Samina Haye

Der Weg nach Roseworthy


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gibt es einen besonderen Anlass?“

      Zoe musste über ihre Schwester lachen und dachte sich, es sei ein guter Tag. Sie sah die Neugierde in Linas Augen.

      „Ähm, ja, es gibt einen besonderen Anlass, doch ich muss dir jetzt etwas Wichtiges erzählen. Ich finde es besser und richtig, dies jetzt zu tun, bevor unsere Eltern es am Abend erfahren“, sagte sie und Lina wurde ungeduldig.

      „Zoe, kannst du bitte mit der Sprache rausrücken, du machst mich schon früh am Morgen neugierig“, sagte sie wartend. Mit so einer Reaktion hatte Zoe gerechnet.

      „O.k., o.k. Ist ja nichts schlimmes, aber ich möchte nach den Schulferien wieder zurück an die Schule, um zu unterrichten“, erzählte sie und Lina grinste übers ganze Gesicht!

      „Das ist aber mal eine tolle Nachricht! Das freut mich zu hören, da können wir gleich mit tollen Neuigkeiten ins neue Jahr rein feiern“, jubelte sie schon fast und umarmte Zoe. Nun konnten sie das Frühstück in Ruhe genießen.

      Der Abend brach an, und die zwei Schwestern hatten sich hübsch gemacht, sie standen im Wohnzimmer und betrachteten die Silvesterdekoration. Der heutige Abend versprach wunderschön und besonders zu werden.

      „Lina, das haben wir super hinbekommen.“ Sie grinsten sich an.

      „Ja, wie recht du hast. Weißt was, bevor unsere Eltern kommen haben wir uns noch ein Gläschen Sekt verdient!“

      Die zwei stürmten in die Küche und ließen den Korken knallen.

      Nach dem letzten Schluck klingelte es an der Tür.

      „Wow, das habt ihr ja toll gemacht! Es freut mich, hier bei euch zu sein“, sagte ihre Mutter.

      Sie bedankten sich und setzten sich ins Wohnzimmer, da wurde gequatscht und gelacht.

      Zoe saß auf dem Teppichboden. Sie hielt den Augenblick für gekommen und machte mit einem klirrenden Klopfen an ihr Sektglas auf sich aufmerksam.

      „Ja, heute ist ein besonderer Abend. Ich habe alle meine Liebsten um mich und möchte mich gleich mal bei euch allen bedanken, dass ihr in der letzten schwierigen Zeit an meiner Seite wart und mich unterstützt habt. Doch nun muss das Leben wieder weitergehen, ich werde mich bemühen nach den Weihnachtsferien wieder an meine Schule zurück zu kehren, um zu unterrichten. Seit längerer Zeit mache ich mir nun Gedanken darüber, wie ich am besten weiter machen soll, und da bin ich zu diesem Entschluss gekommen.

      „Zoe, wir sind stolz auf dich, dass ist wirklich eine super Nachricht, die wir mitnehmen ins neue Jahr.“

      Ihr Vater nahm sie in die Arme und gab ihr einen Kuss auf die Wange, alle freuten sich für sie.

      Schließlich spielten sie noch Spiele, aßen und tranken, die Zeit verging so schnell und schon war es Mitternacht. Sie gingen ins Freie und Paul schoss ein paar Raketen in den wolkenlosen Himmel.

      Als ihnen kalt wurde gingen sie hinein in die warme Stube, nur Zoe blieb noch kurz bei Nicks Schaukel stehen.

      „Mein Schatz, du bist nicht mehr hier bei mir. Ich vermisse dich so sehr, ich weiß noch immer nicht, wie ich ohne dich leben soll, ich habe Angst, es nicht auf die Reihe zu bekommen. Tja, das hört sich blöd an, aber wenn ihr wirklich dort oben seid, gib mir doch ein Zeichen. Ich liebe dich über alles und du bist immer in meinem Herzen.“

      Sie meinte, alles gesagt zu haben und wollte wieder ins Haus gehen, doch da packte sie ein warmer Windstoß, Nicks Schaukel bewegte sich und über ihr stieg die schönste Rakete, die sie je gesehen hatte, in den Himmel.

      Da war sie, die Bestätigung. Nun konnte sie mit ruhigem Gewissen den nächsten Schritt tun.

      Sie ging hinein, war glücklich und ließ die Nacht mit ihrer Familie schön ausklingen.

