Christian Brondke

Der Gipfel


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Straßen weiter von hier. Es ist nicht weit.«

      Aaron bat Jeffrey mit ihm in den Abschleppwagen der Firma zu steigen, und dann fuhren Sie beide zu dem liegen gebliebenen Fahrzeug.

       Ein Blick unter die Motorhaube genügte und Aaron erkannte das Problem. Er erklärte Jeffrey bis auf das kleinste Detail genau, was das Problem war und reparierte den Wagen noch vor Ort.

       Während der Reparatur kamen die beiden ins Gespräch und Jeffrey bewunderte das technische Wissen, das Aaron besaß. Als der Wagen wieder lief, bezahlte Jeffrey nicht nur die angefallenen Kosten, sonder lud Aaron auch noch auf ein Bier ein.

       Als die beiden sich in einer Bar unterhielten, merkten sie schnell, dass sie sich gut verstanden und sie trafen sich von diesem Tag an regelmäßig.

       Jeffrey Newman stammte zur Hälfte aus Deutschland und wurde dort geboren. Sein Vater stammte aus der Nähe von Berlin und lernte Jeffrey's Mutter, eine Amerikanerin dort kennen. Nachdem Jeffrey geboren war und sein Vater für sich und seine Familie dort keine Zukunft mehr sah, emigrierten sie nach Washington und sein Vater änderte ein paar Jahre später seinen Namen von Neumann in Newman. Nachdem Jeffrey erkannte, dass in Aaron ein großes Potential schlummerte, dass darauf wartete geweckt zu werden, überredete er ihn, sich an der Universität einzuschreiben. Aaron sträubte sich anfangs sehr, doch er wollte auch nicht, dass er sich weiter mit diesen Gelegenheitsjobs durchschlagen musste, die ihm sowieso keinen Spaß gemacht hatten. Er wollte aus seinem Leben mehr machen, als nur der Aushilfsbursche für Arbeiten zu sein, die sonst keiner machen wollte. Aber auf der anderen Seite hatte er das Geld nicht, um sich ein Studium finanzieren zu können. Er selbst hatte das Geld nicht und seine Eltern konnte und wollte er nicht fragen. Aaron's Eltern hatten sich getrennt, als er noch in die Highschool ging. Das war ein Grund dafür, dass ihn die Schule danach nicht mehr sonderlich interessierte. Er lebte von da an bei seiner Mutter und sah seinen Vater nur alle vierzehn Tage an den Wochenenden, welche meistens im Streit darüber endeten, was aus Aaron einmal werden sollte, wenn er sich in der Schule weiter so gehen lassen würde. Letztendlich blieb ihm nichts anderes übrig, als auch neben dem Studium weiterhin arbeiten zu gehen. Es war eine schwierige Zeit für ihn, in der er meistens übermüdet war, denn sein Tag hatte nie weniger als fünfzehn Stunden gehabt. Bei seinem Studium machte er sich zum ersten Mal in seinem Leben ernsthaft Gedanken darüber, was er mit seiner Zukunft anfangen sollte und überlegte genau, was er studieren wollte. Er entschied sich schließlich für Astrophysik und Informatik. Diese beiden Fachgebiete hatten ihm schon in der Highschool Spaß gemacht und es waren die einzigen Fächer, bei denen er je aufmerksam war. Er konnte sich während des Studiums nie richtig bei Jeffrey dafür bedanken, dass er ihn auf diesen Weg geführt hatte, doch nachdem er mit Auszeichnung abgeschlossen hatte und schließlich für die NASA arbeiten durfte, wusste er, was er zu tun hatte. Jeffrey musste hier anfangen und er war der Einzige, der dafür sorgen konnte, dass es auch klappen würde. Nachdem Jeffrey seinen Job bei der NASA antrat, beschlossen die beiden Freunde, sich eine Wohnung zu teilen. Das sparte nicht nur enorme Kosten, denn die Wohnungen in der Hauptstadt waren alles andere billig. Sie konnten auch sowohl in der Firma, als auch zu Hause gemeinsam arbeiten, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie der jeweils andere nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommen würde. Doch nun war Jeffrey tot. Und Aaron musste zusehen, wie er ohne seinen besten Freund zurecht kam. Es war nicht so, dass sie von einander abhängig gewesen wären. Aber wenn man soviel Zeit mit einander verbringt, wie sie es getan hatten, dann entwickelt man zwangsläufig eine Beziehung zueinander, die es einem schwer macht, auf den Anderen zu verzichten. Jeffrey war für Aaron wie ein Bruder und umgekehrt war es genauso. Davon war Aaron überzeugt. Doch nun war das vorbei. Jeffrey würde nicht wieder kommen und Aaron musste für den Rest seines Lebens darüber nachdenken, was seinen besten Freund dazu gebracht haben könnte, Selbstmord zu begehen. Und er hätte es niemals für möglich gehalten, dass er noch am selben Tag eine Antwort auf diese Frage erhalten würde.

