Annette Riemer

Das Problem mit Afrika


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      Annette Riemer

      Das Problem mit Afrika

      Erzählungen

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Das Problem mit Afrika

       Hanna muss weg

       Der Apfeldieb

       Großvaters letzte Nacht

       Der Zeitsparer

       W3-34

       Das war Liebermann

       An diesem einen Donnerstag

       Flüchtlingshelfer Schlademann

       Hannes und Moni wollen ein Kind

       Jennys Baby

       Kaufland-Romanze

       Die Pension Ringelnatz

       Impressum neobooks

      Das Problem mit Afrika

      Ihrem Gatten gegenüber hegte Aurora sehr zwiespältige Gefühle. Für gewöhnlich hasste sie ihn, weil er ihr seine Behinderung erst nach der Heirat eingestanden hatte und sie nun gezwungen war, als bildschöne Frau an der Seite eines keinesfalls ebenso makellosen Mannes zu leben. Manchmal jedoch liebte sie ihn aber auch, etwa wenn ihre Freundinnen, denen zu berichten von dem, worüber er sie Stillschweigen zu wahren gebeten hatte, sie nie satt wurde, sie aufopferungsvoll und beneidenswert selbstlos nannten. In solchen Momenten liebte Aurora ihren Gatten für seine Behinderung, die sie nur beschreiben konnte, weil es ihre sensiblen Nerven nicht zuließen, das Unerträgliche auch noch beim Namen zu nennen.

      Holger hatte zunächst keinen Anlass gesehen, Aurora auf seine Behinderung aufmerksam zu machen, da er sich selbst mit den Jahren so sehr an sie gewöhnt hatte, dass er sie nicht mehr als solche empfand. Als er sich aber in den Flitterwochen aus einer Laune heraus die Brust rasiert hatte, ließ sie sich nicht mehr verbergen.

      „Was ist denn das?“, hatte seine Braut entsetzt gefragt und dabei auf seinen nackten Oberkörper gedeutet.

      „Das ist Brasilien!“, hatte er leichtfertig geantwortet, da es ihm sehr nebensächlich erschien, ein Muttermal in der Form Brasiliens auf der Brust zu tragen. Aurora aber hatte auf diese Eröffnung alles andere als wie von ihm erwartet reagiert. „Brasilien? Das sieht doch viel mehr aus wie – O Gott, Afrika!“, hatte sie fassungslos gestammelt, worauf er nur beiläufig mit den Schultern gezuckt hatte. „Ja meinetwegen, dann halt Afrika.“

      Sein Gleichmut hatte ihr den Rest gegeben. „Ägypten! Oder Marokko! Aber doch nicht gleich das komplette Afrika! Mit all diesen armen Gegenden! Wenn dich jemand so sieht – Das glaubt dir doch niemand, dass du dir das nicht selber gemacht hast!“, hatte sie, vor Erregung am ganzen Körper bebend, gerade so herausgebracht. „Die klaren Umrisse, diese Übereinstimmung – Unsere Freunde müssen dich doch für …“

      „Wie soll ich mir denn …? Und wofür sollten mich unsere Freunde halten?“

      Sie hatte heftig geschluchzt. „Kannst du dir das nicht denken? Für so einen Weltverbesserer, der sein Geld in irgendwelche Schulen in der dritten und vierten und sonst einer Welt steckt und mit Entsalzungsanlagen alle Strände verschandelt. Afrika!“ Sie hatte höhnisch aufgelacht. „Immer, wenn du so“ – mit einem angewiderten Blick hatte sie auf seine Brust und den Fleck in deren Mitte gezeigt – „das Polohemd aufknöpfst oder auch nur die Krawatte abstreifst – Immer verdirbst du allen die Stimmung mit deinem Afrika!“

      Zuerst hatte er sie für verrückt gehalten. Aber an ihren Vorwürfen war ja tatsächlich etwas dran, hatte er dann erschrocken festgestellt, als er sich kritisch im Spiegel betrachtet hatte. Sein Mal hatte wirklich nicht die verspielten Umrisse von Brasilien, sondern hatte viel mehr – Afrika geähnelt.

      „Tja, das“, hatte er vor sich hin gemurmelt, während er sein Hemd zuknöpfte, „das ist in der Tat recht ärgerlich. Dann sollte ich mir wohl auf keinen Fall noch einmal die Brust rasieren.“ Fragend hatte er sie angeblickt, doch sie hatte ihn nur aus vollkommen verweinten Augen angesehen. „Und was ist mit mir?“, hatte sie gefragt. „Ich werde es immer wissen, auch wenn es die anderen zwischen deinem Brusthaar nicht sehen. Es wird mich förmlich anziehen, dieses Afrika, dieser ständige Aufruf, sein Geld zu verschleudern – deine verfluchte soziale Ader!“

      „Nun rede aber mal keinen Unsinn!“, hatte er verärgert ausgerufen. „Ich habe ganz bestimmt keine soziale Ader – und das weißt du auch!“

      „Aber du siehst so aus“, hatte sie ihm vorgehalten. „Damit siehst du so aus!“

      *

      Wie um sich und ihr und aller Welt zu beweisen, dass er nicht einer von jenen war, die ihr Geld in soziale Projekte steckten und pompöse Feiern nur auszurichten verstanden, wenn es galt, wie ein Hausierer im eigenen Hause Spenden für wohltätige Zwecke einzusammeln, war er aus dem Lions Club ausgetreten, hatte auch seine Mitgliedschaft im Freundeskreis seiner Universität gekündigt und zuletzt die Preise in der firmeneigenen Kantine grundlos erhöhen lassen.

      Aber was immer er auch getan hatte, es war ihm nicht genug gewesen, es hatte ihn nicht beruhigt. Die unerträgliche Vorstellung, jemand könnte sein Mal entdecken, Vergleiche anstellen und ihn des sozialen Wesens bezichtigen, hatte ihn mit ungeahnter Furcht erfüllt.

      Ständig war er versucht, seine Brust zu verbergen. So war er mit den Freunden nicht mehr in die Sauna gegangen, hatte sich mit ihnen nicht mehr wie einst zum Rudern, Schwimmen, Tennis getroffen – Selbst dem Golfplatz war er ferngeblieben aus Angst, einer der Freunde könnte, während er selbst leicht gebeugt am Ball stünde, einen Blick in sein Hemd werfen und so sein Geheimnis enthüllen.

      Er vermied es nun, privat auch nur ein Telefonat anzunehmen, da er befürchtete, wieder einmal die Einladung zu einer ihm möglicherweise gefährlich werdenden Verabredung absagen zu müssen und sich gerade dadurch verdächtig zu machen. Aurora hatte es übernommen, ihn gegenüber den Freunden, die ja schwerlich auf Dauer missachtet werden konnten, ohne damit einen Eklat auszulösen, erst verhindert und bald schon, weil sie sich davon weniger lästige Nachfragen und dafür umso mehr Mitleid erhofft hatte, als behindert zu melden.

      Und es gelang: Da man allgemein davon ausging, dass Holgers Behinderung – bei seiner beruflichen Brillanz! – doch gar nicht anders als körperlich sein konnte, begegnete man ihm mit Bewunderung und Respekt wie nie zuvor, wenn er sich mal hier, mal dort bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen zeigte. Aurora wurde grenzenloses Mitleid zuteil, was sie über den Hass hinwegtröstete, den sie immer mehr für Holger empfand, der ihr diese schwere Last aufgebürdet hatte. Doch musste sie feststellen, dass sich