       ~

      Zoe hatte noch eine Woche Zeit, um alle Sachen zu erledigen, die sie sich schon seit einer Weile vorgenommen hatte, bevor sie wieder mit dem Unterricht beginnen wollte.

      In diesen Tagen ging sie seit Langem wieder einmal zum Reitstall, der sich in der Nähe ihres Elternhauses befand.

      Die wunderschöne große Ranch gehörte einem Freund von Zoes Vater, und dort hatten die Schwestern ihre Pferde untergestellt.

      Sich auf den Pferderücken zu setzen heißt entspannen und loslassen zu können, man fühlt sich in diesem Moment, schlicht und einfach gesagt, frei.

      Frei von allen Sorgen, frei von allen schlechten Gedanken, man kann abschalten und den Ritt sorglos genießen. So ging es Zoe auch diesmal.

      Danach fuhr sie heim und fühlte sich gut, für ein paar Stunden hatte sie alle traurigen Gedanken beiseitegeschoben.

      Lina half Zoe dabei, Julian und Nicks Sachen in Kisten zu räumen. Zoe war furchtbar traurig darüber.

      „Aber das ist doch schrecklich von mir, was ich hier mache“, sagte sie mit tränenden Augen zu ihrer Schwester, die sie nun zärtlich drückte.

      „Ich weiß, es fühlt sich nicht richtig an für dich, aber es ist schon einige Monate her, du musst das irgendwann machen, es wird dir immer schwer fallen, egal zu welchem Zeitpunkt.“

      Als sie damit fertig waren, ging Lina mit ihrer Schwester raus in die frische Luft, sie machten einen langen Spaziergang durch den Wald und sprachen in Ruhe nochmal über das Thema.

      Nun war der letzte Abend angebrochen, die zwei jungen Frauen machten sich ein leckeres Essen, gekrönt von Schokoladeneis, bekannt dafür, gut für die Nerven zu sein.

      Morgen wollte Zoe in die Schule gehen und dem Direktor und ihren Kollegen von ihrer Rückkehr berichten.

      4

      Montag, 10. Jänner 2011

      Um Punkt sechs Uhr morgens läutete seit Langem wieder mal Zoes Wecker. Mit einem flauen Gefühl im Magen stand sie auf und führte ihr tägliches Morgenritual durch. Ab unter die Dusche, danach in die Küche und einen starken Kaffee genießen.

      In den Wintermonaten pflegte Zoe immer zu Fuß in die Schule zu gehen und so stand sie auch diesmal nach kurzer Zeit vor dem Eingangstor der Schule. Sie blieb kurz stehen, atmete nochmal tief durch und betrat dann die Schule.

      Zoe wollte als erstes den Direktor begrüßen und machte sich auf in Richtung seines Büros.

      Doch als sie den Flur entlangging wuchs ihre Unruhe. Es war so ungewöhnlich ruhig, niemand war zu sehen. Als sie um die Ecke bog standen alle Lehrer versammelt.

      Hinter ihnen an der Wand hing ein großes Willkommensplakat, das die Schüler gemeinsam mit den Lehrern gemalt hatten.

      Alle riefen wie aus einem Mund: “Herzlich Willkommen!“ und kamen ihr lächelnd entgegen.

      Ihre Kollegen waren froh, sie wiederzusehen und endlich wieder bei sich in der Schule zu haben.

      Direktor de Mol ging zu Zoe, nahm sie in die Arme und räusperte sich kurz.

      „Guten Morgen, Zoe, wir sind glücklich, Sie wieder hier zu haben. Ihre Schwester war so lieb und hatte mir vor ein paar Tagen bescheid gegeben, damit wir Sie herzlich begrüßen können.“

      Zoe musste tief durchatmen. Dieser herzliche Empfang ging ihr doch sehr nahe, und sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.

      Sie sah in die Runde und begann zu weinen. Direktor de Mol nahm ihren Arm und brachte sie in sein Büro.

      „Es tut mir leid, Herr Direktor, es war wohl zu viel auf einmal.“

      Die Direktionsassistentin brachte ihr ein Glas kaltes Wasser.

      Sie hörte, wie die Lehrer am Gang miteinander sprachen.

      Als sie sich wieder gefasst hatte kam ihr Chef und setzte sich neben Zoe.

      „Wenn es Ihnen zu viel wird, sagen Sie es, Sie