Seiten der USA wegfallen sollten. Der Etat wurde aufgrund der weltweit vorherrschenden Wirtschaftskrise ständig gekürzt und es war nur eine Frage der Zeit, bis die bemannte Raumfahrt für die nächsten Jahre auf Eis gelegt werden würde.

       Das Problem war allerdings, dass die ISS ständiger Wartung bedarf und ständig Menschen dort oben sein mussten, um die Forschungsstation am Laufen zu halten. Mit dem neuen System sollten die Gelder, die benötigt wurden, um die Astronauten in die Umlaufbahn und wieder zurück zu bringen, eingespart werden und die gesamte Station musste irgendwie von der Erde aus in Schuss gehalten werden.

       Aber letztendlich hatten sie es geschafft. Das System war fertig und sollte an diesem Tag auf der Raumstation installiert werden.

       Doch Jeffrey konnte an diesem Tag nicht beim Start dabei sein. Aaron dachte daran, wie er vom Selbstmord seines Freundes erfahren hatte. Er war in seiner Wohnung und wollte sich gerade für das Bett fertig machen. Er war Single und seine letzte Beziehung lag schon einige Jahre zurück. Er hatte Angst davor, sich erneut zu binden, denn die Frau, mit der er einst zusammen war, hatte ihn verlassen, weil ihr ihre berufliche Karriere wichtiger war.

       Er wollte sich gerade ins Bett legen, als das Telefon klingelte. Als er die Nummer sah und erkannte, dass der Anruf von der NASA kam, zögerte er keinen Moment, um ran zu gehen. Er wusste, dass Jeffrey an diesem Abend noch arbeitete und Aaron ging davon aus, dass sein Freund ein Problem hatte, das schnell gelöst werden musste. Das kam in den letzten Tagen öfters vor. Die letzten Feinheiten des Programms erforderten es, dass hier und da ein paar Veränderungen vorgenommen werden mussten.

       Doch als Aaron den Anruf annahm, sprach er nicht mit Jeffrey, sondern mit seinem Vorgesetzten Charles Kepler.

      »Es ist etwas passiert. Können Sie bitte sofort kommen?«, sagte Charles mit einer bedrückten Stimme.

      »Was ist los, Charles? Warum sind Sie um diese Zeit noch im Gebäude?«, wollte Aaron wissen.

       Charles Kepler suchte nach den richtigen Worten und sagte schließlich:

      »Jeffrey Newman ist tot. Es sieht so aus, als wenn er Selbstmord begangen hat. Bitte kommen Sie sofort hier her!«

      Aaron schwieg. Er wusste nicht, was er auf diese schockierende Nachricht antworten sollte. Er glaubte nicht, was er soeben gehört hatte, doch er konnte sich auch keinen Reim darauf machen, warum ihn Charles Kepler persönlich um diese Uhrzeit sonst hätte anrufen sollen.

      »Aaron? Sind Sie noch da?«, fragte Charles.

      »Können... Können Sie das bitte noch einmal wiederholen?«, fragte Aaron, der immer noch hoffte, dass er sich gerade verhört hatte.

      »Ich glaube nicht, dass ich mich noch einmal wiederholen muss. Es ist besser wenn Sie auf der Stelle herkommen. Mir ist bewusst, wie spät es ist, aber die Umstände erfordern ihre Anwesenheit.«

       Dann hatte Charles auflegt. Aaron schaute auf sein Telefon und dann sah er gedankenverloren aus dem Fenster. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich gefangen hatte und dann dachte er nicht weiter nach. Er zog sich wieder an und machte sich sofort auf den Weg zur NASA.

       Bevor er seine Wohnung verlassen hatte, schaute er noch einmal in den Spiegel. Seine kurzen rotblonden Haare saßen nicht richtig, aber das war jetzt egal. Er musste auf dem schnellsten Weg in die Firma und knallte die Tür hinter sich zu. Als er aus dem Treppenflur seines Mietshauses trat, zündete er sich eine Zigarette an. Sein Auto stand in einer Nebenstraße und unter normalen Umständen hätte er in dem Wagen nicht geraucht. Doch das war ihm jetzt egal. Er setzte sich mit der brennenden Zigarette in den Wagen und fuhr los.

       Die Reifen quietschten, als er aus der Nebenstraße fuhr und Aaron dachte darüber nach, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit gerade die gesamte Nachbarschaft geweckt hatte.

       Die Straßen waren für die Uhrzeit noch relativ stark belebt und er brauchte trotz seiner Eile etwas länger als gewöhnlich, bis er vor dem NASA-Gebäude stand.

       Als er aus seinem Wagen ausstieg, wurde er von niemandem erwartet. Er ging hinein und fuhr hoch in seine Etage. Als er aus dem Aufzug stieg stand Charles Kepler bereits davor und erwartete ihn.

      »Wo ist er?«, wollte Aaron wissen.

       Charles zeigte mit dem Finger auf