      10. Kapitel

       14 Stunden und 50 Minuten bis zur Ewigkeit

       Ort: in einem Hotelzimmer im Großraum Washington, D.C. Zeit: 09:40 Uhr EST – zur selben Zeit

       Er saß noch immer vor seinem Laptop und wartete, ob irgendetwas passierte. Sobald die Software gestartet werden würde, würde er eine Nachricht erhalten und dann konnte er die Kontrolle übernehmen. Die Vorbereitungen für diesen Tag dauerten schon so lange, dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wann er eigentlich Teil dieses Netzwerkes wurde.

       Der Mann, der beabsichtigte, die Welt an diesem Tag ins Chaos zu stürzen, war früher ein rechtschaffender Mann. Er hatte eine Familie, einen annehmbar bezahlten Job bei der ARMY und dachte, er hätte alles in seinem Leben erreicht, was für ihn wichtig war.

       Doch den Tag, an dem sich sein Leben so radikal veränderte, würde er niemals vergessen. Und da war er nicht der einzige. Nicht nur jeder Amerikaner, sondern jeder Mensch, egal welcher Herkunft er war, wusste was am 11. September passiert war.

       An diesem Tag verlor er seine Familie, als sie sich in New York aufhielten, um dort ein paar freie Tage zu genießen. Seine Frau und sein Sohn starben nicht an diesem Tag, sondern litten noch drei Jahre an den Folgen der Staubwolken, die entstanden waren, als die Zwillingstürme des World Trade Centers eingestürzt waren. Als der Lungenkrebs bei beiden diagnostiziert wurde, beschloss Erika, dass sie nicht wollte, dass sowohl sie als auch ihr Sohn an einem qualvollen Tod zugrunde gehen sollten, der durch die schmerzhafte Behandlung der Chemotherapie noch verstärkt werden würde.

       Als er die beiden in der Wohnung gefunden hatte, war es bereits zu spät, um einen Notarzt zu rufen. Die Schlaftabletten in Verbindung mit dem Alkohol hatten die gewünschte Wirkung erzielt, nachdem Erika ihren fünfjährigen Sohn in der Badewanne ertränkt hatte.

       Er hatte seinen Job bei der ARMY daraufhin quittiert und verlor sich in Depressionen und Alkohol. Das Internet wurde zu seinem besten Freund und er begann, sich mit den allgemeinen Verschwörungstheorien zu befassen, die sich um den Terroranschlag drehten und von denen das Internet mehr als vollgestopft war.

       Und letztendlich kam er zu dem selben Schluss, wie alle anderen, die an diese Theorien glaubten. Nämlich, dass es sich nicht um Theorien handelte, sondern um die Wahrheit. Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte die Anschläge in Auftrag gegeben und das World Trade Center und das Pentagon angegriffen. Mit seiner Meinung hielt er sich nicht zurück, sondern ließ sich darüber in mehreren Diskussionsforen aus, was über kurz oder lang dazu führen musste, dass er Aufmerksamkeit erregte.

       Er konnte sich zwar nicht mehr genau an das Datum seiner Rekrutierung erinnern, jedoch wusste er noch genau, wie es damals abgelaufen war. Die Frau, die ihn angeworben hatte, schlief immer noch im selben Zimmer. Er hatte die Aufgabe, sie in einer halben Stunde zu wecken. Sie hatten nie etwas miteinander gehabt, auch wenn sie eine sehr attraktive Frau war und er sich manchmal vorgestellt hatte, wie er sie brutal auf dem Küchentisch nehmen würde. Doch die Erinnerung an seine Frau verhinderte, dass es jemals dazu kam.

       Und darüber hinaus flößte ihm die Autorität, die sie ausstrahlte, Respekt ein. Sie war bei dieser Mission seine Vorgesetzte. Das war ein Gefühl, an das er sich erst einmal gewöhnen musste. Er war schon immer Befehlsempfänger gewesen, doch eine weibliche Vorgesetzte hatte er bis dahin noch nie gehabt.

       Er war im Herzen noch immer Soldat und liebte diesen Beruf. Doch der Gedanke, für eine Regierung in den Krieg zu ziehen, die sein eigenes Volk belügt und ermordet, um damit einen Krieg zu rechtfertigen, ekelte ihn so sehr an, dass er diesen Beruf niemals mehr ausüben wollte und auch nicht konnte.

       Als sich der Tag des Todes seiner Familie wieder einmal jährte, beschloss er, sich in einer Bar volllaufen zu lassen. Er musste nachdenken, wie seine Zukunft aussehen würde und das ging am besten mit einer Menge Alkohol.

       In der Bar trat diese Frau dann an ihn heran und machte ihm ein Angebot, dass er eigentlich nicht ausschlagen konnte, aber er glaubte ihr kein Wort von dem, was sie sagte. Dann sagte die Frau ihm, für wen sie arbeitete.

      »Das kann jeder behaupten. Haben Sie Beweise?«, forderte er die Fremde auf.

      »Natürlich gibt es Beweise.«, antwortete die Frau mit kühler Stimme.

      »Dann